VERSIERTE PRÜFER
(Nr. 46/1970, Briefe)
Wegen des Leserbriefes der Professoren Bleichert und Reichel möchte auch ich zu der von Ihnen geschilderten Störung in der von mir vorgenommenen Prüfung im Fach Physiologie Stellung nehmen:
Zur Zeit des von mir und den Prüflingen als Störung empfundenen Besuchs der Prüfung waren die Professoren Reichel und Bleichert von der Gesundheitsbehörde Hamburg von ihren Prüfungspflichten entbunden. Sie hatten kein Recht, an der Prüfung teilzunehmen. Ich habe die Teilnahme jedoch zugelassen. Erst als ich aus dem störenden Verhalten den Schluß ziehen mußte, daß hier ein gezielter Einschüchterungsversuch unternommen werden sollte, brach ich im Interesse der Kandidaten die Prüfung ab. Alle vier Kandidaten haben in erneuter Prüfung von mir am 2. Oktober die Prüfung bestanden.
Die Prüfung fand auch nicht aus Geheimhaltungsgründen im chemischen Institut statt, sondern, weil ich Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie bin und im Institut arbeite. Im übrigen habe ich mich nicht zu den Prüfungen gedrängt, es war lediglich meine Absicht, der Notsituation der Examenskandidaten Abhilfe zu schaffen, die durch die Entpflichtung von Bleichert und Reichel entstanden war. Da ich die venia legendi für Physiologie habe, erklärte ich mich bereit, die Prüfung von rund 50 Kandidaten zusätzlich, auf Bitten der Gesundheitsbehörde, zu übernehmen.
Hamburg PROF. DR. WERNER THORN
Es erstaunt mich sehr, daß so »versierte« Prüfer wie die Herren Bleichert und Reichel von einer ordnungsgemäß abgelaufenen Prüfung sprechen, wenn a) außer ihnen auch noch ihre Assistenten und Doktoranden in größerer Zahl der Prüfung beiwohnten,
b) diese laut Prüfungsordnung keine Berechtigung für ihre Anwesenheit besaßen,
c) sie auch nach der erwähnten »Unruhe« am Anfang der Prüfung fortwährend untereinander jede Frage bzw. Antwort erörterten. Ich vermag nicht einzusehen, daß all dies obendrein noch »im Interesse der Prüflinge« geschehen ist.
Reinbek (Schl.-Holst.) HAGEN WILDE