WAHRSCHEINLICHKEITSRECHNUNG
Ihr Artikel »Sein oder Nichtsein«, in dem Sie so eingehend und interessant über die Möglichkeiten zur Feststellung der Vaterschaft berichten, wird besonders bei den nach eigener Auffassung zu Unrecht zu Vätern erklärten Männern Beachtung gefunden haben.
Es ist mir unerklärlich, warum die Gerichte ohne ausreichende Beweisführung und nur aufgrund von nicht sicheren Gutachten für den Betroffenen so folgenschwere Urteile sprechen können. Wenn man die in Ihrem Artikel aufgezählten Fehlleistungen von Gutachtern liest, fragt man sich schließlich, wie viele der 15 004 Männer, die 1963 von den deutschen Amtsgerichten zu Vätern deklariert und zur Zahlung von Alimenten verurteilt wurden, tatsächlich die Väter sind.
Nürnberg FELIX ECKNER
Der von Ihnen in Verkürzung wiedergegebene Satz »In etwa 30 Prozent der Urteile ... ist der Verurteilte nicht der
biologische Vater« kann in dieser Form zu Mißverständnissen führen; die vollständige und exakte Aussage ist: »Wenn alle im blutgruppenserologischen Gutachten als Erzeuger in Ein-Mann-Fällen nichtausgeschlossenen Männer zur Zahlung verurteilt werden, so befinden sich unter diesen - bei einem Verhältnis Väter zu Nichtväter von vier zu sechs im Ausgangsmaterial und einer Ausschlußchance von 70 Prozent für Nichtväter - rund 30 Prozent, welche nicht die biologischen Väter sind.« Als »kuriosestes« Ereignis der biostatistischen Bilanzierung serologischer Befunde
wird eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,6 Prozent bei zwei Männern eines gleichen Aktenfalles erwähnt. Ein solches Ereignis ist, wenn der eine der Männer der wirkliche Vater ist, in 0,4 Prozent aller gleichgelagerten Fälle zu erwarten; würden alle als Erzeuger möglichen Männer mit einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,6 Prozent kategorisch als wirkliche Väter angesehen und als solche zur Zahlung verurteilt, dann würde sich der Richter in 0,4 Prozent der Fälle irren. Dieses Irrtumsrisiko wird für die juristische Praxis als so gering angesehen, daß Obergerichte zu dem Schluß kamen, eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99 Prozent und darüber sei als Beweis ausreichend, um weitere Beihälter von der Vaterschaft als ausgeschlossen zu betrachten.
Der erwähnte Fall von zwei Männern mit 99,6 Prozent Vaterschaftswahrscheinlichkeit ist also in der Tat »kurios« und kann den Wert einer biostatistischen Bilanzierung, wie er heute in den meisten erbbiologischen Gutachten angewandt und von vielen Gerichten gefordert wird, nicht in Frage stellen.
Freiburg i. Br. PROF. DR. K. HUMMEL
Wenn in Vaterschaftsfällen noch immer viele Nichtväter verurteilt werden, so liegt das in erster Linie an unserem Prozeßrecht. Vielen Männern wird die volle naturwissenschaftliche Untersuchung verwehrt, solange sie sich nicht durch Entziehung der
Unterhaltspflicht
straffällig gemacht haben, was gewiß eher ein paradoxer als ein erfreulicher Zustand ist. Die Zahl der heute naturwissenschaftlich unerkennbar gebliebenen Nichtväter ist nach meiner Auffassung auf höchstens zehn Prozent zusammengeschrumpft. Seit fast 40 Jahren machen die Anthropologen ebensowohl positive wie negative Vaterschaftsdiagnosen. Die dabei verwendeten 100 bis 200 Merkmale führen mit unwiderleglicher mathematischer Logik auf Beweise von oft geradezu astronomischem Sicherheitsgrad, selbst im Durchschnitt aller Fälle noch auf 100 000 zu eins. Die zum Teil unvermeidlichen Bewertungsungenauigkeiten heben sich durch die große Zahl von - in meinem Laboratorium zum Beispiel stets verwendeten 159 - Einzelmerkmalen gegenseitig auf und können durch moderne Statistik unter Kontrolle gehalten werden.
Hamburg PROF. DR. DR. FRIEDRICH KEITER
Warum soll ausgerechnet bei Vaterschaftsprozessen die Gefahr des Justizirrtums geringer sein als bei anderen Gerichtsverfahren?
Düsseldorf HANS WIEGAND
Wenn jeder Mann die von Religion und Gesellschaft an ihn gestellten sittlichen Ansprüche beherzigen würde, brauchten sich unsere Gerichte überhaupt nicht mit Vaterschaftsprozessen zu beschäftigen. Genauso viel Schuld tragen natürlich auch die deutschen Mädchen und Frauen, die sich immer ungenierter mit Männern einlassen.
Regensburg ORTWIN KNIPP
Hummel
Keiter