Vogelschützer und Spaßvögel
Als Abgeordneter würde er dafür Apo-Zeiten, drängt es in die bürgerliche Politik -- mit Hilfe der Umweitschützer. Auf dem Parteitag der hessischen Grünen am vorletzten Wochenende wurde der »rote Dany«, als radikaler Studentenführer nach den Pariser Mai-Unruhen vor zehn Jahren aus Frankreich ausgewiesen, von der »Grünen Liste Hessen« (GLH) auf Platz sieben für die Hessenwahl am 8. Oktober gesetzt. »Daß ich da drauf bin«, darüber war sich der Kandidat im klaren, »hat natürlich eine Sprengkraft.«
Es hat schon gezündet. Die Wahl des einstigen Apo-Aktivisten droht die maßvolle »Grüne Liste Umweltschutz« (GLU) und die eher radikale »Grüne Liste Wählerinitiative« (GLW), die sich in Alsfeld gerade zum Wahlbündnis GLH zusammengerauft hatten, wieder zu spalten.
Die GLU, bei der Nominierung Cohn-Bendits vom Partner GLW überstimmt, forderte letzte Woche ultimativ eine neue Liste ohne Cohn-Bendit, der doch »den Landtag eher für Politclownerie« benutzen wolle. Und Förster Gerhard Lehnhausen, stellvertretender Vorsitzender der GLU, wechselte aus Protest gleich zur »Grünen Aktion Zukunft« des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl. Lehnhausen über Cohn-Bendits Auftritt: »Das ist eine Verhohnepipelung der parlamentarischen Demokratie.«
Der Krach um Kandidat Cohn-Bendit ist bezeichnend für die politische Umweltbewegung in Hessen. Zu den Vogelschützern haben sich mittlerweile auch Spaßvögel gesellt. Die Gruppen sind zersplittert und zerstritten wie nie zuvor. Und bei der Wiesbadener sozialliberalen Koalition schwindet die Furcht vor den grünen Männern. Als-
* 2.v.l.: GLH-Spitzenkandidat Schubart; I.: OLW-Delegierter Rolf Stein.
feld, so ein Landtagsabgeordneter, war das,. Ende aller Blütenträume der Grünen in Hessen«.
Dabei schien Cohn-Bendit in der Alsfelder Stadthalle zunächst eifrig bemüht, die auseinanderlaufenden Interessen von Frauengruppen und Naturfreunden, Homosexuellen und Förstern unter einen Hut zu bringen. Der GLH-Spitzenkandidat Alexander Schubart, Frankfurter Magistratsdirektor und kurz zuvor aus der SPD ausgetreten, hatte den Eindruck: »Der Dany hat eine ungeheuer konstruktive Rolle gespielt.«
Doch als Cohn-Bendit selbst zur Kandidatur gedrängt wurde, ging es mit dem Ernst der Sache schnell zu Ende. Dany forderte, den Verfassungsschutz abzuschaffen und alle Gefängnistore zu öffnen. Als Minister, ließ der Witzbold wissen, wolle er nur eine halbe Stunde am Tag arbeiten.
Da wurde es der GLU zu bunt. Förster Lehnhausen verließ empört den Saal: »Diese Schau spottet jeder Beschreibung«, entrüstete sich der Umweltschützer, »das ist nicht mehr zum Anhören.«
Der Jux, den sich Cohn-Bendit mit den Grünen in Alsfeld machte, war lange geplant. Schon Wochen vor dem Parteitag hatten etwa 50 Frankfurter Spontis ihre Strategie für die Landtagswahl entwickelt, im Lokal »Batschkapp« oder am »Stammtisch zur Grünen Liste« im »Webereck«.
Die undogmatischen Linken, in der »Bürgerinitiative Chaos und Sumpf« versammelt, forderten etwa »mindestens fünf Ministerposten zur Durchsetzung unserer destruktiven Triebe«. In dem Sponti-Organ »Pflasterstrand« (verantwortlich: Daniel Cohn-Bendit) faßten die GLW-Mitglieder ihre Vorstellungen vom Parlamentarismus zusammen.
Das »parlamentarische Abenteuer« sei eine »Aktion der Apo, um die Institutionen zu chaotisieren«. Die »totale Einstimmigkeit« bei Landtagsbeschlüssen werde durchgesetzt, so das Programm, »indem wir unsere Wortmeldungen in etwa der Zeitdauer der Reden von Fidel Castro in der Uno (ca. sechs Stunden) angleichen«.
Den Wahlkampf wollen die Spontis etwa auf Kinderfesten und mit Straßenblockaden betreiben, aber auch durch Hausbesetzungen nach dem Motto: »Nehmen wir uns die Stadt -- eine Mischung aus Provopoli und Monopoly.«
Daß sie es zumindest mit den Aktionen ernst meinen, zeigten die chaotischen Grünen am Dienstag letzter Woche. Aus Protest gegen die befürchtete Räumung eines besetzten Hauses im Frankfurter Westend hockten sieh rund 200 Demonstranten, unter ihnen Cohn-Bendit, auf die Bockenheimer Landstraße und blockierten den Feierabendverkehr. Mit Wasserwerfern und Tränengas sprengte die Polizei den Sitzstreik.
Daß Clownerie und Chaotentum maßvolle Umweltschützer und radikale Ökologen nur schwerlich zusammenhalten können, hat Cohn-Bendit einkalkuliert. »Okay«, sagt der Dauerrebell ungebrochen, »dann war halt der historische Moment noch nicht gekommen.«