WERTPAPIERE / BROKER Verkauf um Mitternacht
Ein Druck auf die Tasten G und M verrät dem Kunden, was der New Yorker Börsenticker in der Sekunde über den Kurs der General-Motors-Aktie sagt. Ein weiteres Signal läßt auf einem Bildschirm den höchsten und niedrigsten Tageskurs, Umsatz, Dividende und Gewinn aufleuchten.
Das elektronische Gerät, mit dessen Hilfe sich deutsche Wertpapier-Besitzer direkt in das Börsengeschehen an der Walistreet einschalten können, heißt »Stockmaster« und steht in dem Frankfurter 14-Etagen-Hochhaus am Baseler Platz. Es gehört dem Anfang Mai dieses Jahres gegründeten Bankhaus Bache & Co. GmbH, Frankfurt.
Die Tochterfirma des New Yorker Unternehmens Bache & Co. Inc. bietet ihren Kunden auch außerhalb der Schalterhalle einen hierzulande ungewöhnlichen Service. Bis zu 15mal alarmiert der Boß an einem stürmischen Börsentag über Telephon und Fernschreiber einzelne Wertpapier-Kunden. Unaufgefordert und spesenfrei schreckt er sie aus der Badewanne und anderen Lebenslagen auf und rät ihnen, fallende Aktien zu verkaufen und auf neue Papiere umzusteigen.
Frederic J. Weymar, 35, der seiner Klientel als erster Bankier in Deutschland laufend heiße Börsentips gibt, ist Vizepräsident der New Yorker Broker(Makler-)Firma Bache, die mit 120 Filialen und einer halben Million Kunden in aller Welt unter den amerikanischen Wertpapier-Banken an zweiter Stelle rangiert. In Frankfurt schlüpfte er in den Firmenmantel der Privatbank J. Ph. Kessler und verschaffte sich als einziger Amerikaner Zutritt zum deutschen Börsenparkett.
Obwohl als Vollbank zugelassen, konzentriert sich die deutsche Bache-Tochter nach amerikanischem Vorbild ausschließlich auf den An- und Verkauf von Wertpapieren. Kreditbanken dürfen damit in den USA nicht handeln.
Mit seinen 100 Angestellten zielt Weymar, der mit seinen Eltern 1932 von Mühlhausen in Thüringen nach Amerika ging, auf die schwache Stelle im Wertpapier-Geschäft deutscher Banken: ihre Doppelfunktion als Kreditinstitut und Effektenhändler.
Steht zum Beispiel eine in Schwierigkeiten geratene Aktiengesellschaft bei einer Bank mit hohen Krediten in der Kreide, so würde das Institut die Rückzahlung seiner Gelder aufs Spiel setzen, wenn es dem Publikum vom Kauf oder Besitz der gefährdeten Aktien abriete. Häufig entscheiden sich die Banken deshalb gegen die Wertpapier-Kunden. Einige, so Weymar, »schlachten die Kundschaft immer erst aus«.
Schon 1959 hatte Bache in Frankfurt ein Maklerbüro eröffnet, das deutschen Kunden seine Dienste an der New Yorker Börse anbot.
Nach drei Jahren Erfahrung und roten Bilanzzahlen stiegen Weymars amerikanische Wertpapier-Geschäfte für deutsche Rechnung von 13 Millionen Mark (1963) auf 675 Millionen Mark (1966). Bei Gründung der neuen Broker-Bank am 11. Mai dieses Jahres zählte der Amerikaner 7500 deutsche Stammkunden mit Wertpapier-Depots zwischen 20 000 und über 100 Millionen Mark.
Weymar hofft auf weiteren Zulauf, da nach seiner Ansicht die deutschen Geldinstitute nicht genug für ihre Wertpapier-Kunden tun. Der Bundesverband des privaten Bankgewerbes in Köln hingegen verspricht: »Wir werden im Wettbewerb mithalten.«
In der Schalterhalle des Bache-Hauses in Frankfurt gibt es zwei Uhren. Wenn die eine den bundesdeutschen Feierabend anzeigt, ist es auf der anderen nach New Yorker Ortszeit erst Mittag. Die Angestellten in der Zentrale am Baseler Platz und den Direktionen in Hamburg und München arbeiten in zwei Schichten bis Mitternacht. Ihr Motto: »Der Kunde soll. jederzeit eine Entscheidung treffen können.«
Deutsche Banken nehmen kleinen Kunden für An- und Verkauf ausländischer Wertpapiere bis zu 0,8 Prozent Spesen ab, Weymar begnügt sich mit 0,4 Prozent. Für Umsätze inländischer Aktien berechnet er den deutschen Normalsatz von maximal 0,8 Prozent.
Bache-Klienten wird auch ein Service geboten, der bisher in Deutschland ausschließlich Sache von Börsen-Nachrichtendiensten war. Alle 14 Tage geben die Broker in einem »Bulletin« schriftliche Börsentips. In der ersten Ausgabe zum Beispiel empfahlen sie das VW-Papier als »die preiswerteste Automobil-Aktie der Welt« mit besserer Rendite als die von General Motors.
Die Anlage zeigt die Jeweiligen Kurse der New Yorker Börse.