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ISRAEL Verbotene Frucht

Zockende Juden gingen aufs Wasser - doch die Polizei schlug zu.
aus DER SPIEGEL 23/1989

Auf getarnten Schnellbooten kamen sie wie Piraten, im weißblassen Mondlicht, nach Mitternacht. Leise pflügten die Schiffe durch die glasiggrüne See bei Eilat. Fünf dort ankernde Jachten waren plötzlich in das Licht starker Scheinwerfer getaucht, Dutzende Uniformierte kletterten an Bord.

So begann das Unternehmen »Goral« (Hebräisch für »Schicksal") - 320 israelische Polizisten enterten die schwimmenden Kasinos im Golf von Eilat.

Seit Jahren hatten anonyme Finanziers sich bemüht, das Heilige Land mit Spielhöllen zu beglücken. Und keineswegs alle Israelis fanden das blasphemisch. »Wir Israelis haben eine Spielermentalität«, meinte etwa Tourismus-Minister Gideon Patt und befürwortete solche Lokale nicht nur bei Eilat, sondern auch am Toten Meer ebenso wie am See Genezaret.

Ohnehin läßt die Regierung des Judenstaates mancherlei Lotterien zu, etwa Lotto, Fußballtoto und Ähnliches mehr, deren Millionen-Einnahmen Sport, Erziehung und Gesundheitswesen zugute kommen. Auf nicht staatlich kontrolliertes Glücksspiel hingegen steht bis zu drei Jahren Gefängnis.

Doch auch im gelobten Land lockt die verbotene Frucht. Illegale Spielhöllen florieren in den meisten Städten, in Hotelzimmern oder Privatwohnungen. Sie werden regelmäßig ausgehoben, aber bald an anderer Örtlichkeit neu eröffnet.

Vor zwei Jahren ließen sich deshalb clevere Geschäftsleute einen Trick einfallen, die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen. Auf relativ kleinen Vergnügungsschiffen, die unter fremder Flagge in der Bucht von Eilat ankern, außerhalb der israelischen Hoheitsgewässer, wütete der Spielteufel täglich bis in die frühen Morgenstunden. Man zockte um gewaltige Beträge - Monat für Monat wurden nach zuverlässigen Schätzungen mehrere Millionen Dollar umgesetzt.

Nicht nur israelische Zocker und Ganoven - wie die Polizei glaubt -, sondern auch biedere Bürger lassen ihr Geld an den Spieltischen. Protestgruppen behaupten, ganze Familien seien zerrüttet worden, weil sie Haus und Habe verspielt hätten. Kredithaie bieten dann Geld zu Wucherzinsen an und treiben die Schulden später mit harter Hand ein.

Hunderte, an Wochenenden manchmal über tausend Spieler aus allen Teilen Israels strömten nach Eilat, für eingeführte Besucher mit dicker Brieftasche waren Flug und Unterkunft oft gratis.

Von einer illegal errichteten klapprigen Landungsbrücke aus stellten sieben Boote einen Pendeldienst zu den bunt illuminierten Jachten her. Mehrmals schon kenterten die Zubringer auf dem Weg zum vermeintlichen Glück.

Die Spiel-Schiffe sind nicht gerade gewaltig - jedes bietet nur Platz für 100 bis 200 Kunden. Im größten Raum stehen jeweils fünf bis sechs Roulett- oder Black-Jack-Tische. Die 25 Meter lange »Royal Princess« lockt sogar mit 15 Tischen. In den kleineren Räumen warten Poker, Würfel oder Einarmige Banditen.

Das Personal, Croupiers und Dealer, kommt aus London, mit Touristenvisa, ohne Arbeitsgenehmigung. Gehalt: rund 1000 Dollar monatlich, meist verdoppelt durch großzügige Trinkgelder.

Noch besser verdienen die von den Kasinos bereitgestellten »Begleitdamen« - bis zu 300 Dollar pro Freier. Sie kommen aus dem ganzen Land, oft sind es Schülerinnen, die sich anbieten. Die Mutter eines solchen Mädchens fand unlängst 15 000 durch Beischlaf erarbeitete Dollar unter der Matratze ihrer Tochter.

In Eilat geht die Geschichte eines Spielers um, dem als Trost für seinen hohen Verlust ein zärtliches Mädchen vermittelt wurde. Entsetzt identifizierte der Mann seine 17jährige Tochter - und erlitt einen Herzanfall.

Zwei Monate lang bereiteten die Behörden ihren großen Schlag gegen »diese Pestbeule« (so ein Polizeioffizier) vor. Steuerbeamte und sogar der Generaldirektor des Innenministeriums gingen inkognito an Bord der Kasino-Schiffe, um die Lage zu erkunden.

Bei ihrem Kommando-Einsatz kassierte die Polizei dann über 90 Personen - Croupiers, Dealer, Spieler, Nutten. Die meisten kamen gegen Kaution wieder frei, die Ausländer mußten das Land verlassen, die Spieleinrichtungen sind beschlagnahmt, die Schiffe liegen, unter Polizeibewachung, am Kai in Eilat.

Aber die Kasino-Könige wollen nicht klein beigeben, sondern gegen den angeblich illegalen Polizei-Einsatz klagen. Einer der Hauptverdächtigen, der früher als Kopf einer israelischen Mafia galt, bewirbt sich um ein Kasino mit offizieller Lizenz - sonst würde er eine solche Vergnügungsstätte auf ägyptischem Boden, in Taba, einrichten, knapp acht Kilometer südwestlich von Eilat und für Israelis zugänglich.

Die orthodoxen Juden, denen Glücksspiel eine Sünde ist, werden eine Expansion der Zockerei wohl verhindern. Allerdings: Unter den bei der Aktion »Goral« Verhafteten waren auch drei Orthodoxe in schwarzen Kaftanen. #

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