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WAGEN UND WERK

aus DER SPIEGEL 43/1966

Mit lautem Knall zerbarst an einem Wintertag des Jahres 1892 in einer veronesischen Werkstatt eine Maschine. Der Kavallerieleutnant Giovanni Agnelli hatte sie aus einem ausgeleierten Daimler-Motor und einem betagten Dynamo gebastelt.

Ungerührt von derartigen Erfahrungen mit dem Verbrennungsmotor gründete Agnelli sieben Jahre später in Turin mit Turiner Aristokraten und Geldleuten eine Firma »zur Fertigung des neuartigen Motorwagens«. Sie nannten sie »Fabbrica Italiana Automobili Torino«, Abkürzung: Fiat.

Aus der Gründung von 1899 sproß Italiens mächtigstes Industrie-Unternehmen. Die Fiat-Werke, deren Aktien zum größten Teil im Besitz der Agnelli-Erben sind, bauten bisher weit über 22 Millionen Automobile. 1965 überschritten die 126 000 Fiat-Werker erstmals eine Jahresproduktion von einer Million Automobilen. Hinter General Motors, Ford, Chrysler und dem Volkswagenwerk steht Fiat (Jahresumsatz: 6,1 Milliarden Mark) unter den Automobilproduzenten der Welt an fünfter Stelle.

Noch im ersten Fiat-Jahrzehnt weitete Gründer Agnelli die Zielsetzung seines Unternehmens auf die Produktion von Flugzeugen und anderen Motorfahrzeugen« aus. Heute baut Fiat neben Kraftwagen und Flugzeugen auch Baumaschinen, Turbinen, Schiffsdieselmotoren, Lokomotiven, Waggons und Kühlschränke, unterhält eigene Schiffahrtslinien, Erdölgesellschaften, Baufirmen, Hüttenwerke, Gießereien und Walzwerke. Selbst für Fachkenner ist das unter Leitung des früheren Mathematik -Professors Vittorio Valletta, 82, und des Gründer-Enkels Giovanni Agnelli, 45, stehende Fiat-Imperium kaum noch überschaubar.

Grundstein des Fiat-Erfolges nach dem Zweiten Weltkrieg waren preisgünstige, wirtschaftliche Kleinwagen. 1957 präsentierte Fiat auf dem von Klein- und Kleinstwagen nachgerade überfüllten Markt als Nachfolger des berühmten Typs Topolino den Fiat 500. Im Gegensatz zu fast allen, heute längst verschwundenen. Konkurrenten erwies sich Fiats Kleinster als vollwertiges Automobil, von dem die Turiner bisher 1,1 Millionen Exemplare bauten. Nur Fiats Zweitkleinster, der Bestseller-Typ 600, erreichte eine höhere Auflage (2,2 Millionen).

Auch rund 130 000 deutsche Käufer fanden Gefallen an dem wendigen Winzling Fiat 500, der zunächst 13 PS stark war und 1958 auf 15 PS gekräftigt wurde. Im vergangenen Jahr erhöhten die Fiat-Ingenieure die Motorleistung ihres praktischen Nahverkehrsmittels nochmals (auf 18 PS) und paßten seine Karosserie moderneren Erfordernissen an: Sie vergrößerten die Windschutzscheibe, installierten ein Klappdach und verlegten die Türscharniere des nunmehr Typ Fiat 500 F genannten Wagens noch vorn.

Überzeugtester Anhänger des Fiat 500 ist der greise Fiat-Professor Valletta, der in konzerneigenen Altersheimen regelmäßig die Klo-Spülungen inspiziert: Er fährt täglich mit ihm zur Arbeit.

Technische Daten des Fiat 500 F: Zweizylinder-Viertaktmotor im Heck; Luftkühlung; Hubraum: 499 Kubikzentimeter; Leistung: 18 PS bei 4600 Umdrehungen pro Minute; unsynchronisiertes Viergang-Getriebe mit Mittelschaltung, Länge: 2,97 Meter, Breite: 1,32 Meter, Höhe: 1,35 Meter; Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h; Beschleunigung von Null auf 80 km/h: 25 Sekunden; Kraftstoffverbrauch: 6,5 Liter Normalbenzin auf 100 Kilometer.

Preise: zweittrine Limousine mit serienmäßigem Klappverdeck 3390 Mark; Jahressteuer 72 Mark; Haftpflichtversicherung 170 Mark.

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