PRODUKTE / ABHÖR-GERÄTE Wanzen im Papierkorb
»Das erregende Hobby« nennt es ein US-Anzeigentext; die Vision »einer Welt, die kein Privatleben mehr kennt«, vermittelt es dem FDP-Bundestagsabgeordneten Wolfram Dorn: das Spitzeln mit elektronischen Abhörgeräten.
Wie viele Mini-Spione in Westdeutschland bereits mithören, darüber gibt es nur Schätzungen; aber Ministerialrat Dr. Arno Schulz vom Bonner Justizministerium hält die Zahl von 10 000 für »durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen«. Händler bieten die Geräte in Anzeigen öffentlich feil, aber eine Umsatzstatistik gibt es nicht.
Die bundesdeutschen »Wanzen« (vom amerikanischen »bug") sind meist nur so groß wie eine Streichholzschachtel oder kleiner. Sie bestehen aus Mikrophon und Sender, die von einer Batterie betrieben werden. Unter Möbel geklebt, hinter Heizkörpern oder in Papierkörben verborgen, übermitteln sie jedes Geräusch bis zu 500 Meter weit im UKW-Bereich. Als Empfänger genügt ein Kofferradio.
Abnehmer sind mißtrauische Chefs, neidische Arbeitskollegen, eifersüchtige Ehefrauen oder neugierige Hauswirtinnen. Eckardt Thoms aus Oldenburg, der sich mit Hilfe der Horchgeräte eine Existenz aufgebaut hat, über seine besten Kunden: »Am meisten verkaufen wir an Geschäftsleute, die Schwierigkeiten in ihrem Betrieb haben.«
Das Abhörgerät der Schweizer Firma Micro-Electric »erschließt neue Perspektiven in jeder Hinsicht«, so ein Werbebrief an deutsche Unternehmer. »Das Gerät sendet Ihnen selbst die im Flüsterton geführten Gespräche drahtlos durch dickste Wände«, rühmen die Schweizer. Und: »Verhindern Sie Sabotage im Betrieb -- leichtsinniges Ausplaudern von Geschäftsgeheimnissen -, eingeschleuste Gegier und andere Gefahren.«
Thom-Konkurrent Alfred G. Stobbe offeriert seine »drahtlosen Mikrophone« zu Preisen zwischen 65 und 150 Mark. Noch vor einem Jahr, als der Schnüffel-Boom begann, waren die Minisender zehnmal so teuer, weil sie aus den USA importiert werden mußten. Inzwischen ist die deutsche Produktion in Waschküchenbetrieben angelaufen.
Stobbe, Teilhaber des 20-Mann-Betriebes Alsto-Electronics in Breitenberg, plant den Bau eines »Subminiatursenders«, der sich in einem Siegelring unterbringen läßt.
Noch viel mehr verspricht die Abhörzukunft, die in Amerika schon begonnen hat. Rund 200 Firmen produzieren und verkaufen dort unter anderem
> ein Mikrophon in der Spitze eines Stahlnagels, der von außen durch Hauswände getrieben wird;
> einen Auslöser, der eine Tonband-Abhöranlage in Betrieb setzt, sobald in dem überwachten Raum gesprochen wird;
> ein Mikrophon im Stahlpfeil mit Gummisaugnapf, das mit einem Luftgewehr an eine senkrechte Fläche in der Nähe des Opfers geschossen wird;
> den Fernkurs »Werde Spion«, der für 300 Dollar ein Sortiment handelsüblicher Spitzelapparate nebst Gebrauchsanweisungen vorführt.
Wirksamen Schutz vor Mikro-Spionen gibt es in Westdeutschland noch nicht. Zwar können nach dem Fernmeldegesetz Strafen bis zu fünf Jahren Gefängnis für Errichtung und Betrieb eines Senders ohne Lizenz verhängt werden, aber den Suchbeamten der Post ist es fast unmöglich, die Geräte ausfindig zu machen. Anfang dieses Jahres wurde in Stuttgart der erste deutsche Amateurspion zu 400 Mark Geldstrafe verurteilt.
Verkäufer könnten sich der Beihilfe schuldig machen, aber diese Falle umgehen sie, indem sie in ihren Prospekten ausdrücklich auf die Lizenzpflicht hinweisen und die Geräte ohne Batterie verkaufen. Der Erwerb kann dann nicht mehr als »Errichtung« eines Senders ausgelegt werden.
Abhilfe wäre nur von einem Herstellungs- und Verkaufsverbot zu erwarten, aber das fehlt auch in einem neuen Gesetz, das der Bundestag vor kurzem verabschiedete. Danach wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft, »wer das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte, nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen unbefugt mit einem Abhörgerät abhört«. Auch unbefugte Bandaufnahmen von Privat-Äußerungen sind strafbar.
Nicht einmal alle Bundesbürger unterliegen diesem Gesetz. Als es im Sonderausschuß des Bundestags für Strafrechtsreform beraten wurde, wies Postminister Dollinger beruhigend auf die geringe Verbreitung der Spionier-Geräte hin. FDP-Mann Dorn erinnerte: »Da haben Sie die Verfassungsschützer vergessen.«