US-Kaffeebomber fliegen für Idi Amin
Was haben Melbourne in Florida und Stansted in England gemeinsam -- abgesehen von ihren Flugplätzen? Antwort: »die »Ugandan Connection« -- eine Flugverbindung, die erheblich dazu beiträgt, die blutige und chaotische Herrschaft des Idi Amin Dada aufrechtzuerhalten, der jetzt in das achte Jahr seiner Präsidentschaft geht.
Stansted, ein alter RAF-Stützpunkt aus der Kriegszeit, ist ein kleiner Flugplatz im ländlichen England, etwa 70 Kilometer von London entfernt. Fast jede Nacht jagt ein großes US-Transportflugzeug, von einer amerikanischen Crew geflogen, die Rollbahn entlang, auf der einst die »Liberators« und »Lancasters« dahinschlingerten, um gen Süden in die warmen Lüfte Afrikas zu starten.
Als typische Fracht könnte es geladen haben: mehrere Kisten schottischen Whisky, eine Sendung Land-Rover-Reifen, Kästen mit teurem Parfum, Stiefel für den ugandischen Gefängnisdienst, einen Mercedes (Gebrauchtwagen), Bündel neuer ugandischer Banknoten, in Edinburgh gedruckt, Waffenröcke, Hosen, Abzeichen und Uniformwinkel für Amins Armee, Flugzeug-Ersatzteile für das ugandische Polizeigeschwader und einige unglückliche Hereford-Zuchtkühe.
Außer den amerikanischen Piloten, gutbezahlten Kriegsveteranen, erfahren in waghalsigen Unternehmungen, sind drei bewaffnete Ugander von Idi Amins gefürchteter Leibwache an Bord. Die ganze Maschine durchzieht penetranter Kaffeeduft.
Wie von Stansted starten auch vom Melbourne Regional Airport in Florida Hilfsflüge nach Uganda. Zweimal im Monat holt eine Boeing 707 der Uganda Airlines Fernmeldeanlagen und andere US-Güter. Die Besatzung der Maschine ist aus vielen Nationalitäten zusammengewürfelt, darunter auch Amerikaner. Keine Maschine landet oder startet ohne ugandische Sicherheitsbeamte an Bord.
Das ist der Uganda-Pendeldienst, Idi Amins Überlebensgarantie: zwei umgebaute Boeing 707 und eine Lockheed C-130 »Hercules«. Sie fliegen regelmäßig zwischen Uganda und dem Westen hin und her. Kommen sie aus Uganda, haben sie eine Ladung Rohkaffee an Bord, auf dem Rückweg aber die diversen Bedarfsgüter eines Diktators. Diesen Pendelverkehr soll nun eine Initiative im amerikanischen Kongreß torpedieren.
Seit Idi Amin 1971 auf einer Woge der Volkseuphorie an die Macht kam, errichtete er eine Schreckensherrschaft in einem Land, das einst zu den friedlichsten und verheißungsvollsten Afrikas zählte. Jedes Gebot der Menschenrechte wurde verletzt, jeder Appell zur Mäßigung ignoriert.
Angesehene Menschenrechtsorganisationen wie die Internationale Juristenkommission und Nobelpreisträger Amnesty International schätzten. daß Zehntausende Ugander getötet, ungezählte Tausende in die Verbannung geschickt wurden. Hunderttausende haben die Brutalität von Amins Herrschaft am eigenen Leib erfahren.
Mit Hilfe seiner Kaffeeflieger kann Idi Amin sein Treiben wohl noch einige Zeit fortsetzen. Durch den ugandischen »shuttle« ist es andererseits den Vereinigten Staaten jetzt gelungen, Großbritannien vom Platz des größten Einzelimporteurs von Uganda-Kaffee zu yendrängen. Allein in den ersten neun Mo-
* Angestellte der »Uganda Airlines«.
78 John de St. Jorre from The New York Times Magazine.
naten 1977 kamen die US-Kaffee-Importe auf einen Wert von 220 Millionen Dollar, eine Steigerung um 33 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 1976. Und sie steigen weiter.
Diese Einfuhren sind zwar nur ein kleiner Teil der gesamten amerikanischen Kaffee-Importe, für Amin aber sind sie lebenswichtig. Ungefähr ein Drittel der gesamten Kaffee-Exporte Ugandas gehen in die USA, sie bringen dem Diktator ein Drittel seiner gesamten Deviseneinnahmen. Ein Fünftel seiner Devisen bezieht Uganda aus seinen Kaffee-Exporten nach England.
Umgekehrt steigen auch die amerikanischen Ausfuhren nach Uganda, so gering sie auch insgesamt sein mögen. 1976 führten die Vereinigten Staaten Waren im Gesamtwert von 6,3 Millionen Dollar nach Uganda aus. 1977 hatte sich diese Zahl bereits auf 14,2 Millionen Dollar erhöht.
Idi Amin ist ein Mann, der nicht gerade wenig Emotionen weckt, ein Handelsembargo kann zu einer hochbrisanten Frage werden. Donald J. Pease, neuer demokratischer Kongreßabgeordneter aus Ohio, ist der schärfste Befürworter eines Boykotts.
Die kommerziellen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Uganda gelten jetzt als wichtige Waffe gegen Amin. Die Amin-feindlichen Kräfte halten sie sogar für doppelt wichtig, weil die normalen Sanktionen der Regierung -- Einstellung technischer und finanzieller Hilfeleistungen, Abzug diplomatischer Vertreter und dergleichen -- vor langer Zeit schon verhängt wurden. Die kommerziellen Bündnisse aber sind weit umfassender als allgemein angenommen.
Amerikanische Geschäftsleute leisten Amin zahlreiche Dienste. Sie verschaffen ihm vor allem Flugzeuge und Fernmeldeeinrichtungen, die er in seinem Binnenstaat, umgeben von mehr oder minder feindlichen Nachbarn, dringend braucht.
Die Fluggesellschaft Page Airways aus Rochester und ihre beiden Tochtergesellschaften Page Gulfstream und Airjet verkauften Amin zwei Düsenflugzeuge und fliegen die Lockheed C-130, die im Entebbe-Stansted-Verkehr eingesetzt wird.
Die amerikanischen Crews werden gut bezahlt -- Piloten verdienen monatlich über 4000 Dollar, Bordmechaniker 3000 Dollar. Überdies sind sämtliche Lebenshaltungskosten gedeckt. Die ugandische Regierung bezahlt die Besatzungen über Bankkonten in der Schweiz. Die Piloten, so wissen Flughafenbeamte, führen an Bord große Mengen Bargeld mit sich, um Treibstoff- und Landegebühren bezahlen zu können. Denn Uganda gilt als unsicherer Kunde und hat kaum irgendwo Kredit.
Die ugandische Boeing, die so oft in Melbourne, Florida, landete, hatte hauptsächlich die Aufgabe, Fernmeldeeinrichtungen auszufliegen, die von der Harns Corporation im Rahmen eines Vier-Millionen-Dollar-Vertrags an Uganda geliefert wurden. Die Harris Corporation hat in Westuganda eine Satelliten-Bodenstation errichtet und in Melbourne und Rochester zahlreiche Ugander in Fernmeldetechnik ausgebildet
Auch die Internationale Flugsicherungsschule in Vero Beach, Florida, bildet eine Gruppe von Ugandern aus. Obwohl die als Zivilisten nach USA kamen, sind die meisten von ihnen, so meinen Exil-Ugander. die mit ihnen Kontakt hatten, Angehörige der Luftwaffe Amins, die ein Stipendium der ugandischen Regierung erhielten.
Bis vor kurzem schulte auch das US-Unternehmen Beil Helicopter in Fort Worth ugandische Piloten -- im vergangenen Jahr etwa ein Dutzend. Beil Helicopter plante auch, drei Hubschrauber an Uganda zu verkaufen. Diese Transaktion wurde jedoch in letzter Minute vom State Department abgeblockt, das den Verkauf militärischen oder paramilitärischen Geräts genehmigen muß.
Einer der Gründe für diese florierende »Ugandan Connection« ist der steigende Kaffeepreis. Zwar kommen nur etwa 6,5 Prozent der amerikanischen Kaffee-Importe derzeit aus Uganda, doch mit den ugandischen Bohnen werden die meisten großen Kaffee-Importeure und -Röstereien des Landes beliefert.
In den letzten Monaten wurden die Kaffeefirmen von den Menschenrechtsorganisationen und der Öffentlichkeit zunehmend unter Druck gesetzt, ihre Einkäufe in Uganda einzustellen. Der Kongreßabgeordnete Pease veröffentlichte eine detaillierte Liste aller Firmen, die an diesem Handel beteiligt sind, mit Mengen- und Wertangabe ihrer Einfuhren aus Uganda.
Die »Großen Fünf« sind die Folger Coffee Company (eine Tochtergesellschaft von Procter & Gamble), General Foods (Maxwell House), Saks International, ACLI Sugar Company und Nestle.
Ende November 1977 forderte die National Coffee Association, eine Dachorganisation der meisten großen US-Kaffeefirmen, die amerikanische Regierung auf, für den Handel mit Uganda »bundesweit einheitliche Richtlinien« aufzustellen.
Im gleichen Monat drängte der Präsident des Kaffee-Unternehmens Maxwell House die Regierung zum Handeln. Doch der Kaffee-Herr wurde energisch abgewiesen. mit dem Bescheid, es sei Aufgabe jeder einzelnen Firma. selbst darüber zu befinden, ob sie ugandischen Kaffee kaufen solle oder nicht.
Branchen-Insider behaupten, die Unternehmen hätten Angst, die Kartellgesetze zu verletzen, wenn sie freiwillig beschlössen, den ugandischen Kaffee zu boykottieren. Dann könnten ihnen monopolistische Praktiken gegen Uganda vorgeworfen werden.
Ihre Kritiker aber, darunter auch Angehörige des US-Außenministeriums, argumentieren. in Wirklichkeit fürchteten die Kaffeehändler nur eventuelle Verkaufseinbußen, weil diejenigen, die sich einem solchen Embargo vielleicht nicht anschließen würden, ihre Preise unterbieten könnten.
Kongreßmann Pease und seine Anhänger verfolgen zwei Ziele. Zunächst hoffen sie, die von einem Geschäftsträger geleitete ugandische Botschaft in Washington schließen zu können. Dann sollen aufgrund des Embargo-Gesetzes, das sie im Kongreß eingebracht haben, alle Geschäftsbeziehungen zu Uganda abgebrochen werden.
Das Amin-Regime, argumentieren Pease und seine Anhänger, sei eine Monstrosität ii la Hitler, die eine außergewöhnliche Antwort verlange.
Die Pease-Kampagne hat stetig an Bedeutung gewonnen. Inzwischen hat Pease 74 Kongreßabgeordnete auf seiner Seite -- liberale und konservative Demokraten wie Republikaner. Überdies wird Pease von religiösen Gruppen, Exil-Ugandern (es gibt in USA über 4000 politische Flüchtlinge aus Uganda), jüdischen Organisationen und zahlreichen Menschenrechtsausschüssen aktiv unterstützt.
Dennoch gibt es auch eine starke Opposition gegen seine Initiative, eine Opposition, die hauptsächlich in drei Lagern anzutreffen ist: bei den Schwarzen, den Konservativen und in der Regierung.
Vergangenes Jahr holte Amin zahlreiche schwarz-amerikanische Journalisten, Lehrer, Rechtsanwälte und andere Fachkräfte nach Uganda. Die meisten von ihnen scheinen mit der Überzeugung zurückgekehrt zu sein, daß Idi Amin Opfer einer schändlichen Propagandakampagne wurde.
Das US-Außenministerium lehnt das Gesetzesvorhaben Pease energisch ab. Keine Nation, die auf den internationalen Handel so angewiesen ist wie die Vereinigten Staaten, könne, wird argumentiert, leichtfertig Sanktionen verhängen.
Es ist wenig wahrscheinlich, daß die Regierung ihre Meinung ändern wird. Bestenfalls scheint die Carter-Administration bereit, ihre derzeitige Verdammungsrhetorik beizubehalten, die »Grauzonen« der indirekten Unterstützung der ugandischen Regierung strenger zu überwachen und hinter den Kulissen tätig zu sein.
Doch selbst wenn sein Embargo-Antrag nicht über die byzantinischen Labyrinthe der Kongreß-Unterausschüsse hinausgelangen sollte, sind Pease und seine Anhänger der Meinung, einen gewissen Erfolg erzielt zu haben, indem sie die amerikanische Öffentlichkeit auf Uganda aufmerksam machten und dadurch den amerikanischen Geschäftsleuten ein wenig den Appetit auf den Handel mit Idi Amin nahmen.
Sollten die Embargo-Gesetzesvorlagen aber im Kongreß behandelt werden, dürfte das Dilemma der amerikanischen Regierung sehr viel deutlicher werden.
Denn, so ein Beamter des State Department, »gegen den Amin-Boykott stimmen wäre, als ob man gegen die Mutterschaft stimme. Dabei aber will sich niemand im Kongreß ertappen lassen«.