VEREINE / DEUTSCHLAND-STIFTUNG Wahrung der Rechte
Im Privat-Düsenflugzeug des Hähnchen-Händlers Friedrich Jahn ("Wienerwald") reiste Konrad Adenauer nach München. Dort rupfte er mit den Deutschen ein Hühnchen: »Ich wünsche mir, daß das ganze deutsche Volk geistig gesundet.«
Dem greisen Weisen vom Rhein lauschten lauter gute Deutsche: Politiker wie Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier und der CSU-Baron Karl Theodor zu Guttenberg, der bayrische Ministerpräsident Alfons Goppel und wenigstens 50 Bundes- und Landtagsabgeordnete, Kirchenfürsten wie Julius Kardinal Döpfner und Hermann Dietzfelbinger, protestantischer Bischof der Bayern. In ihrer Mitte: Otto von Habsburg.
Guten Deutschen auch galt ----- links ein Blumentopf, rechts ein Blumentopf -- die Festrede des Altkanzlers in der großen Aula der Münchner Universität. Adenauer sprach als Ehrenpräsident einer im Vorjahr gegründeten »Deutschland-Stiftung e. V.«, die den nicht so guten Deutschen zu »Staatsbewußtsein« und »Nationalgefühl« verhelfen will. Den Helfershelfern soll alljährlich ein »Konrad-Adenauer--Preis« für Wissenschaft, Literatur und Publizistik (dotiert mit je 10 000 Mark) verliehen werden.
Am Dienstag letzter Woche stand die -erste Preiskrönung an. Die »Deutschen Nachrichten«, Organ der NPD, empfanden zwar den Auftritt des Altkanzlers, der doch »die Einschläferung des nationalen Gedankens« systematisch betrieben habe, als »eine Zumutung«, und das Blatt zweifelte: »Nun, auf einmal ... zurück zum Vaterland Deutschland? Wir können es nicht glauben.«
Frei von solchen Anfechtungen aber jubilierte das bedeutendste deutsche Rechtsblatt« »Die Welt«, über den »Ehrentag des Erst- und Altbundeskanzlers« und kündete nornengleich: »An diesem Tage wird sich weithin sichtbar der Widerstand gegen Staatsverdrossenheit, Mißbrauch der Freiheit und Auszehrung von Moral und Sitte formieren.«
Für Verdienste um das Deutsche wurden geehrt »drei Menschen, die sich ... in einen deutlichen Gegensatz zu den Zeitströmungen gebracht haben«, wie einer von ihnen formulierte. Das waren:
> Armin Mohler, 56 (Preis für Publizistik). Der Schweizer Staatsbürger verbüßte Anfang der vierziger Jahre Festungshaft in seinem Geburtsland, weil er illegal nach Deutschland gewechselt war, um in der Wehrmacht zu dienen; er war dann -- ohne dienen zu dürfen -- in die Schweiz zurückgekehrt. Von 1949 bis 1953 war er Sekretär des Trommelfeuer-Ästheten Ernst Jünger ("In Stahlgewittern"). In seiner Studie »Konservativ 1962« prägte er Kernsätze wie: »Der Mensch will nicht frei sein, sondern er will in einem Sinnzusammenhang stehen,« Den Sinnzusammenhang sieht Mohler heute durch die »Welt« gewährleistet, für die er als Kolumnist tätig ist.
> Bernt von Heiseler, 59 (Preis für Literatur). Der Sohn eines Petersburgers und einer Münchnerin sah zunächst im »Nationalsozialismus eine Hoffnung« (so -- ein Verlagsprospekt) und erkannte erst spät die »seelenhafte und sittliche Einbuße«, die ein NS-Anhänger erleiden kann. Der Schriftsteller und Laienspiel-Autor ("Der Gasthof in Preußen") trat 1954 aus der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung aus, weil einige Akademiemitglieder sich für Zigarettenreklame zur Verfügung gestellt hatten, und kritisierte die Nachkriegs -- Geschichtsschreibung über das Hitler-Reich als eine »gefärbte und vergiftete Speise« ("Vaterland -- nicht mehr Mode?").
> Ludwig Freund, 68 (Preis für Wissenschaft). Der gebürtige Deutsche war einst Syndikus des »Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten«, dann zwei Jahrzehnte lang US-Staatsbürger; der jetzt in Hannover lebende emeritierte Professor für politische Wissenschaften befaßt sich mit »Forschungsstudien« für Bundespresseamt, Bundesverteidigungsministerium und das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen.
»Wir sehen nicht recht«, schrieb die sonst eher nachsichtige »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) prompt, »welche Verdienste Bernt von Heiseler um das wünschenswerte Staatsbewußtsein haben könnte, oder sollte Staatsbewußtsein gar hinauslaufen auf jene von ihm gepflegten reaktionären -- Mythologeme? Und Armin Mohler? Welche Verdienste hätte dieser sich seit jeher und heute noch zu autoritären Denkmodellen bekennende Schweizer um ein deutsches Staatsbewußtsein?«
Die Festversammlung wußte es -- oder auch nicht. Der Präsident des Deutschen Bundestages applaudierte -- einem Mann, der »das Widersinnige des ganzen Moralisierungrummels« darin erblickt, »daß in der Bundesrepublik eigene Büros eingerichtet worden sind, um auch noch den letzten deutschen Kriegsverbrecher aufzustöbern, während die Kriegsverbrecher der anderen Seite ... die Bundesrepublik bereisen dürfen« (Armin Mohler).
Der außenpolitische Experte der CSU von und zu Guttenberg erschien zu Ehren eines Mitbürgers, der die dilettantischen Arbeiten des Amerikaners David Hoggan ("Der erzwungene Krieg«, SPIEGEL 20/1964) »als einen achtens- -- werten Mutbeweis gegenüber -- einer Weltmeinung« an-sieht, »die ... Deutschland mit jeder Kriegsschuld ... belastet« (Bernt von Heiseler).
Deutsche Rektoren und Professoren, Generale und Generaldirektoren feierten einen Politik-Wissenschaftler, der Entspannungsfreunde wie die Amerikaner Walter Lippmann und George Kennan -- als »intellektuelle Scheingrößen« einstuft und überhaupt gern von einer »politisierenden Schicht politisch instinktloser Intellektueller« spricht (Ludwig Freund).
Und Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger telegraphierte Glückwünsche an die Preisträger. Die aber nahmen das Lob in Demut. »Gefühle der Überraschung« regten sich in Ludwig Freund, der »jahrzehntelang ... gegen den geistigen Strom geschwommen« war. »Dieser Preis verwirrt mich«, bekannte Armin Mohler, auch er ein Schwimmer gegen den Strom«. Und »daß mir der -- Preis zugesprochen wird, kann niemand mehr wundern als mich selber«, sagte Heiseler, der unter anderem geehrt wurde für den »zuchtvollen Umgang mit der unverdorbenen deutschen Sprache«.
Die Sehnsucht nach dem »Unverdorbenen«, die Auflehnung gegen »auflösende Kräfte« -- das ist es, was auch die Manager und Mitläufer der »Deutschland-Stiftung e. V.« bewegt. Es sind -- laut »Welt« -- Männer der »Gegenkraft, die für gesundes Nationalgefühl, Staatsgesinnung und Wahrung der Rechte des deutschen Volkes wirken will«.
Allerdings legen die -- insgesamt acht Stiftungsleute, wie Schatzmeister Erich Meier, 54, sagt, gar »keinen Wert darauf, daß Näheres bekannt wird« -- weder über Vorstandsmitglieder noch über Mäzene und Mitgliederzahlen. Aber Näheres läßt sich bekanntmachen:
So über Vorstandsmitglied und Schatzmeister Maier, der seine journalistische Laufbahn beim sudetendeutschen NS-Organ »Die Zeit« begann und 1939 schrieb: »Wir haben im gestrigen Aufsatz (Erich Maiers) gesehen, daß das Judentum die treibende Kraft war, die die Völker zum Kampf gegen Deutschland im Weltkriege trieb.« Und der sich später freute: »Nun ist er endlich dort, wohin er schon lange gehört hat, Herr Thomas Mann: im (alliierten) Konzentrationslager ... Was nützt es da; daß man das Hohelied auf das Judentum gesungen hat, daß man sich ... über den jüdischen Helden Joseph in Ägypten und seine Sippschaft ausgeschleimt hat?«
So über Stiftungsmitglied Emil Franzel, 65, der vor 1933 für den Marxismus kämpfte und im »Arbeiterjahrbuch« der sudetendeutschen Sozialdemokraten spanische Aufstände beschrieb: »Der lange zurückgehaltene Haß gegen die Bundesgenossin der Reaktion, gegen die sich ständig bereichernde und das Volk verdummende Kirche macht sich in Klosterstürmen Luft.« Heute zählt der Klosterstürmer zu den meistgedruckten Autoren der katholischen Presse Westdeutschlands. Im Vertriebenenblatt »Volksbote«, schrieb er: »Wir wollen (außer dem Sudetenland) ganz Böhmen, wir wollen Mähren und Schlesien, die Slowakei und Ungarn, Polen und das Land der Kroaten und Slowenen ins christliche Abendland zurückführen.«
Zu solchen Figuren deutscher Zeitgeschichte gesellten sich unscheinbare Schwaben wie: Dr. Heinz Burneleit, 49, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung bei Daimler-Benz; der Regierungsbaumeister a. D. Eduard Eberle, Inhaber eines Ingenieurbüros für Hoch- und Tiefbau in Stuttgart; der Bäckermeister Max Lang, 57, der bei der letzten Bundestagswahl für die CDU in Stuttgart kandidierte, doch nicht gewählt wurde.
Aus Bayern kamen hinzu Professor Georg Stadtmüller, 57, Osteuropa-Ordinarius an der Universität München, und Anton Reiter, 60, Chefredakteur des Regensburger »Tages-Anzeiger«, der ostbayrische Bistumsblätter mit politischen Analysen beliefert. Aus Frankfurt schließlich Karl Friedrich Grau, 45, Gelegenheitsschreiber, der einst für die CSU-verwandte »Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit« eine enthusiastische Abhandlung über Franz-Josef Strauß verfaßte und danach von einem Strauß-Gegner, den er attackiert hatte, mit Erfolg verklagt wurde.
Wichtigster Mann der »Deutschland-Stiftung« aber ist Kurt Ziesel, 56, Schriftsteller, der wie Erich Maier mit den Juden seine Not hatte; so vor 1939 in Wien, als er mit der »Judenpresse« Österreichs »dauernd in Krieg« lag; so nach 1939 in Kowno, wo um ihn »ein einziges Gemauschel« ertönte, aus dem Munde »dieser schwarzhaarigen, krummnasigen Kaufleute«.
Ziesel, den jetzt die Stiftung mit »organisatorischen Aufgaben« betraute, tat sich nach dem. Kriege vor allem hervor als Autor von »Der rote Rufmord«, einer Schrift zur Rehabilitierung des in braunen Ruch geratenen Bonner Vertriebenenministers Theodor Oberländer, der 1960 seinen Sessel geräumt hatte. Ziesel wütete gegen die Oberländer-Fronde, der er wechselweise Krypto-Faschismus und Handlangerdienste für den Bolschewismus bescheinigte.
Ziesel war es, der -- wie die »Süddeutsche Zeitung« wußte -- »maßgeblich an der Auswahl .der Konrad-Adenauer-Preisträger« mitwirkte. Protektoren des Unternehmens waren, als Ehrenpräsidenten, Konrad Adenauer, der bayrische Ministerpräsident Alfons Goppel und zwei Kopfe der einstigen »Deutschen Partei«, Heinrich Heliwege und Hans-Joachim von Merkatz.
Sie alle waren dabei, als der Preis der Nation vergeben wurde. Der Welfe Hellwege ging ins Gericht mit den »übelriechenden Blasen, die die Gehirne mancher Literaten auftreiben«. Deutsch, kraftvoll, staatsbewußt hallte es durch den Festsaal. Redner sprachen. vom »wachsenden Einfluß staatszersetzender Erscheinungen« und wetterten gegen das »Ausarten der Freiheit zur Anarchie«.
Bei solch moralischer Aufrüstung mochte auch Konrad. Adenauer nicht hintanstehen. Noch im Wagen, mit Blaulicht unterwegs zur Universität, hatte der Altkanzler sinniert: »Vielleicht sage ich was, vielleicht aber auch nicht.«
Er sagte was. Zum Beispiel, das deutsche Volk habe seit 1914 soviel ertragen müssen, und man könne nicht schon verlangen, daß es wieder gesund sei. Und er erinnerte daran, den Finger himmelwärts reckend, wie 1918 und »später in Weimar rebellierende Arbeiter »erschossen werden mußten«.
Das seien auch Deutsche gewesen, aber »die Polizei tat nur ihre Pflicht«.