KIRCHEN Von der Stange
Wie Wanderpokale unter Sportvereinen werden in der Bundesrepublik komplette Kirchen unter Glaubensbrüdern weitergereicht: An arme Gemeinden leiht die Evangelische Kirche im Rheinland vorfabrizierte und transportable Bethäuser aus, die Holzkirchen werden wieder demontiert, wenn die Gemeinden sich eigene, gemauerte Kirchen leisten können.
Bereits Ende letzten Jahres waren alle offerierten Fertigkirchen vorläufig ausgeliehen oder vermietet; die letzte von 20 wurde kurz vor Weihnachten in Wuppertal-Elberfeld eingeweiht. Aber noch stehen zwölf junge Gemeinden ohne Gotteshäuser auf der Warteliste.
Interessenten haben derzeit die Wahl zwischen zwei elektrisch beheizten, je rund hundert Quadratmeter großen Typen (Fassungsvermögen etwa 150 Gläubige):
- einer Kirche in Dreiecksform mit
Spitzgiebel im Wert von 80 000 Mark (Architekt: Helmut Duncker, Düsseldorf) und
- einer Kirche mit Flachdach im Wert
von 70 000 Mark (Architekt Otto Leitner, Unterpfaffenhofen bei München).
Diese beiden Prototypen gingen aus einem Wettbewerb hervor, an dem sich 49 Architekten beteiligten. Vier Entwürfe wurden ausgewählt und gebaut. Aber nur die Duncker- und die Leitner -Kirche bestanden die erste Bewährungsprobe und wurden in Serie fabriziert.
Die Glaubensgebäude von der Stange, die auf den Baustellen binnen zwei Wochen hochgezogen werden können, sind
billiger als Reihenhäuser gleich großer Nutzfläche; festgemauerte Gotteshäuser vergleichbarer Größe kosten derzeit 300 000 Mark und mehr.
Die Rheinische Landeskirche hatte die preiswerten Bethäuser für junge Gemeinden in Stadtrandsiedlungen und Neubau-Gebieten entwickeln lassen und bot sie ihnen ursprünglich zum Kauf an. Aber erst als sich das Düsseldorfer Landeskirchenamt 1963 entschloß, die vorfabrizierten Andachtshäuser aus eigenen Mitteln zu finanzieren und sie zu vermieten, meldeten sich Interessenten. Unter den ersten Kunden war auch die Bundeswehr: In Brauheck wurde für evangelische Soldaten des benachbarten Nato-Flugplatzes Cochem ein spitzgiebeliger Katalog-Dom montiert.
Das wachsende Interesse bewog die Rheinländer, jetzt eine zweite Kirchenserie auf Band zu legen. Gerade die knapp bemessenen Platzverhältnisse fanden Liebhaber. So lobte der Düsseldorfer Oberkirchenrat Helmut Rößler die Fließbandkirchen: »Hier ist das Intime mit dem festlich Gehobenen verquickt. Ich halte dort sehr gern Gottesdienst.«
Die bisher aufgewendeten 1,6 Millionen Mark sollen um 1,4 Millionen Mark aufgestockt werden, zumal sich inzwischen auch Interessenten aus Hessen und der Pfalz sowie aus west- und osteuropäischen Ländern gemeldet haben.
Die Düsseldorfer Landeskirche hat sich jedoch fest vorgenommen, ihre Andachtshäuser nur auf Zeit wegzugeben - für monatlich 50 bis 500 Mark, je nach Finanzlage der Kirchengemeinde; in Ausnahmefällen verzichtet die Landeskirche auf den Mietzins. Gemeinden, die ausreichend Kapital angesammelt haben, müssen laut Vertrag alsbald konventionell bauen; ihre Fertigkirche wird dann abgerissen und für bedürftigere Glaubensgenossen anderwärts neu errichtet.
Ein Hauch von Provisorium, den die beiden Architekten ihren Prototypen verliehen haben, soll den Ortswechsel der Wanderkirchen gewährleisten. So wurde einer der ursprünglich vier Prototypen nur deshalb nicht angeboten, weil er den Düsseldorfer Kirchenbauern »zu reizvoll« erschien. Argwöhnt Ra: Rößler: »Diese Kirche hätten die Gemeinden nicht wieder hergegeben.«
Duncker-Fertigkirche in Langenberg: Für junge Gemeinden ...
... Gotteshauser aus dem Katalog: Leitner-Fertigkirche in Duisburg-Hamborn