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PARTNERSUCHE Warmes Feeling

Alternative haben eine Marktlücke entdeckt: Kistenvermittlung für einsame Szenefreaks. *
aus DER SPIEGEL 47/1985

Auf den Tischen in der Mensa der Aachener Universität lag frischgedrucktes Werbematerial mit ungewöhnlichem Text: »Beziehung am Arsch, was? Gehste inne Disco, stehste blöd rum, tanzte 'ne Runde, gehste wieder heim. Scheiß-Einsamkeit, wie?«

Bei den Studenten kam der Szene-Jargon gut an. Sie meldeten sich massenhaft beim Absender der Reklame, einer Firma namens »Klick«. 500 Einsame, die eine Beziehung suchen, wollten über die »Alternative Kistenvermittlung GmbH« einen Partner finden - fürs Leben in der Zweierkiste.

Alternative ohne festen Partner laufen offenbar reichlich rum, zur Freude der »Klick«-Chefin Anne Lisken, 33, die nun so etwas wie die Oberkupplerin der Aachener Alternativen geworden ist. Die ehemalige Röntgenassistentin hatte als erste die Marktlücke unter den zahlreichen Alternativ-Betrieben entdeckt. Im Frühling letzten Jahres war ihr »der geballte Beziehungsfrust in der Szene« aufgefallen. Jetzt ist die geschiedene Aachenerin »total gut drauf«, ihre Kistenvermittlung »läuft prima«.

Beziehungsgefrustet sind frau/mann, logo, nicht nur in Aachen. »Klick« hat längst Konkurrenz bekommen. In Berlin, wo die Statistik einen Männerüberschuß von 30 000 in der Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahren ausweist, knüpften vier Studenten seit dem Wonnemonat Mai mit ihrem Institut »Donald & Daisy« zarte Bande für die Szene. Und am Main verkuppelt »Die Beziehungskiste - Frankfurts erste alternative Partnervermittlung« sehnsuchtsvolle Singles unter den »Grünen, Ausgeflippten, Müslifreaks und Makrobioten«. In Hamburg spielt »Der notorische Norbert« die »Glücksfee« für die Alster-Alternativen.

Anders als herkömmliche Heiratsinstitute, die in der Szene verpönt sind, bieten die Alternativ-Vermittler ihre Partnerschaftsdienste auch zu alternativen Preisen an. Während Ehe-Institute gemeinhin 3000 Mark für eine Vermittlung kassieren und dabei nur selten den Erfolg garantieren, begnügen sich »Klick« und Konsorten mit Honoraren zwischen 50 und 150 Mark. »Wir sind«, rühmt sich der Berliner Markus Hesse, Geschäftsführer von »Donald & Daisy«, »kein Abzocker-Verein.«

Viele Einsame, die sich bei den Newcomern auf dem Kupplungs-Markt melden, bringen schon schlechte Erfahrungen von etablierten Ehevermittlern mit: »Die sind von denen erst tierisch belabert und dann ausgenommen worden«, berichtet Hesse, der freilich ohne vorbereitende Laberstunde auch nicht auskommt.

Wie er hält auch Anne Lisken in Aachen das obligatorische »persönliche Gespräch« für unabdingbar. Hat sie 120 Mark für das »Erstgespräch« und die Aufnahme in die Kundenkartei kassiert, bringt sie die möglichen Partner zusammen.

Vor der Beziehung stehen Scheck und Check: Bei Wein und Kerzenlicht sorgt die »Klick«-Vermittlerin für ein »warmes Feeling«, auch bei den Ultra-Coolen. Aber nur 33 Paare fanden im letzten Jahr durch »Klick« zusammen - von über zweihundert, die vermittelt wurden.

Zu »Klick« kommen Studenten, Verkäuferinnen, Handwerker, Sekretärinnen und viele Lehrer/innen. Lisken: »Es gibt kaum noch 'ne intakte Familie.« Für ganz schwierige Fälle hat die Aachenerin ein »komplettes Trainingsprogramm« mit drei Wochenendseminaren ausgearbeitet - ohne Erfolgsgarantie, aber mit Rechnung: 2000 Mark. So »cool und lässig« (Hesse) sich die Leute der Szene oft auch geben, mit ihren Beziehungskisten sind die Alternativ-Machos und -Amazonen doch ziemlich wählerisch. Das Angebot ist breit gefächert, die Kataloge offerieren der Kistenkundschaft die »links-grüne Partnerin mit Interesse an Vollwertkost und Fahrradfahren«, eine »zärtliche Lesbe, grün-rot fühlend«, oder auch den »Schwulen«, der einen »Schwanz fürs Leben« sucht. Vermittelt werden Krankenschwestern für den »grippalen Beziehungsdefekt«, selbst eine »flotte Ruine« hat noch Chancen - und sei es bei einem Abbruchunternehmer.

Die grassierende Ratlosigkeit unter unglücklichen Szenefreaks bekämpft in der Frankfurter »Beziehungskiste« Bela Dobozy, ein Ex-Sanyasin und Lehrer auf Jobsuche. Für 30 Mark oder mehr vermittelt der Courier d'amour »Kontaktmöglichkeiten« heterowie homosexueller Art. Möglich ist auch die »Luxusvariante« zu 200 Mark, wo die Suchenden auf Kassette ihr »lonely heart« ausschütten. Dobozy, 30, macht noch keine Gewinne, sein Unternehmen hat es aber schon zu einer Erwähnung im Alternativ-Blatt »Pflasterstrand« gebracht, auf der Magazinseite »Neu & Bescheuert«.

Auf Kundenfang gehen die Kistenvermittler hauptsächlich mit Annoncen in Alternativ-Zeitschriften wie »Oxmox« (Hamburg), »Klenkes« (Aachen) oder »Zitty« (Berlin). »Donald & Daisy« werben sogar jeden Dienstag und Sonntag im Berliner Kabelradio »hör 1«. Per Telephon interviewen sich dort Partnersuchende, und manchmal funkt's schon während der Sendung.

Manche Szenefreaks haben die Kistenvermittlung auch schon mißverstanden. Bei »Donald & Daisy« ging unlängst eine Bestellungsliste für Pappkartons ein.

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