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RHODESIEN Vernichtung statt Sieg

Fünf Armeen, darunter die des Bischofs Muzorewa, ziehen mordend und plündernd durch das Land.
aus DER SPIEGEL 15/1979

Vier tote Kinder lagen am Rande des Sportplatzes der Elim-Missions-Station. Zwei von ihnen waren nicht mehr zu identifizieren. Ihre Gesichter waren von Bajonettstichen entstellt. Ein vierjähriges Mädchen trug die Spuren einer versuchten Vergewaltigung.

Ein paar Schritte weiter lagen die zerhackten Leichen der Eltern. In einer toten Frau steckte noch die Axt, mit der sie erschlagen worden war. Fast alle Frauen waren mißbraucht worden.

Das Elim-Massaker geht auf das Konto der Patriotischen Front, deren Guerilleros der amerikanische Uno-Botschafter Andrew Young eben erst bescheinigt hatte: »Im Grunde tun sie nichts als von Dorf zu Dorf zu ziehen, politische Seminare abzuhalten und Lieder zu singen.«

Der Bauer Gilbert Mutasa aus Sambia war Zeuge, wie rhodesische Soldaten das Dorf Ndaba bei Lusaka überfielen. »Sie gingen auf eine Gruppe von Frauen zu und fragten, warum sie so viel Essen kochten«, berichtete er. »Als die Frauen keine klaren Antworten gaben, eröffneten die Soldaten das Feuer und erschossen alle.«

Kurz vorher hatte Rhodesien-Premier lan Smith die westliche Welt aufgerufen, »die letzten Verteidiger abendländischer Kultur und christlicher Zivilisation« in ihrem Kampf gegen die Barbarei der Patriotischen Front nicht allein zu lassen.

Im Rhodesien-Krieg wurde nie viel Pardon gegeben. Aber seit statt ursprünglich zwei jetzt fünf miteinander rivalisierende Parteien um die Macht im künftigen Simbabwe kämpfen, droht der Konflikt in eine allgemeine Schlächterei auszuufern. Der Kampf um die Macht in Rhodesien, schrieb die »Neue Zürcher Zeitung«, sei einer der grausamsten Kriege in der Geschichte Afrikas. Schon jetzt fordert der Krieg täglich rund hundert Tote.

Neben der in zwei Gruppen gespaltenen Patriotischen Front unter den Guerilla-Bossen Joshua Nkomo und Robert Mugabe und der regulären rhodesischen Armee morden und plündern jetzt auch die Privatarmeen der zwei Regierungs-Koalitionäre Ndabaningi Sithole und Bischof Abel Muzorewa. Leidtragende sind rund 250 000 weiße und sechs Millionen schwarze Rhodesier. Die Europäer setzen sich in Massen ab. Die Auswanderungsquote erreichte Anfang des Jahres den höchsten Stand seit zwölf Jahren. Die Flüge nach Johannesburg sind auf Wochen hinaus ausgebucht: von Weißen, denn die Schwarzen müssen bleiben.

Die Brutalisierung der Bürgerkriegsszene hat das sonst eher in der Stille wirkende »Internationale Komitee vom Roten Kreuz« (IKRK) zur Flucht in die Öffentlichkeit getrieben. In einem flehentlichen Appell mahnte das IKRK letzten Monat die kriegführenden Parteien Rhodesiens zur Mäßigung. Denn in Rhodesien, so haben IKRK-Beobachter registriert, wird nicht mehr nur um den Sieg gekämpft, sondern auch um die »Vernichtung« von Gegnern und deren Sympathisanten.

lan Smith und seine Regierung wird aufgerufen, keine politischen Häftlinge mehr hinzurichten und Rot-Kreuz-Vertretern Zutritt zu Gefängnissen und Internierungslagern zu gewähren. Die Patriotische Front soll aufhören, Zivilisten -- besonders Kinder -- aus Flüchtlingslagern zu entführen und zum Kriegsdienst zu pressen und Gefangene zu töten. Außerdem sollen zur Vermeidung ziviler Opfer Flüchtlinge und Freischärler nicht länger die Unterkünfte miteinander teilen.

Am schlimmsten geht es in den östlichen Landesteilen zu, wo die Grenzlinien der Einflußgebiete unentwirrbar ineinander verschlungen sind.

Die Taktik der verbrannten Erde hat riesige Landstriche längs der Grenze nach Mosambik in unfruchtbare Steppe verwandelt. Garfield Todd, Rhodesiens ehemaliger Premierminister, der vor einigen Wochen das Gebiet bei Umtali inspiziert hat, berichtete von

Dörfern, die Regierungstruppen als Strafe für angebliche Kollaboration der Dörfler niedergebrannt hatten. Mitglieder der vatikanischen Kommission »Justitia et Pax« meldeten an die Zentrale in Rom. Muzorewas und Sitholes Privatarmeen marschierten mordend und plündernd durch die von ihnen kontrollierten Gebiete.

Zwar haben die Führer der Patriotischen Front, Nkomo und Mugabe, stets behauptet, ihre Angriffe richteten sieh nur gegen militärische Objekte. Doch das hat die Freischärler nicht daran gehindert, neben Tausenden von unbeteiligten Zivilisten auch vier Dutzend Priester zu ermorden und zivile Flugzeuge abzuschießen. Beim Abschuß einer Vickers »Viscount« der »Air Rhodesia«, für den Nkomo die Verantwortung übernahm, wurden im September 38 Passagiere und Besatzungsmitglieder beim Aufprall der Maschine getötet, zehn Überlebende später von Guerrilleros mit Bajonetten erstochen. Im Februar dieses Jahres kamen beim zweiten Abschuß einer Verkehrsmaschine alle 59 Insassen um.

Die Guerilla-Kämpfer morden brutaler, die Regierungssoldaten effizienter. Bei Kommando-Unternehmen der rhodesischen Streitkräfte gegen Stützpunkte der Patriotischen Front in Sambia, Angola und Mosambik haben allein in den vergangenen sechs Monaten mehrere tausend Menschen den Tod gefunden.

Die Wahl zum ersten gemischtrassischen Parlament in der zweiten Aprilhälfte droht den Trend zur Gewalt noch zu verstärken. Mugabe und Nkomo haben den totalen Krieg gegen die »Verräter-Regierung« in Salisbury ausgerufen. Auch Muzorewa und Sithole wollen nicht mehr verhandeln. An der von Briten und Amerikanern befürworteten All-Parteien-Konferenz wollen sich -- unter Vorbehalt -- nur noch lan Smith und der relativ einflußlose Häuptling Jeremiah Chirau beteiligen.

Die Kampfmittel der nächsten Kriegsphase bekommt die Zivilbevölkerung schon jetzt zu spüren. Kämpfer der Patriotischen Front haben einen großen Teil der Desinfizierungsanlagen in den Viehzuchtgebieten zerstört. Folge: Mindestens eine halbe Million Rinder sind bislang an Seuchen eingegangen, die bis vor zwei Jahren in Rhodesien als ausgerottet galten. Die Hungersnot ist fest programmiert.

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