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WAS DAS ETIKETT BESAGT

aus DER SPIEGEL 30/1961

Den deutschen Weinherstellern ist kraft Gesetzes verboten, »Wein unter einer irreführenden Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung« anzubieten. Sie brauchen aber auf dem Flaschen -Etikett nicht zu bekennen, ob ihr Produkt künstlich durch Verschnitt (Mischung), durch Zusatz von Zuckerwasser oder durch Gärungsstopp verändert wurde. So bedeutet etwa die Etikett-Aufschrift

OESTRICHER WEISSWEIN, WEINGUT XY: Der Wein wurde entweder aus Trauben verschiedener Weinberge der Gemeinde Oestrich im Rheingau bereitet oder stammt aus Trauben, die in Weingarten anderer, Oestrich benachbarter Weinorte geerntet wurden. Er darf mit Zuckerwasser (bis zu einem Viertel) »verbessert« und beliebig, das heißt mit Weißweinen verschiedenster Sorten, Lagen und Jahrgänge verschnitten (gemischt) sein.

OESTRICHER LENCHEN, WEINGUT XY: Der Wein muß zu zwei Dritteln aus der insgesamt 200 000 Quadratmeter großen Oestricher Lage »Lenchen« stammen. Er darf Zuckerwasser enthalten und mit Weinen anderer Jahrgänge und, bis zu einem Drittel, anderer Rheingau -Lagen verschnitten sein.

OESTRICHER LENCHEN, NATURREIN (oder: NATUR, NATURWEIN), WEINGUT XY: Der zu zwei Dritteln aus der Lage »Lenchen« stammende Wein darf kein Zuckerwasser enthalten, aber mit »Lenchen«-Weinen früherer Jahrgänge und einem Drittel anderer ungezuckerter Rheingauweine verschiedener Jahrgänge verschnitten sein.

OESTRICHER LENCHEN, WACHSTUM XY: Der Wein wurde zu zwei Dritteln aus jenem Teil der Oestricher Lage »Lenchen« gewonnen, der dem Produzenten XY gehört. Er muß ohne Zuckerwasserzusatz sein, ein Drittel darf aber aus gleichartigen und gleichwertigen Weinen anderer Lagen und Jahrgänge des gleichen Weingutes, der gleichen Domäne oder der vieldutzend Mitglieder des betreffenden Winzervereins oder der jeweiligen Winzergenossenschaft bestehen.

OESTRICHER LENCHEN 1959, WACHSTUM, ORIGINALABFÜLLUNG XY: Der im Keller des XY abgefüllte Wein muß zu zwei Dritteln aus dem XY-Besitz der Lage »Lenchen« (Jahrgang 1959) stammen, darf nicht mit Zuckerwasserzusatz versetzt, wohl aber bis zu einem Drittel mit anderen gleichwertigen und gleichartigen Lagen des gleichen Produzenten, nicht unbedingt des gleichen Jahrgangs, verschnitter sein.

Der als »Oestricher Weißwein« oder »Oestricher Lenchen« in den Verkehr gebrachte Wein könnte auch unter den Sammellagebezeichnungen »Oestricher Gottesthal« oder »Oestricher Rheingarten« firmieren oder mit einem Phantasienamen betitelt werden, wenn der Produzent diese Firmierung für werbewirksamer hielte.

Nach dem Weingesetz dürfen Weißweine mit Weißweinen, Rotweine mit Rotweinen vermischt werden. Den Weinherstellern ist aber untersagt, deutschen Weißwein mit ausländischem Weißwein zu verschneiden. Deutscher Rotwein darf bis zu einem Viertel ausländischen Rotwein enthalten.

Die Weinbereiter sind nicht verpflichtet, die Tatsache des Verschnitts zu deklarieren, und brauchen auf dem Flaschen-Etikett nicht anzugeben, aus welchen Weinbaugebieten (Mosel -Saar-Ruwer, Rheingau, Rheinhessen, Pfalz, Nahe, Ahr, Franken, Baden, Württemberg), aus welchen Weinorten, Lagen und Jahrgängen die einzelnen Anteile stammen.

Soll der aus verschiedenen Erzeugnissen hergestellte Verschnitt nach einem der Anteile benannt werden, so muß dieser namengebende Anteil zwei Drittel der Gesamtmenge betragen und die Art des Weines bestimmen.

Will der Produzent dem Konsumenten mitteilen, welche Traubensorte er hauptsächlich verarbeitet hat, dann darf er die Sortennamen wie etwa Riesling, Traminer, Silvaner auf dem Flaschen-Etikett eintragen, wenn mindestens zwei Drittel des Flascheninhalts aus der,angegebenen Traubensorte gewonnen wurden.

Die Etikett-Bezeichnung »Spätlese« bedeutet, daß die Trauben nach der allgemeinen Lese im Zustand größerer Reife geerntet wurden. Die Vokabel »Auslese« weist darauf hin, daß die Trauben, was meistens bei der allgemeinen Ernte geschieht, ausgesondert wurden. Erstreckt sich die Auslese nur auf einzelne, überreife Beeren, die für sich gekeltert werden, so darf der Wein die Bezeichnung »Beerenauslese« führen.

Hat der Winzer seine Trauben so lange am Stock hängen lassen, bis sie nicht nur völlig ausgereift, sondern rosinenartig eingeschrumpft sind, dann darf er den aus diesen, Beeren gewonnenen Wein als »Trockenbeerenauslese« bezeichnen. Die Titel »Hochgewächs« oder »Spitzengewächs« stehen nur Beeren- und Trockenbeerenauslesen zu. Weder Spät-, noch Aus-, noch Beeren- und Trockenbeerenauslesen dürfen mit Zuckerwasser versetzt sein.

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