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CDU Vater fehlte

aus DER SPIEGEL 14/1964

Christdemokraten dürfen nicht aus der CDU verstoßen werden, wenn sie bei Kommunalwahlen gegen die Bewerber ihrer eigenen Partei kandidieren.

So hat das Bundesparteigericht entschieden. Und der Gerichtsvorsitzende Dr. Daniels - Bonns Oberbürgermeister - will den Beschluß in den nächsten Tagen drei CDU-Männern übermitteln, die kurz vor der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl vom 11. März 1962 der Rathauspartei »Freie Wählergemeinschaft Lübeck« (FWL) beigetreten waren.

- Rechtsanwalt Dr. Stefan Böttcher, 32, Sohn des nach einer Spielbanken -Affäre (SPIEGEL 22/1959) aus seinen Ämtern als Landtagspräsident und Lübecker Bürgermeister ausgeschiedenen Dr. Walther Böttcher, 63;

- Verlagskaufmann Klauspeter Kalder, 29, Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Marli/Brandenbaum/Eichholz an der Zonengrenze;

- Verwaltungsangestellter Wilhelm Kulbartz, 54, ebenfalls Vorstandsmitglied des CDU-Bezirksverbandes Marli/Brandenbaum/Eichholz.

Schon vor der Wahl hatte die Dreier-Aktion linientreue Parteifreunde im nördlichen Bundesland empört. Am 8. Februar 1962 rügte der CDU-»Landesdienst

Schleswig-Holstein": »Mit diesem Verhalten haben sich die Genannten selbst aus der politischen Gemeinschaft der CDU ausgeschlossen.« Das »Statut der CDU« diente als Stütze. Fes bestimmt: »Die Mitgliedschaft in einer anderen Partei schließt die Mitgliedschaft in der CDU aus.«

Andererseits konnten die drei Rathaus-Parteiler annehmen, die CDU werde die Doppelmitgliedschaft zulassen. Die »Materiellen Bestimmungen« der Parteigerichtsordnung der CDU besagen nämlich: »Parteischädigend verhält sich insbesondere, wer zugleich einer anderen politischen Partei angehört.« Und die »Kommunalpolitischen Blätter« der CDU hatten am 25. April 1961 versichert: »Freie Wählergemeinschaften sind keine politischen Parteien.«

Vor allem aber hatte der CDU-Landesvorsitzende und damalige Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel noch vor der Wahl verkündet: »Wählergemeinschaften werden die Unterstützung der CDU finden.« Das Hassel-Wort ermunterte Böttcher, Kalder und Kulbartz, für die FWL nun auch in drei Lübecker Wahlbezirken zu kandidieren. Daß sie dabei gegen andere CDU-Parteifreunde auftraten, nahmen sie in Kauf.

Doch das FWL-Experiment blieb erfolglos. Die CDU rückte mit 47 566 Stimmen und 22 von 49 Mandaten ins Lübecker Rathaus ein. Die FWL erhielt mit 2541 Stimmen kein Mandat.

Nun schloß der Lübecker CDU-Kreisvorstand die drei Abweichlers aus der CDU aus: weil sie »durch ihre Kandidatur bei der 'Freien Wählergemeinschaft' ihre Pflichten gegenüber der CDU erheblich verletzt und' die Interessen sowie das Ansehen der CDU schuldhaft geschädigt« hätten.

Stefan Böttcher erhob Beschwerde beim Landesparteigericht in Kiel - erfolglos: »Ausschluß wegen parteischädigenden Verhaltens.« Böttcher trug den Fall nach Bonn, zur höchsten Instanz. Er ließ das Bundesparteigericht wissen, die drei Lübecker hätten

- weder FWL-Wahlversammlungen abgehalten noch gegen die CDU Propaganda getrieben;

- vielmehr das demokratische Bewußtsein stärken wollen, indem sie versuchten, »Wähler an die kommunale Selbstverwaltung heranzuführen, die doch keine politische Partei gewählt hätten«.

Zwei Jahre nach der Kommunalwahl korrigierte nun das Bundesparteigericht die Parteirichter aus der Provinz. Es sei zwar unkorrekt, in einer Wählergemeinschaft gegen die eigene Partei zu kandidieren; das könne auch von der Partei bestraft werden - aber »nicht mit der schwersten Strafe, die die Satzung vorsieht«. Mithin: »Stefan Böttcher, Wilhelm Kulbartz und Klauspeter Kalder sind weiterhin Mitglieder der CDU.«

Das oberste Parteigericht rügte aber auch formale Mängel: Es sei versäumt worden, den örtlichen Partei-Ehrenvorsitzenden zur Ausschlußberatung zu laden. Mithin sei der vom Lübecker CDU-Vorstand beschlossene Ausschluß von Stefan Böttcher und dessen Freunden ungültig.

Ehrenvorsitzender der Lübecker CDU ist Dr. Walther Böttcher, der Vater von Stefan.

CDU-Abweichler Kulbartz, Kalder, Böttcher: Strafe erlassen

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