PARTEISPENDEN Volle Aufklärung
An einem Dienstag im September begab sich der Notarvertreter Friedrich Joachim Rohde in den gutbürgerlichen Stadtteil Berlin-Nikolassee, wo sich in der Villa Kirchweg 25 einige strebsame Herren Anfang 30 zur Etablierung eines Vereins versammelt hatten.
Zum Namenspatron erwählten die acht Initiatoren den 1955 verstorbenen CDU-Mitbegründer und Bundesminister Robert Tillmanns, als Vereinszweck »Veranstaltungen aller Art ... die geeignet sind, den Kontakt zwischen jungen Deutschen aus der Bundesrepublik Deutschland, der Sowjetzone und Berlin herzustellen und zu pflegen«. Des Geldes und der politischen Moral wegen sollten alle Aktivitäten auf »gemeinnütziger Grundlage« und in »christlich-sozialer Verantwortung« geschehen; auf beides legten die Gründer wert, denn sie gehörten allesamt zur christdemokratischen Nachwuchsorganisation Junge Union (JU).
Der »Verein Robert-Tillmanns-Haus e.V.« erwarb alsbald unter seinem Gründungsvorsitzenden Gerhard Stoltenberg, damals JU-Bundesvorsitzender und heute Bundesfinanzminister, für 90 000 Mark ein geeignetes Gebäude. Ein Jahr später, 1959, begann die subventionierte Bildungsarbeit, vornehmlich für Gruppen der Jungen Union. Im Herbst dieses Jahres hatte deshalb das 25jährige Jubiläum gefeiert werden sollen, doch bis dahin könnte dem Verein leicht jeglicher Anlaß zum Jubeln vergangen sein.
Denn am 13. Juni erschienen fünf Beamte der Berliner Staatsanwaltschaft unangemeldet bei der Vereins-Doppeladresse An der Rehwiese 29 und 30 zur Hausdurchsuchung. Die Fahnder interessierten sich kaum für Seminar- und Tagungsabrechnungen, dafür um so mehr für sonstige Einnahmen und Ausgaben des Vereins. Und das nicht ohne Grund: Bereits in der Schmiergeld- und Spendenregistratur des Flick-Konzerns war der zum gemeinen Nutzen gegründete Berliner Verein unter der Zuwendungsnummer 721 aufgefallen.
Aber auch von anderen für den steuersparenden Geldtransfer zwischen Wirtschaft und C-Parteien bekannten Adressen wurde das Tillmanns-Haus mit stattlichen Zuwendungen bedient: Vom Düsseldorfer Verein zur Förderung der sozialen Marktwirtschaft beispielsweise und auch von der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e.V. Köln/Koblenz - beides Briefkasten-Institute, gegen die Verfahren wegen des Verdachts von Spendenmanipulationen laufen.
Nachdem der Berliner Oberstaatsanwalt Günter Bürks, 47, Anfang Mai die Ermittlungen gegen den Verein Robert-Tillmanns-Haus von seinen Bonner Kollegen übernommen hatte, kannte er bald wenigstens fünf nachprüfungsbedürftige Einzelbeträge aus den Jahren 1980 bis 1982 sowohl der Höhe als auch den Absendern nach: Gleich zweimal dabei war die Friedrich Flick KG mit je 11 000 Mark, ebensooft der Düsseldorfer Förderverein mit 100 000 und 50 000 Mark und einmal die Staatsbürgerliche Vereinigung mit ebenfalls 100 000 Mark im Jahr 1981.
Einige solcher »Geldspenden«, kommentierte noch vor Monatsfrist der Berliner Justizsenator Hermann Oxfort (FDP) vage die Verdachtsmomente, seien »einem gemeinnützigen Verein mit der Maßgabe zugeführt worden, sie an eine bestimmte Partei weiterzuleiten«.
Inzwischen erlauben die Ermittlungsergebnisse längst präzisere Auskünfte: Beim Tillmanns-Haus steht dessen langjähriger Geschäftsführer Fritz Klöckling im Verdacht, von den empfangenen Spendengeldern etliche hunderttausend Mark am Finanzamt vorbei an Unionsgliederungen weitergereicht zu haben: Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Die CDU-Landesverbände Rheinland und Westfalen-Lippe gerieten dabei den Berliner Staatsanwälten ebenso ins Visier wie Filialen der Schüler-Union und die Bonner JU-Zentrale. Dort hielten die Fahnder am Montag letzter Woche in Briefwechseln und Buchhaltung Nachschau. CDU-MdB Matthias Wissmann, bis Ende vergangenen Jahres JU-Bundesvorsitzender, räumt zwar »Wechselbeziehungen zwischen Parteigliederungen und diesem Verein« ein, aber keine persönliche Verstrickung: »Von mir gibt es mit Sicherheit keine Korrespondenz in solchen Angelegenheiten.«
Wie lange Geldschleusungen über die abgelegene Berliner Bildungsstätte schon funktionieren mögen, welchen Umfang sie insgesamt hatten und wer dafür seinen politischen Segen gegeben hat - das liegt einstweilen noch im dunkeln. Auffällig ist immerhin, daß in dem bis zur Unauffälligkeit bescheidenen Verein bis in die siebziger Jahre viele beieinander waren, die in der und über die Junge Union Karriere gemacht haben.
Bert Even, Nachfolger Stoltenbergs als JU-Chef und heute Präsident des Kölner Bundesverwaltungsamtes, gehörte schon zu den Vereinsvätern. CDU-Generalsekretär Heinrich Geißler, Anfang der sechziger Jahre JU-Vorsitzender in Baden-Württemberg, gelangte beinahe parallel dazu in den Vereinsvorstand.
Auch der einstige JU-Bundesvorsitzende (1963 bis 1969) und heutige Euro-Parlamentarier Egon Klepsch versah sein Bonner Amt zumindest zeitweilig in Personalunion mit Vorstandsaufgaben an der Berliner Rehwiese. Klepsch-Nachfolger Jürgen Echternach setzte die Tradition fort.
Unionspolitiker, die als Vorstandsmitglieder des Vereins Robert-Tillmanns-Haus Verantwortung trugen, weil laut Satzung »der Geschäftsführer ... an die Weisungen des Vorstands gebunden« ist, weisen jede Schuld von sich: Weil ihnen Ungesetzliches niemals aufgefallen sei, müsse sich entweder die Justiz täuschen, oder aber sie seien getäuscht worden.
Berlins Finanzsenator Gerhard Kunz, bis Juli 1982 einer der stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, beteuert, wenn »jemals rechtlich zweifelhafte Dinge vorgekommen wären«, hätte er sie »sofort abgestellt«. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Klaisch, Vorstandsmitglied von 1966 bis zum April dieses Jahres, »weiß zwar von den Vorwürfen, aber die Vorgänge sind mir unbekannt«. Und der Vereinsveteran und Professor für politische Soziologie Wilhelm-Dietrich Herzog, jahrelang zur Kassenprüfung herangezogen, kann gleich »gar nichts sagen«.
Auch der Erste Vorsitzende Franz Heinrich Krey, MdB und Landesschatzmeister der CDU Rheinland, kann sich »gar nicht vorstellen, daß da Mittel an Gliederungen unserer Jugendorganisationen weitergeflossen sind«. Sollte aber doch »etwas Unrechtes vorgekommen sein«, so Krey streng, wolle er »als erster auf voller Aufklärung bestehen«.
Krey, der noch unlängst im Bundestag lamentierte, Spender und Empfänger würden zu Unrecht »verdächtigt oder gar kriminalisiert«, finge mit der Aufklärung am besten bei sich selber an. Etwa bei den zahlreichen Verrechnungsschecks, die er für seine Partei bei der
Staatsbürgerlichen Vereinigung waschen ließ und für die er den Wohltätern aus der Wirtschaft steuerabzugsfähige Spendenquittungen verschaffte.
Zu tun hatte Krey auch mit dem Kölner Seminar für Sozial- und Staatspolitische Bildungsarbeit der Christlichen Arbeiterschaft in Nordrhein-Westfalen, über das die CDU Millionenbeträge auf ihre Konten schaufelte. Krey ließ sich von dem Seminar die Auslagen für eine Parteiversammlung ebenso ungeniert begleichen wie etwa eine Rechnung der Aral-Tankstelle Schmidt in Bergisch-Gladbach über »DM 600,30 (Kraftstoffe, Öle und Fette, Wagenpflege und Zubehör)«.
Auch Tätigkeitsberichte des Vereins Robert-Tillmanns-Haus loben gelegentlich die Akquisitionstätigkeit des Vorsitzenden Krey. Der sei, notierte Geschäftsführer Klöckling, »in der Beschaffung von Geldern aus Kreisen der Wirtschaft ... besonders erfolgreich« gewesen.
Aber auch Gelder des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen flossen seit der Bonner Wende reichlicher denn je. In diesem Jahr darf der Verein bereits eine halbe Million Mark an öffentlichen Zuschüssen verpulvern - fast dreißigmal mehr als 1982.