KANZLERKANDIDATUR Warum soll er nicht?
Bruno Heck, Generalsekretär der Christlich-Demokratischen Union, wartete vergebens auf seinen prominenten Gast. CSU-Chef Franz Josef Strauß, mit dem er sich verabredungsgemäß über die Modalitäten der gemeinsamen Kür eines CDU/CSU-Kanzlerkandidaten für 1973 verständigen wollte, hatte kurzfristig abgesagt.
Seine Begründung: Terminschwierigkeiten und eine Auslandsreise hinderten ihn, am Donnerstag vorletzter Woche nach Bonn zu fahren. In der Bundeshauptstadt entschuldigt, flog Strauß gleichentags gemeinsam mit seinem Duzfreund, dem Wienerwald-Wirt Friedrich Jahn, nach Sylt. Das Duo machte sich ein paar schöne Stunden in der »Tenne«, dem Kampener Treff der Insel-Schickeria.
Dem CDU-Generalsekretär hinterließ Strauß die neueste Ausgabe der CSU-Postille »Bayernkurier«. Ihr konnte Bruno Heck entnehmen, was Strauß nicht für nötig gehalten hatte, der Schwesterpartei persönlich mitzuteilen: »Die Stimmung in der CSU selbst« zeige, so »Bayernkurier« -Redakteur Wilfried Scharnagl, »daß Franz Josef Strauß auf jeden Fall in die engste Wahl möglicher Kanzlerkandidaten der Union gehört«.
Einen Tag später bekräftigte CSU-Generalsekretär Gerold Tandler den jüngsten Strauß-Anspruch: »De facto gibt es drei Kanzlerkandidaten, neben Barzel und Schröder auch Strauß. Strauß ist einer von den dreien, nicht der dritte.«
Nach Monaten gezielter Zermürbungstaktik -- einmal ließ er die CDU wissen, er werde lieber »Ananas in Alaska« züchten, als sich ums Bonner Kanzleramt bewerben, ein andermal, er halte sich für einen Ruf der Schwesterpartei »zur Verfügung« -- hatte der CSU-Chef endlich Farbe bekennen lassen.
Doch dann wollte es der bayrische Unruhestifter wieder nicht gewesen sein. »Bayernkurier« -Herausgeber Strauß: »Ich habe den Artikel nicht veranlaßt und weiß auch nicht, was sich der Scharnagl dabei gedacht hat.
Die düpierten CDU-Oberen dürfen weiter rätseln. Allein Richard Stücklen, Bonner Landesgruppenchef der CSU und Intimus des Bayern-Führers, meint zu wissen, was Strauß denkt. Er deutet die jüngste Strauß-Watschen für die CDU biedermannisch: »Die CDU muß sich daran gewöhnen, daß jede Position gemeinsam beraten und entschieden werden muß. Es war für uns besonders peinlich, daß die CDU einfach nur über Barzel. Schröder und so spricht. Es mußte klargemacht werden, daß es uns auch noch gibt.«
Bisher hatten der Unruhestifter und sein Biedermann mit ihrer Wechselbad-Taktik lediglich den bayrischen Preis für den Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur Straußens hochtreiben wollen. Ihr Mindestpreis: die unabdingbare Mitsprache der CSU bei der Kür des Union-Kanzlerkandidaten, ein Vetorecht bei der Auswahl des Außenministers und die Vizekanzlerschaft sowie das stärkste Ressort für den CSU-Chef. So deuten einige Bonner Politiker die Strauß-Kandidatur als verärgerte Reaktion darauf, daß Barzel bisher nicht bereit war, dem CSU-Chef für den Fall seiner Kanzlerschaft das Außenministerium zu versprechen.
Parteifreunde des CSU- Vorsitzenden freilich vermuten bei seinem neuesten Coup mehr als nur Preistreiberei. Strauß, der sich allen CDU-Politikern überlegen fühlt, könne nicht verwinden, daß die Schwesterpartei ihm zumute, schwächeren CDU-Figuren den Vortritt zu lassen. Es habe ihn schon früher gefuchst, unter einem Kiesinger zu dienen, und jetzt sei es ihm vollends zuwider, einen Barzel oder Schröder unterstützen zu sollen. Ein CSU-Spitzenmann befürchtet jetzt: »Je dichter der Wahlkampf heranrückt, desto unerträglicher wird Strauß.«
* Vorletzte Woche mit ZDF-Sport-Moderator Werner Schneider und »Wienerwald«-Wirt Friedrich Jahn.
Strauß-Freunde sind seit vorletzter Woche sogar sicher, ihr unheimlicher Führer rechne damit, daß das deutsche Volk in außenpolitischer und wirtschaftlicher Not ihn rufen werde. Strauß sei entschlossen, auch die leiseste Andeutung eines solchen Rufs nicht zu überhören.
Vorsichtig sucht Strauß-Intimus Stücklen, die Ambitionen seines Gönners zu ummänteln: »Wenn man Strauß ernsthaft fragen würde, würde er mit Sicherheit in eine ernste Beratung eintreten.« Und auf die Frage, ob sein Parteichef auch wirklich wolle: »Warum nicht, warum soll er nicht wollen?«