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KONZERNE / BP/SOHIO Vor der Flinte

aus DER SPIEGEL 43/1969

Arthur Eric C. Drake, Chef des englischen Ölkonzerns British Petroleum (BP), weihte noch nicht einmal seine engsten Mitarbeiter ein. Unter strengster Geheimhaltung, die »selbst das Herz eines James Bond erfreut hätte« (so die »New York Times"), handelte er im Frühjahr dem Clevelander Ölindustriellen Charles E. Spahr die Standard Oh Company of Ohio (Sohio) ab. Jetzt erklärte das US-Justizministerium das Geschäft für illegal.

Richard McLaren, oberster Monopol-Ankläger der USA, konstatierte, die verabredete Fusion der beiden Ölgesellschaften verstoße gegen die amerikanischen Antitrust-Gesetze. Falls die Briten sich von Sohio nicht freiwillig trennten, werde er gerichtlich gegen die Fusion vorgehen.

Damit stoppte Washington fürs erste die Expansion der britischen Firma die wie kein anderes Unternehmen in den vergangenen Monaten den amerikanischen Ölmarkt in Bewegung gebracht hatte. Die Regierung in London, mit 48,9 Prozent größter Aktionär bei BP, bezeichnete die Entscheidung des US-Justizministeriums als »ernste Angelegenheit«. Außenminister Michael Stewart forderte seinen amerikanischen Kollegen William Rogers auf, die Angelegenheit noch einmal zu überdenken.

»Es ist wohl nur recht und billig«, brachte die »Daily Mail« auch den Zorn des Volkes gegen den amerikanischen Anschlag auf die nationale Ölgesellschaft zum Ausdruck, »zu verlangen, daß britische Firmen in Amerika genauso behandelt werden wie amerikanische Konzerne in unserem Land.«

Dabei verdanken die BP-Manager ihre bisherige Position in Amerika einer Entscheidung derselben Antitrust-Abteilung des US-Justizministeriums, die den britischen Konzern jetzt behindert. Als letzten November die beiden amerikanischen Ölgesellschaften Atlantic Richfield und Sinclair fusionieren wollten, erhoben die Trust-Jäger von Washington Einspruch.

Sinclair und Atlantic, so das Justizministerium damals, dürften ihren Plan nur verwirklichen, wenn sie sich zuvor von rund 10 000 Tankstellen und zwei Raffinerien trennten. BP-Boß Drake, der bereits seit Jahren auf eine Gelegenheit gewartet hatte, auf dem größten und bestgeschützten Benzinmarkt der Welt Fuß zu fassen, half den US-Konkurrenten aus ihren Antitrust-Nöten und erwarb die Anlagen für insgesamt 1,6 Milliarden Mark.

»Er griff zu«, kommentierte damals die »New York Times«, »so kühn und schnell wie einer jener legendären Kolonialherren des britischen Empire.«

Kurz darauf fiel dem Briten Drake ein weiteres Kolonialreich zu. Seine Techniker, die in Alaska seit 1959 eine Bohrung nach der anderen niedergebracht hatten, wurden im Frühjahr dieses Jahres fündig und entdeckten eines der größten Ölfelder der Welt für BP. Nach Berechnungen amerikanischer Sachverständiger verfügt der Londoner Konzern damit allein in Alaska über Ölvorkommen von 700 Millionen Tonnen -- bei heutigen Preisen gut für 14,4 Milliarden Mark Gewinn.

Um diesen Schatz zu heben, fehlten freilich der Londoner Gesellschaft Dollar im Wert von sechs Milliarden Mark. So traf es sich gut, daß BP-Boß Drake Kontakt zu seinem Konkurrenten Charles E. Spahr von der Sohio aufnahm. Der Standard Oil of Ohio, Urzelle des ehemals gigantischen Rockefeller-Konzerns, fehlte, was BP im Überfluß besaß -- eigene Ölquellen. Dafür besaß Sohio, woran es dem Briten mangelte: ausreichende Finanzreserven und ein gut ausgebautes Tankstellennetz im mittleren Westen.

In einem ausgetüftelten Vertragswerk kamen BP und Sohio überein, jeden von den Vorteilen des anderen profitieren zu lassen. Sohio sollte die britischen Ölfelder in Alaska ausbeuten. Als Gegenleistung sollte BP 54 Prozent des Sohio-Kapitals erhalten.

Die Gefahr, daß sie am Ende vor die Flinte der Washingtoner Trust-Jäger geraten könnten, erachteten die Verhandlungspartner für gering. Denn zusammen erreichen die beiden Gesellschaften nur einen US-Marktanteil von 3,5 Prozent.

Doch BP-Drake und Sohio-Spahr hatten den verschärften Antitrust-Kurs der Nixon-Administration unterschätzt. In seiner Klageandrohung unterstrich Antitrust-Chef McLaren, daß der neue Konzern BP-Sohio -- käme er zustande -- im westlichen Pennsylvania den Benzinmarkt immerhin zu rund 30 Prozent beherrschen würde. Dies aber würde eindeutig gegen den Sherman-Act von 1890 verstoßen.

Britische Regierung und BP-Geschäftsleitung indes argwöhnen, daß die juristischen Argumente nur vorgeschoben sind. In Wahrheit gehe es den Amerikanern lediglich darum, mißliebige Auslands-Konkurrenz vom eigenen Markt fernzuhalten. Als beispielsweise im vergangenen Jahr die beiden US-Ölgesellschaften Sun Oil und Sunray mit Billigung der Antitrustabteilung fusionierten, erreichte der neue Konzern eine Jahreskapazität von 24,5 Millionen Tonnen -- zweieinhalb Millionen Tonnen mehr als BP und Sohio in Amerika zusammen.

Antitrust-Chef McLaren: »Wir behandeln BP nicht besser und nicht schlechter als jede amerikanische Gesellschaft unter gleichen Umständen.«

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