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»VIEL LÄRM UM EIN ZEITUNGSHAUS«

aus DER SPIEGEL 45/1967

Selten spricht Axel Springer außer Haus, aber wenn er es tut, dann muß Polizei her, als käme der Schah. Donnerstag abend äußerte sich der große Verleger vor etwa 900 Angehörigen des Hamburger Übersee-Clubs zu seinen Problemen ("Viel Lärm um ein Zeitungshaus"), und fünf Mannschaftszüge Bereitschaftspolizei rückten an, ihn und das Hotel Atlantic gegen vierzig Demonstranten des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) zu verteidigen. Doch mußten nicht alle absitzen.

Die vierzig Studenten schrien vor dem Hauptportal unentwegt, man solle Springer enteignen, pusteten Seifenblasen durch die Lücken der Polizeikette und präsentierten den vorfahrenden Pfeffersäcken der Hansestadt Transparente mit gereimten und ungereimten Anwürfen: »Springers Schreiberhorden halfen Benno morden« -- »Noch nie war in irgendeinem Land zu irgendeiner Zeit sowenig Weisheit und soviel Macht in einer Hand« -- »Uwe kämpft: welch' Ballbezwinger ... Uwe meint: enteignet Springer!«

Der erfolgreichste Verleger der deutschen Geschichte benutzte eine Nebentür und erreichte sein Auditorium mit akademischer Verspätung, grüblerisch und sehr langsam heranschreitend, als schleppe er Sorgen hinter sich her oder einen unsichtbaren Hermelin. Doch auf dem Podium zeigte er sich schnell von seiner heitersten Seite, ein Mann, der sich aufs Anekdotische versteht und auf die hanseatische Kaufmanns-Psychologie, in der Fleiß und fleißgeborener Erfolg, die lapidare Aussagekraft von Besitz und Bilanzen einen gewissen Vorrang behaupten.

Springer sprach lange über die imponierenden geschäftlichen Wagnisse und Erfolge seines Aufstieges aus dem Mittelstand und lobte den ganz außerordentlichen Arbeitsgeist, welcher in seiner Firma und sogar schon in seinem Elternhaus immer üblich gewesen sei. Papa bereits habe manchmal die Mutter morgens um drei geweckt und ihr zugerufen: »Ottilie, mach dich mal munter, ich habe mit dir ein Steuerproblem zu besprechen.«

Daß die radikalen Jünger des Dr. Marcuse ihm die Früchte von Fleiß und Fortune streitig machen wollen, macht ihn gewiß nicht ernstlich bange, wenn er es auch gelegentlich ein wenig dramatisiert. Beim Golf-Spiel auf Sylt, so scherzte er jedenfalls mit seinem golfgläubigen Publikum, habe einer seiner jungen Chefredakteure ihm bereits die Segnungen der von den Studenten geforderten Enteignung ausgemalt. Beide, habe der Mitarbeiter gemeint, könnten sie dann: »auf den Golfplätzen dieser Welt ... unser Handikap energisch heruntersetzen«.

Glatt und flach wie geschickt geworfene Kiesel hüpfen Springers Scherze und Argumente über die eigentlichen Untiefen des Themas. Nur vier Prozent der deutschen Blätter seien in seiner Hand, rechnet er den Gegnern seines Meinungs-Monopols vor. Und wenn diese vier Prozent den Löwenanteil der Auflage haben, so sei das eben Ergebnis einer »Art demokratischer Abstimmung in Deutschland«, die täglich »am Kiosk und an der Haustür« stattfinde.

Wieder einmal hört man von ihm. daß es »die zentrale Führungsstelle nicht gibt«, daß seine Redakteure so frei sind, »in den verschiedensten Schattierungen die breite, konservative Mitte« darzustellen. Daß sein Haus ein staatsloyales Haus und außerdem für Deutschlands Einheit sei. Er hebt es hervor, als könne man gleiches nicht auch von der Mehrheit seiner Kritiker behaupten, die weniger konservative Wege in der deutschen Politik nun für angemessen halten.

Wo Springer ist, meint Springer. da ist der Staat: »Die staatsloyale« gefährlichen Experimenten abholde politische Haltung der Zeitungen meines Hauses muß nun allerdings ganz zwangsläufig dasjenige Lager auf die Barrikaden bringen, dessen Geschrei von Monat zu Monat lauter tönt.«

Es ist ihm zweifellos nicht anzumerken, ob er über irgendeinen der dezidiert gegen ihn erhobenen Vorwürfe selbstkritisch nachgedacht hat. Auf 35 Manuskript-Seiten findet sich nicht ein Wort über die unselige Rolle, die seine Berliner Blätter in Berliner Krisentagen gespielt haben, nichts über die erwiesenen Manipulationen seiner Fernseh-Lobby. Axel Springers Kommentar zu dem Kapitel Fernsehen, das mit seinem Namen nun verbunden ist: »Fast alles, was darüber geschrieben wurde« ist falsch, sollte der Stimmungsmache dienen.«

Bei seinen Gegnern findet er kein ehrenwertes Argument. Selbst das Wort Neid, das im Munde erfolgreicher Deutscher stets bereit liegt, hält er für angemessen, wenn er nach den Motiven sucht. Schon wieder sieht er »Zusammenhänge, Hintermänner und Finanzierung«, in jener alten unvergeßlichen Richtung, aus der das Böse für ihn seit einem Jahrzehnt immer kommen muß. »Ich stelle fest: Die Parole von der Enteignung stammt von drüben.« So Springer 1967. Und: »Ganz plötzlich ist diese große, große Hetzkampagne da! ... da muß ja wohl jemand dran gedreht haben ...

Wer glaubt, daß die Vietnam-Proteste hier und in der ganzen Welt »spontane Ereignisse« sind, dem sei, vermutet Springer, »nicht zu helfen«. Deutschlands größter Zeitungsmann spricht fast wie seine größte Zeitung.

Schon weiß jeder Berliner Wachtmeister aus amtlichen Belehrungen, daß die überwiegende Mehrheit dieser Demonstranten von 1967 autonome Burschen, zu außerordentlichen Opfern bereit und ihrem Gewissen erfreulich gehorsam sind. Den doch erst 55jährigen Zeitungskönig der Bundesrepublik aber lassen seine Ratgeber noch immer Ausschau halten nach »Rädelsführern«, nach »Rattenfängern« und »Drahtziehern"« die sich »ins Fäustchen lachen«.

Als plötzlich ein Geschöpf im gelben Minikleid von hinten in den opulenten Clubsaal trat, das Durchschnittsalter »des Auditoriums kräftig drückte und mit Rotkäppchen-Stimme »enteignet Springer!« piepste, da brachte der Verleger es nicht über sich, nach Art von mächtigen Herren gütig oder galant zu sein. »Ach«, sagte er barsch, »das kennen wir ja schon!« Die Studentin war frisch frisiert und derart aufgeregt, daß sie ihre nebelhafte, hektographierte Anti-Springer-Fabel ("Springt, Mäuse, rein holt Springer raus") kaum auszustreuen wagte. Ein untersetzter Eiferer erhob sich, packte die Verängstigte von hinten und schleppte sie wie eine Puppe hinaus. Ein Teil der Gäste spendete ihm Beifall.

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