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WALTER ULBRICHT

aus DER SPIEGEL 39/1957

WALTER ULBRICHT wurde am 30. Juni 1893 in Leipzig als Sohn eines Schneiders geboren. Er besuchte die Volksschule, wurde mit 15 Jahren Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und ging bei einem Tischler in die Lehre. Mit 17 Jahren trat er in den Deutschen Holzarbeiter-Verband, mit 19 Jahren - 1912 - in die Leipziger SPD ein, wo er sich der (linken) Karl-Liebknecht-Gruppe anschloß. Anfang 1915 wurde er zum Trainbataillon Nr. 19 eingezogen, im Frühjahr 1918 versuchte er zu desertieren und wurde zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Im Oktober 1918 wurde Trainsoldat Ulbricht wegen bolschewistischer Propaganda in der Truppe wieder verhaftet. Er konnte aber nach Leipzig entfliehen, wo er sich dem Spartakusbund und später der neu gegründeten KPD anschloß.

WEGEN HOCHVERRATS wurde 1923 gegen ihn ein Haftbefehl erlassen (der erst 1928 aufgehoben wurde), weil er Mitglied des Militärrates der KPD »zur Vorbereitung des revolutionären Aufstands« war. Er tauchte zunächst unter und wich 1924 als KP-Agitator nach Österreich aus, wo er verhaftet und zu zehn Wochen Gefängnis verurteilt wurde. Nach der Strafverbüßung ging er als KPD-Vertreter zur Kommunistischen internationale (Komintern) nach Moskau. 1926 zog er auf der KPD-Liste in den Sächsischen Landtag, 1928 in den Deutschen Reichstag ein, von 1929 an fungierte er als Leiter der KPD-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg. 1930 wurde er nach Aufhebung seiner Immunität wegen Hochverrats verhaftet und vom Reichsgericht zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Er emigrierte 1933 über Prag und Paris nach Moskau, hielt sich von 1936 bis 1938 im rotspanischen Bürgerkriegshauptquartier auf und zog sich danach über Frankreich und Schweden wieder in die Sowjet-Union zurück. 1940 feierte er in dem Komintern-Organ »Die Welt« den Hitler-Stalin-Pakt, 1941, nach Hitlers Angriff auf die Sowjet-Union, agitierte er unter deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjet-Union und gründete mit anderen das »Nationalkomitee Freies Deutschland«. Nach der Stalingrad-Schlacht dolmetschte er zwischen den Marschällen Woroschilow und Paulus, wofür er eine sowjetische Militärmedaille erhielt. Ende April 1945 kehrte Ulbricht mit dem Auftrag, eine neue deutsche Verwaltung aufzubauen, im Gefolge der Sowjettruppen nach Berlin Zurück.

DIE SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) entstand im April 1946 durch die Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone. Ulbricht wurde zunächst stellvertretender Vorsitzender, später 1. Sekretär des Zentralkomitees der SED. Er ist der mächtigste Mann in der Staatspartei der »DDR« und zeichnet verantwortlich für die Zustände, die heute in der Sowjetzone herrschen. Chruschtschew hat sich bei seinem Besuch in Ostberlin im August 1957 ausdrücklich hinter die SED und ihre stalinistischen Methoden gestellt und Ulbricht öffentlich des ungebrochenen sowjetischen Vertrauens versichert.

EIN KONFÖDERATIONSPLAN, der Verhandlungen zwischen Bonn und Pankow voraussetzt und einen Staatenbund von Bundesrepublik und »DDR« vorsieht, wird von den Sowjets und der »DDR« als zur Zeit einzig möglicher Weg zur deutschen Einheit angepriesen. Der sowjetische Außenminister Gromyko hat am 10. September 1957 diese Ansicht noch einmal bekräftigt und für die Sowjet-Union abgelehnt, jemals wieder an einer Viermächte-Konferenz über die deutsche Frage teilzunehmen. Die Bundesregierung, die Bonner Opposition und die Westmächte lehnen ihrerseits Gespräche mit Pankow und eine Konföderation ab. Sie bestehen auf einer Viermächtekonferenz zur Lösung der deutschen Frage.

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