US-Kongreß im Zwielicht
Die einzige »ausgesprochen kriminelle Klasse« in Amerika beherberge der Kongreß, lästerte einst der Satiriker Mark Twain. Vorige Woche schien sich das böse Wort zu bestätigen: Nach fast einjährigen Ermittlungen trat der Demokrat Jim Wright, 66, seit 34 Jahren Kongreßmitglied und seit 1987 als Sprecher des Repräsentantenhauses dritthöchster Mann im Staate, wegen zwielichtiger Finanzmanipulationen von seinem Posten zurück - die Spitze eines Eisberges. Schon vor Wright, dem vorgeworfen wurde, sich am Verkauf seiner als Buch veröffentlichten Reden bereichert zu haben, hatte der Abgeordnete Tony Coelho, auch er Mitglied der demokratischen Fraktionsführung, wegen nicht deklarierter Nebeneinkünfte seinen Rücktritt angekündigt. »Das Aderlassen«, fürchtet der demokratische Senator John Breaux, »ist noch nicht vorbei.« Auch Republikaner zählen zu den Sündern: So geriet der Abgeordnete Robert Davis in ein schiefes Licht, weil er seiner Freundin einen Posten bei einem Kongreßausschuß verschafft hatte. Korruption und Einflußverkauf im ehrwürdigen amerikanischen Parlament sind nicht zuletzt Folge der Wahlkampffinanzierung: Um ihre teuren Wahlkämpfe bestreiten zu können, müssen die Senatoren monatlich 45 000 Dollar (Abgeordnete etwa 15 000 Dollar) bei Industrie, Verbänden und Privatleuten sammeln. »Wie Drogenabhängige« seien die Parlamentarier auf das Geld der Lobbyisten angewiesen, klagte der demokratische Senator David Boren.