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BEAMTE / PENSION Was man war

aus DER SPIEGEL 21/1970

Vierzehn Jahre lang diente Dr. Ludwig Wemmer, heute 61, dem Nationalsozialismus -- in Staat und Partei. Er war, wie der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim fand, »unstreitig ein besonders befähigter Beamter« -- und um so berechtigter erscheint dem Schwaben Wemmer, vom Bonner Staat Ruhegeld zu verlangen.

»Das steht mir ja irgendwie zu«, findet der Schwabe und Jurist, der seit nunmehr acht Jahren um seine Pension streitet. An seinem Fall, der demnächst in dritter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht zu klären ist, läßt sich die Frage studieren, ob deutsche Beamtenrechte auch dann wohlerworben sind, wenn sie Bestandteil einer NS-Karriere waren.

Wemmer will »nichts abstreiten, was man war«. Er war einmal mit 25, bald nach dem Assessor-Examen, bei der Politischen Polizei. Mit 27 wurde er Regierungsrat' obwohl er ein Jahr zuvor bereits »ohne Dienstbezüge zur Dienstleistung beim Stab des Stellvertreters des Führers beurlaubt« worden war (so der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof).

Wiewohl während dieser Tätigkeit von der Partei bezahlt, avancierte er nebenher zugleich als Staatsbeamter: mit 29 zum Oberregierungs-, mit 30 zum Ministerialrat -- »abweichend von den damaligen Beförderungsgrundsätzen und eindeutig wegen seiner engen Verbindung zum Nationalsozialismus« (Verwaltungsgerichtshof).

Der NS-Mann (Parteibeltritt: 1931) wurde, durch Kirchenaustritt qualifiziert, ins »Braune Haus« zu München gerufen und dort Referent für Kirchenfragen. Titel und Ränge flogen ihm zu; 1941 war er »Hauptstellenleiter bei der Reichsleitung der NSDAP«, dazu Obersturmbannführer bei der SS, und er erinnert sich: »Das hat man doch alles automatisch und ehrenhalber bekommen.«

Als 34jähriger wurde Wemmer, im Rang eines Ministerialdirigenten, Gesandter 1. Klasse und kam zur deutschen Vatikan-Botschaft nach Rom. Dort wertete ihn der damalige Botschafter Ernst von Weizsäcker als einen »mir von (Außenminister) Ribbentrop aufgedrängten Botschaftsrat ... aus der Parteikanzlei Bormanns, des Kirchenfeinds Nr. 1« (so Weizsäcker in seinen Memoiren). Die »FAZ« schrieb unlängst, Wemmer »hatte die Aufgabe, sowohl Weizsäcker als auch den Papst zu überwachen«. Zwar dementierte Wemmer die »FAZ«, doch auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ordnete Wemmers Weg nach Rom einschlägig ein: »In erster Linie« sei dort »eine nationalsozialistische Kämpfernatur gefragt« gewesen.

Als solche Kämpfer nicht mehr gefragt waren, ging Wemmer als Geschäftsführer in die Wirtschaft. Aber nach Erlaß des 131er-Gesetzes -- des auf Grundgesetz-Artikel 131 fußenden Paragraphenwerks zur Regelung der Rechtsverhältnisse einstiger Staatsdiener -- kämpfte Wemmer wieder: um Pension.

Vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik begehrte er zunächst »Obergangsgehalt«, dann »Ruhegehalt« als Gesandter 1. Klasse. Bonn lehnte ab: Schon Ludwig Wemmers Ministerialrats- und erst recht sein Dirigenten-Rang sei eine rein »nationalsozialistische Maßnahme« und mithin nicht laufbahngerecht gewesen; überdies könne der Münchner Parteidienst in der NSDAP-Zentrale nicht als Staatsdienst angerechnet werden, weshalb Wemmer auf keine zehn Beamtenjahre gekommen und folglich nicht pensionsberechtigt sei.

Ebenso entschied im Jahr 1966 dann auch das von Wemmer angerufene Verwaltungsgericht in Stuttgart. Der Jurist (zweites Staatsexamen mit der Note »gut") ging in die nächste Instanz. Eine Ministerialdirigentenpension -- etwa 1500 Mark je Monat -- mochte zwar auch der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof nicht gewährt sehen. Die Beförderung zum Gesandten 1. Klasse und auch bereits die vorausgegangene zum Ministerialrat sahen die Richter, übereinstimmend mit dem Bonner Außenamt, als NS-Sache.

Den Oberregierungsrat Wemmer hingegen halten die Mannheimer Berufungs-Richter für durchaus ruhegehaltsberechtigt. Nach damals wie heute geltendem Recht, so der Verwaltungsgerichtshof, seien bei deutschen Beamten »Zeiten einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge vor dem 1. 7. 1937 als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen«; und daß Beamter Wemmer allein zu dem Zweck beurlaubt worden war, um als hauptamtlicher Aktivist in der Münchner NS-Parteizentrale wirken zu können, schien den Mannheimer Richtern nicht rechtsrelevant.

Die Anrechnung dieser Zeit im Braunen Haus auf seine Beamtenlaufbahn würde Ludwig Wemmer nun, vier Jahre vor der Beamten-Altersgrenze, eine Pension von ungefähr 750 Mark je Monat einbringen (und eine Nachzahlung von etwa 70 000 Mark für seinen Ruhegehaltsanspruch seit 1961) -- wenn die letzte Instanz, vom Auswärtigen Amt angerufen, zu seinen Gunsten entscheidet.

Ex-Gesandter Wemmer erhofft vom Bundesverwaltungsgericht abermals ein Urteil, das ihm »zumindest die Oberregierungsratspension« zubilligt. Der einst »hohe NS-Funktionär« (Verwaltungsgerichtshof) hält sich heute zugute: »Ich hätte ja auch meine Wiederverwendung durchdrücken können.«

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