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Briefe

Verdächtiges Verhalten
aus DER SPIEGEL 13/1976

Verdächtiges Verhalten

(Nr. 12/1976, Affären)

Die Gegendarstellung des Ministers a. D. Franz Josef Strauß zu Ihrem Artikel über den Lockheed-Skandal kann nicht unwidersprochen bleiben.

Die labenden Worte von Herrn Strauß über den Starfighter F 104 können sich nur auf ein Flugzeug beziehen, das in der Bundesluftwaffe niemals zum Einsatz gekommen ist. Die ursprünglich auf das in den USA gebräuchliche F 104-Jagdflugzeug zugeschnittene deutsche militärische Forderung wurde vom Führungsstab der Luftwaffe im Sommer 1958 auf Allwetter- und Mehrzweckverwendung erweitert. Dies wurde von der Firma Lockheed mit dem Hinweis als durchführbar akzeptiert, daß die angestrebte deutsche Version ("G") der F 104 dem in den Parlamentsvorlagen beschriebenen und ursprünglich ausgewählten US-Schönwetterjäger F 104 nur in der äußeren Form entsprechen würde. Praktisch war zur Erfüllung der deutschen Forderung eine Neukonstruktion erforderlich (so hat es auch der Bundesrechnungshof festgestellt). Die Parlamentarischen Ausschüsse wußten vor Genehmigung des F 104-Programms von alledem nichts. Der Haushaltsausschuß, der bereits im November 1958 berechtigte Bedenken hatte, hätte bei Kenntnis der wahren Sachlage ohne vorherige Klärung seine Genehmigung mit Sicherheit versagt.

Zu der vom »Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland der frühen sechziger Jahre ... aufgrund eines Hinweises der Staatsanwaltschaft Koblenz« angeordneten »Untersuchung« folgendes: Jedes besonders hochgezüchtete Flugzeug wie die F 104 verfügt über eine sehr teure Elektronik, die samt Triebwerk bis zu 75 Prozent des Flugzeug-Kaufpreises ausmachen kann. Der Flugzeughersteller fertigt lediglich die Zelle -- das »Flugzeug als solches« -, baut ihm angelieferte Geräte und so weiter ein und erstellt somit das Flugzeug quasi als Konfektionsartikel. Die nur auf die »Auswahl der F 104« (Zelle) beschränkten Untersuchungen hätten spätestens 1962 auf sämtliche »Eingeweide« des Flugzeuges erweitert werden müssen, nachdem Fachleute des Hauses -- nicht überhörbar -- noch rechtzeitig vor der Beschaffung von teilweise noch nicht einmal existenten Elektronik-Geräten, wie etwa solchen der US-Firma Litton, gewarnt hatten. Noch im Sommer 1966 verteidigte Staatssekretär Gumbel in einer Fragestunde den miserablen Lockheed-Schleudersitz. der manchen Piloten auf dem Gewissen hat. Schon wenige Wochen später ließ der inzwischen aus der Verbannung in die Position des Luftwaffen-Inspekteurs zurückgekehrte, sachkundige und zielbewußte General Johannes Steinhoff den Todessitz durch den bewährten Martin-Baker-Schleudersitz austauschen, der schon 1960 -- nicht zuletzt auf mein Betreiben -- in den ersten von Lockheed gelieferten F 104 eingebaut, jedoch später durch den völlig unzulänglichen, noch dazu wesentlich teureren Lockheed-C 2-Sitz ausgetauscht wurde. Warum wurde all dies nicht untersucht? Bestechungsverdächtig sind die Beschaffungen unausgereifter, teils nur auf dem Reißbrett konzipierter Geräte und Einrichtungen innerhalb der Zelle. Verdächtig ist, daß dies -- nicht rechtzeitig -- untersucht wurde.

Die für die Ablehnung der »Mirage« vorgegebene Begründung ist nicht überzeugend. Die für gute Arbeit und Zusammenarbeit bekannte Firma Marcel Daussault hätte sicherlich nicht schlechter, jedenfalls aber billiger und seriöser eines ihrer Flugzeuge auf deutsche Sonderforderungen ausrichten können.

Während Anfang 1958 überhaupt nach keine F 104 G (deutsche Version) existierte, verfügten die Grumman-Werke immerhin schon über zwei Supertiger F 11 F -- 1 F, deren Leistungen im Vergleich zur ausgewählten F 104 höher lagen. Wenn nun zufällig am 14. Februar 1958 keine der beiden Maschinen vorgeführt werden konnte, hätte die deutsche Auswahl-Kommission im Hinblick auf die Bedeutung ihres Auftrages doch wohl noch einen oder einige Tage warten können (Einzelheiten über den damaligen Stand der Supertiger: siehe »Interavia« Nr. 5/1958, Seite 441). Waren die Besuche Marcel Dassaults bei den Grumman-Werken womöglich nur eine Farce, um den Schein zu wahren?

In der genannten Gegendarstellung spricht Minister a. D. Strauß wiederum von »zuständigen Luftwaffenoffizieren« und von »mit der Prüfung befaßten Technikern«, die den Starfighter F 104 »als das mit Abstand beste Flugzeug« bezeichnet hätten. In anderen Dementis aus gleicher Quelle ist von

»Militärs«, von der »militärischen Seite« oder von »technischer Seite« die Rede. Ich wäre Herrn Strauß dankbar, wenn er einmal Namen und Funktionen dieser Herren nennen könnte.

Langenlonsheim (Rhld.-Pfalz)

FRITZHERBERT DIERICH* Oberst a. D.

* Ehemals Luftwaffen-Beschaffungsreferent im Bundesverteidigungsministerium; Mitglied des F 104-Ausschusses im Bundesverteidigungsministerium; Leiter der logistischen Bearbeiter-Gruppe F 104 im Bundesverteidigungsministerium; Referatsleiter Flugwartung (Chief Maintenance and Cross-Servicing) bei der Nato.

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