Verständnis für Zweifel
Nr. 41/2001, CSU: SPIEGEL-Gespräch mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber über innere Sicherheit und eine Große Koalition
Herr Stoiber kann also niemandem erklären, warum die Bundeswehr zwar in Bosnien »gefährdete Objekte« sichert, ihr die Überwachung von Flughäfen in Deutschland aber durch das Grundgesetz verboten ist. Nach dem Lesen dieses Interviews sollte sich jeder fragen, ob ein Politiker, der nach eigenen Angaben nicht in der Lage ist, den Unterschied zwischen einem Bürgerkriegsgebiet und der Bundesrepublik zu erkennen und zu vermitteln, wirklich zum Kanzlerkandidaten taugt.
MANNHEIM KRISTIAN SCHREMB
Ist es so schwer zu verstehen, dass Deutschlands Ansehen in der Welt nicht von militärischer Stärke, sondern vielmehr vom Streben nach friedlichen Lösungen ohne allzu großes Einmischen rührt? Dass Deutschlands nicht einseitige, sondern ausgleichende Diplomatie nicht nur im Nahen Osten geschätzt wird? Die Verbündeten haben viel mehr Verständnis für unsere Zweifel an Militäraktionen, als wir glauben. Das ist auch genau, worauf ich als Deutscher stolz bin, noch jedenfalls. Und das werde ich verteidigen mit dem Einzigen, was mir in einer Demokratie bleibt, in der erzreaktionäre Stammtischpopulisten wie Stoiber und Schill regieren: das Kreuzchen an anderer Stelle machen.
HAMBURG PHILIP MEIER
Herr Stoiber will Flughäfen von der Bundeswehr bewachen lassen und fordert die Regelanfrage beim Verfassungsschutz in allen Ausländer- und Asylverfahren, um unser Land künftig vor Terror zu schützen. Dies ist in Anbetracht der derzeitigen politischen Lage verständlich. Notwendig ist aber auch, den Blick über die nationalen Grenzen hinaus zu richten. Nicht Abschottung (gegenüber der arabischen oder Dritten Welt), sondern eine (sozial) engagierte und verantwortungsvolle Außenpolitik sind gefragt. Diplomatie, Förderung von Demokratie und die Bereitschaft, Recht (und Menschenrechte) auch in Afghanistan, Ruanda oder Ost-Timor durchzusetzen. Und nicht nur, wenn es um die Wahrung wirtschaftlicher Interessen geht.
STUTTGART RALF ROSSNAGEL