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BUNDESBANK Warum ausgerechnet die?

Personalpolitik der Länder gefährdet die fachliche Qualifikation des Zentralbankrats, der die Geldpolitik der Bundesrepublik steuert.
aus DER SPIEGEL 30/1976

Bundesbankpräsident Karl Klasen, Deutschlands oberster Währungswächter, suchte Hilfe in der Provinz. »Sie würden sich Verdienste um die Bundesbank erwerben«, so mahnte Klasen im Mai auf einem Festbankett in Stuttgart Baden-Württembergs Ministerpräsident Hans Filbinger, »wenn Sie Ihre Kollegen im Bundesrat veranlassen könnten, auf die Gesamtzusammensetzung des Zentralbankrats Rücksicht zu nehmen.«

Der Notenbankchef bat um personalpolitischen Beistand, weil er fürchtet, sein Frankfurter Institut, bislang in wirtschaftspolitischen Dingen angesehener und oft auch mächtiger als das Bonner Kabinett, könnte Ruf und Einfluß verlieren. Denn schon seit Jahren registrieren Kenner der Geld- und Währungspolitik, wie im Zentralbankrat (ZBR) der Sachverstand abnimmt -- unter den 19 gleichberechtigten ZBR-Mitgliedern, die unabhängig von Regierung und Parlament die Geldversorgung lenken, droht der Kreis der exzellenten Währungsfachleute mit jedem Wechsel kleiner zu werden*.

Laut Gesetz müssen Bund und Länder bei der Personalauswahl auf »besondere fachliche Eignung« achten. Doch vor allem die deutschen Provinzen, die mit ihren elf Landeszentralbankpräsidenten das Gros der Währungslenker stellen, klagte Klasen. übersähen allzuoft die Weisung.

Die Mahnungen des Präsidenten blieben vergebens. Wenige Wochen nach der Stuttgarter Bankettrede, so entsetzte sich ein ZBR-Mitglied, »kam der bislang schlimmste Affront«. Der niedersächsische Finanzminister Walther Leisler Kiep (CDU) teilte den Frankfurtern mit, daß er die »Fernsehfrau des Jahres 1973« ("Hör zu") Julia Dingwort-Nusseck, 54, im Herbst zur Landeszentralbank-Präsidentin in Hannover machen werde.

Die telegene Wirtschaftsjournalistin, die manchmal in den Spätnachrichten mit starrem Blick und sanfter Stimme über Ökonomie plaudert, als wär"s ein Kochrezept von ihr, galt schon lange als beförderungsbedürftig. Denn die christdemokratische TV-Dame war auf ihrem bisherigen Posten als »Chefredakteur Fernsehen« im Kölner WDR ohne Fortüne geblieben.

Daß die Niedersachsen-Christen ihre glücklose Parteifreundin ausgerechnet mit dem höchsten Geldamt, das ein Bundesland zu vergeben hat, trösteten,

* Der Zentralbankrat besteht aus den acht Direktoren der Bundesbank mit Karl Klasen an der Spitze und den elf Präsidenten der Landeszentralbanken. Die Bundesbanker werden von der Bundesregierung benannt, die Präsidenten der Landeszentralbanken -- den Filialen der Bundesbank -- von den Landesregierungen.

empörte vor allem die von Bonn berufenen acht Mitglieder des Bundesbankdirektoriums, die in ihrer Mehrzahl vorzügliche Fachleute sind. Einer von ihnen mokierte sich über die Dame, die der »FAZ« anvertraut hatte, Währungspolitik sei schon immer ihr »Hobby« gewesen: »Das reicht bei uns nicht.«

Doch gegen den Widerstand der Währungshüter setzte Niedersachsen letzte Woche die Ernennung der Kiep-Favoritin zur ersten Banklady der Bundesrepublik durch. Freilich beteuern die Frankfurter Geldmänner, daß sie prinzipiell nichts gegen Frauen im Amt hätten. »Warum nicht einmal eine Frau«, sagt einer der Protestanten, »aber warum ausgerechnet die?«

Einer reiner Kollegen vermutet, das erste weibliche Mitglied des Frankfurter Geldklubs, der alle 14 Tage über die Wirtschaftspolitik des Landes mitbefindet, verstehe noch nicht einmal die Fachvokabeln. »Es macht ja vielleicht nichts, wenn zwei von den 19 nicht wissen, worüber sie abstimmen«, sorgt sich der Direktor. »aber es werden allmählich zu viele.«

In der Tat ist die Berufung der Julia Dingwort-Nusseck zwar die spektakulärste. nicht aber die erste Fehlbesetzung, die von den Zentralbankiers beklagt wird.

Allein während der vergangenen drei Jahre wurden sieben neue Landeszentralbankpräsidenten und zwei neue Direktoriumsmitglieder (Amtszeit jeweils acht Jahre) bestellt. Und nur eine Minderheit der Berufenen genießt den Ruf, von Geld- und Wirtschaftspolitik viel zu verstehen.

Zu den wenigen hervorragenden Fachleuten zählt der frühere Schiller-Staatssekretär Johann Baptist Schöllhorn (parteilos), den der schleswig-holsteinische Regierungschef Gerhard Stoltenberg (CDU) Anfang 1973 zum Präsidenten seiner Landeszentralbank (LZB) machte. Auch der seit Ende April amtierende LZB-Präsident im CDU -regierten Baden-Württemberg. Norbert Kloten (parteilos), ehemals Wirtschaftsprofessor in Tübingen. gilt als Experte und ebenso sein Fakultätskollege. der Hannoveraner Professor Claus Köhler, den die Bundesregierung in das Frankfurter Direktorium berief.

»Über den Rest«, so kritisiert ein altgedienter Zentralbankier, »ist Schweigen.« Allzu häufig haben vor allem die Landespolitiker aller Parteien ihr Ernennungsrecht nur genutzt, um verdiente Parteifreunde oder hohe, aber überflüssige Ministerialbeamte mit einem lob abzufinden.

»Immer mehr Länder«. mäkelt Klasen, erlägen der Versuchung. bei der Besetzung der Landeszentralbanken einen »lokalen personellen Wunsch zu erfüllen«. So erhob der Bremer Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) seinen Parteifreund und früheren Senatsdirektor Kurt Nemitz im April dieses Jahres in den erlauchten Kreis der unabhängigen Währungshüter. Und Koschnicks Parteigenosse Heinz Kühn, Landesherr in Nordrhein-Westfalen, will seinen ehemaligen Finanzminister, den Industriekaufmann Hans Wertz, im September zum Chef der Düsseldorfer Landeszentralbank machen.

Wertz, der eigentlich Vorstandsmitglied bei der Westdeutschen Landesbank Girozentrale werden wollte, aber vom Personalrat des Instituts abgelehnt wurde, wäre ohne die Fürsorge seines Landesvaters praktisch arbeitslos. » Gegen jeden einzelnen«, so stöhnt ein Bundesbanker, »ist sicher nichts einzuwenden. aber die Häufung ist unerträglich.«

Vor allem bei den Direktoren in Frankfurt wächst die Angst, daß durch fehlerhafte Personalpolitik unterhöhlt wird, was ihnen, bislang noch. Prestige und Einfluß sichert: ihre in der Welt einmalige Unabhängigkeit. »Die gesetzlich garantierte Autonomie der Notenbank«, weiß Geldchef Klasen, »ist auf Dauer nur gewährleistet, wenn ihr Leitungsgremium fachlich gut besetzt ist.« Daran aber beginnt es zu hapern.

Mangelnde Qualifikation könnte schlimme Folgen haben. Denn die Währungshüter müssen eine komplizierte Mechanik bedienen, um die Geldversorgung der Wirtschaft genau zu steuern. Falsche oder zu hastige Entscheidungen etwa bei Wechselkursänderungen können Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gefährden.

Jetzt schon steht fest, daß die Bundesbankiers, die bislang nach ihrem eigenen Gutdünken festlegen, mit wieviel Geld sie die Wirtschaft versorgen, an feste Regeln gebunden werden mussen. falls die Länder ihre Personalpolitik nicht ändern.

In der vorletzten Woche traf die Frankfurter ein neuer Schlag. Bayerns Finanzminister Ludwig Huber hatte im Münchner Kabinett durchgesetzt, daß sein Ministerialdirektor Kurt Stadler, 50, Anfang nächsten Jahres zum neuen Münchner Landeszentralbank-Präsidenten ernannt wird. Der künftige bayrische LZB-Chef, ein Jurist, gilt als guter Verwaltungsfachmann. Mit Geldpolitik hatte er bisher nichts zu tun.

Aufgeschreckt von der Personalpolitik der Länder, sagte die Bundesregierung den Frankfurtern inzwischen Hilfe zu. FDP-Wirtschaftsminister Hans Friderichs versprach, sich dafür einzusetzen. daß., bei künftigen Benennungen der überragenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung Rechnung getragen wird«.

In der Vergangenheit waren jedoch gerade die Liberalen bei der Postenvergabe nicht gerade pingelig. Sie setzten vor einigen Jahren durch, daß ihr Parteifreund Hans Georg Emde, der schon als Finanzstaatssekretär in Bonn nicht sonderlich durch Wirtschaftskenntnisse auffiel, ins Bundesbankdirektorium aufrückte.

Die Bundesbankdirektoren trauen deshalb den guten Bonner Vorsätzen nicht ganz und kümmern sich deshalb selbst um Nachfolger.

So schicken sie den schleswig-holsteinischen LZB-Präsidenten Schöllhorn als Klasen-Begleiter auf fast alle wichtigen Auslandsreisen. Der Hintergedanke: Schöllhorn wird in zwei Jahren, wenn der Bundesbank-Vizepräsident und internationale Währungsspezialist Otmar Emminger in Pension geht, als der erfahrenste Fachmann für das dann verwaiste Auslandsressort gelten. »Und daran«, so hofft einer der Frankfurter Direktoren, »kommen dann auch die Politiker nicht vorbei.«

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