ZUKUNFT Was wird eigentlich ...
Name: Nikolaus Brender
Status: Noch-ZDF-Chefredakteur
2009 provozierte die anstehende Verlängerung seines Vertrags einen Grundsatzstreit über den Einfluss der Parteien auf den doch so »staatsfernen« Rundfunk.
2010 wird Brender das Zweite derart aufrecht verlassen, dass er kaum noch durch die Tür passt. Er wird zum Symbol von mutiger Zivilcourage im Journalismus, jeden verfügbaren Medienpreis einsammeln und noch lange auf Podien seine Rente aufbessern können. Im ZDF wird's derweil deutlich ruhiger, die Anstalt auf dem Lerchenberg gehört wieder der Nachtigall Carmen Nebel.
Name: Peter Hahne
Status: ZDF-Mann in Berlin
2009: Inoffizieller CDU-Obmann.
2010: Nichts mehr. Im großen Postengeschacher ist er überraschenderweise leer ausgegangen. Hahne schreibt eine Fortsetzung seines Bestsellers »Schluss mit lustig« und wird nie zu den Podien eingeladen, auf denen Brender sitzt.
Name: ZDF-Studio
Status: Angeblich der modernste Nachrichtensalon Europas
2009 spendierte der Sender sich und Claus Kleber einen virtuellen Spielplatz für »heute« und »heute-journal«.
2010 zieht die ARD nach. Im neuen News-Saloon der »Tagesthemen« können Tom Buhrow und Caren Miosga Kriege in Echtzeit nachspielen. So viel Leben bringt das Erste nach vorn, im Gegensatz zu
Name: N24
Status: Ein Nachrichtensender fast ohne Nachrichten und Teil der maladen Senderkette ProSiebenSat.1, die ihr Programm am liebsten nur noch mit Stars wie Stefan Raab oder Heidi Klum bestreiten würde
2009 produzierte N24 erstmals so etwas wie Schlagzeilen - allerdings nur in eigener Sache. Grund: Der Sender soll aufgrund der miesen Zahlen künftig am besten ganz ohne Informationen auskommen.
2010 werden alle Nachrichten vom Senderketten-eigenen Comedy-Format »Switch Reloaded« produziert. Die Parodistin Martina Hill wird hauptamtlich Angela-Merkel-Darstellerin in allen News-Formaten. Dafür wechselt N24-Chefredakteur Peter Limbourg zu »Switch« - als Peter-Kloeppel-Imitator. Den gibt es dann auch fürs Smartphone, als sogenannte ...
Name: App (lication)
Status: Mini-Programme für moderne Handys
2009 konnte man damit Tetris spielen, die Steuerverwaltung osteuropäischer EU-Beitrittskandidaten organisieren oder gucken, wo in Köln-Mülheim die nächste öffentliche Toilette steht.
2010: wird eine neue App-Generation auf den Markt kommen. Sie kann Bierflaschen öffnen, die Desserts aus 120 Staaten nachbacken und den Espresso dazu kochen. Die tollste App: die K-App-utt. Wenn man das Handy auf den Boden schmeißt, sieht das Display wie zerbrochen aus. Zur totalen Illusion wird gehören, dass man das Gerät zur R-App-aratur schicken muss.
Name: Twitter
Status: Kurznachrichtendienst im Internet
2009 haben diese Nachrichten in SMS-Länge den Durchbruch geschafft: Sie durchlöcherten die Nachrichtensperren in Iran und halfen der dortigen Oppositionsbewegung. Sie sorgten an mehreren deutschen Wahltagen für eine Verbreitung von (nicht immer korrekten) Prognosen, bevor die Wahllokale überhaupt geschlossen waren. Und sie kolportieren beispielsweise die Doofheit des Sacha-Baron-Cohen-Films »Brüno« so schnell, dass der nicht mal das Startwochenende erfolgreich hinter sich bringen konnte.
2010 wird an Twitter leider weiterhin ziemlich verbesserungsfähig bleiben, dass jeder Nutzer mit lediglich lächerlichen 140 Zeichen ausk
Name: Harald Schmidt
Status: Harald Schmidt
2009 startete er in der ARD mal wieder neu - diesmal mit eher unlustigen jungen Menschen an seiner Seite.
2010 wird er erst eine kreative Auszeit ankündigen und dann eine baldige Rückkehr - zur Bundestagswahl 2017, weil er wieder total heiß ist, wie sein Freund und Manager Fred Kogel behaupten wird. Die Zwischenzeit verbringt er als »Traumschiff«-Statist und Operetten-Regisseur.
Name: Oliver Pocher
Status: Nicht Harald Schmidt
2009: Was war eigentlich das schlimmere Schicksal, seine Sat.1-Quoten oder seine selbstgewählte Lebensabschnittspartnerschaft mit der ... hm ... Designerin Sandy Meyer-Wölden?
2010 werden die ersten Homestorys mit dem Nachwuchs folgen, die er in seiner Show selbst inszeniert als »Pampers Pochi«. Die Trennung von Sandy ist erst für 2013 geplant. Apropos Nachwuchs:
Name: »Erwachsen auf Probe«
Status: Doku-Soap, in der ein paar Folgen lang so getan wurde, als vertraue RTL pubertierenden Halbprolls unbescholtene Kleinkinder zum Üben an. In der Realität heißt der Skandal übrigens »Babysitten«.
2009 sorgte das Format für eine der wenigen Provokationen im TV-Programm sowie Aufschreie von Medien- und Sittenwächtern, deshalb muss der Sender ...
2010 nachlegen. Im »Arktis-Camp« werden zehn notorische Schulschwänzer auf einer abschmelzenden Eisscholle überleben. Der Reinerlös der Show geht an den WWF und Greenpeace. Der Merchandising-Umsatz (inkl. Pol-Kappe aus Fleece) bleibt bei RTL. Außerdem soll Ottfried Fischer ein neues »Girlscamp« moderieren. Apropos:
Name: Yvonne, Nicola, Saskia, Mirja
Status: Verlagserbinnen. »Bauer sucht Frau« heißt nicht nur ein RTL-Format, sondern war lange auch das größte Unterhaltungsprogramm im Verlagshaus von Heinz Bauer ("TV Movie«, »InTouch«, »Neue Post"). Immerhin wurde der Verleger nicht müde, zu prüfen, welcher seiner vier Töchter er sein Reich anvertrauen soll.
2009 kürte der Patriarch die 32-jährige Yvonne zur Geschäftsführerin.
2010 wird Rupert Murdoch die Jungverlegerin zur Beraterin machen, um herauszufinden, wie man den Deutschen etwas verkauft, was sie weder brauchen noch vermissen (siehe: Sky).
Name: Rupert Murdoch
Status: Medienmogul
2009 hat der australoamerikanische Milliardär einen verwegenen Plan publik gemacht, den prompt weltweit alle Medienschaffenden irre mutig fanden. Nein, Murdoch will seinen bisweilen knochenkonservativen Zeitungen und TV-Sendern NICHT mehr redaktionelle Freiheiten schenken. Seine revolutionäre Idee geht anders: Er will im Internet Geld verdienen. Alle klatschten sich an den Kopf und dachten: Mensch, dass da noch niemand drauf kam! Der Plan ist auch insofern sensationell, da Murdoch in Sachen Geldverdienen im Netz bei eigenen Objekten wie MySpace bisher nicht gerade Vorbild war.
2010 wird er den ganzen Internet-Quatsch seinem Sohn und Thronfolger James überlassen, der sich zur Zeit an einer anderen Baustelle schwertut, wo auch endlich mal Geld verdient werden soll:
Name: Sky
Status: Pay-TV, auch: deutsches Bezahlfernsehgrab. Das Griechenland unter den Sendern: verschlingt endlos Geld und hat höchst undurchsichtige Bilanzen. Früher hieß es Premiere und verschliss etliche von hoffnungsfrohen Führungskräften.
2009 wurde unter Regie von Murdoch Junior bei Premiere/Sky zwar kaum etwas besser, dafür weiß man jetzt relativ genau, wie schlecht es um den deutschen Pay-TV-Kanal wirklich steht, weil endlich mal die Bücher durchforstet wurden.
2010 wird Sky mit der gleichnamigen deutschen Supermarktkette verschmolzen und damit auf einen Schlag zu Millionen neuen Kunden kommen. Als Vorstandschef wird Thomas Middelhoff verpflichtet. Der Ex-Arcandor-Boss ist ideal im Schönreden von Medien- und Handelsbilanzen.
Name: »Brigitte«
Status: Superhippes Fashion-Blatt aus dem Hause Gruner + Jahr für die Zielgruppe »trendige 15- bis 20-Jährige«, völlig zu Unrecht als Mutti-Blatt verschrien
2009 kam Chefredakteur Andreas Lebert auf eine geniale Idee: einfach mal ankündigen, dass man künftig keine magersüchtigen Topmodels mehr für die Modestrecken missbraucht. Damit unterstellte der Blattmacher gleich zweierlei: dass sein Blatt Top-Models und wirkliche Mode zeigt. Man kann nicht unbedingt sagen, dass andere internationale Flaggschiffe wie »Vogue« oder »Elle« schon eingeknickt wären.
2010 wird doch noch verschlankt - eventuell aber nur die Redaktion. Jedenfalls war das der PR-Coup Nummer zwei des Jahres. Nummer eins gebührt ...
Name: Günter Wallraff
Status: Undercover-Journalist der ganz alten Schule
2009 hat er sich mit Perücke, bunten Hemden und brauner Schmiere im Gesicht als Afrikaner verkleidet, um Rechtsradikale, Schäferhunde-Trainer und Kleinst-Faschisten zu erschrecken. Alle Medien berichteten über den mit versteckter Kamera gedrehten Film, der dann mit fünf (!) Kopien in den Kinos startete. Das Werk wurde prompt ein Hit. Bilanz: 9200 Zuschauer.
2010 wird Wallraff dahin gehen, wo es richtig weh tut, wo kein Betriebsrat hilft und Kündigungsschutz ein Fremdwort ist: mit falscher Identität ins Investmentbanking. Wallraff quasi ganz oben, wo sich auch ein anderer wichtiger Medienmann wähnt:
Name: Kai Diekmann
Status: Chefredakteur von »Bild«, das ihn offenbar nicht mehr ganz ausfüllt
2009 machte er sich einen Namen als Irgendwie-Miterfinder der Deutschen Einheit. Dauernd verschenkte er tonnenschwere Mauerüberreste und ließ sich mit Weltprominenz fotografieren. Er und Gorbi, er und Bush, er und Kohl, er und die Kanzlerin. Außerdem mischt er neuerdings als Gesellschafter der halbmittelinken »taz« mit, was die fast zerreißt. Neuerdings bloggt er auch noch.
2010 muss er den Friedensnobelpreis bekommen. Wenigstens.
Name: Stefan Niggemeier
Status: Journalist, Bildblog-Mitbetreiber, gutes Gewissen der ganzen Zunft
2009 wurde der Träger des Markgräfler Gutedelpreises seinem Antipoden Diekmann ein wenig ähnlicher. Und was wäre er ohne den Gegner »Bild«? Dann hätte Niggemeier womöglich auch nie den Bert-Donnepp-Preises für Medienpublizistik bekommen und den Hans-Bausch-Mediapreis und viele andere Auszeichnungen, von denen man kaum etwas wüsste, wenn Niggemeier sie nicht akribisch auf seiner Homepage auflistete.
2010 wird Niggemeier es schwer haben, weitere Auszeichnungen zu gewinnen, weil ja nun erst mal Nikolaus Brender alles abräumt. Als Laudator ist er aber auch zu gebrauchen. Entweder Niggemeier oder:
Name: Frank Schirrmacher
Status: »FAZ«-Herausgeber und Katastrophen-Toni des hiesigen Sachbuchgewerbes
2009 hat er der Welt eine Abrechnung mit dem hirnerweichenden Internet geschenkt. Das war mal was total Neues, Wegweisendes und Paradigmenwechselndes.
2010 müsste er sich um ein anderes Sujet kümmern, zu dem es auch noch keinerlei Literatur gibt. Schirrmacher bereitet total Neues, Wegweisendes und Paradigmenwechselndes vor: ein Buch zum Klimawandel, zum Tod, zu Gott beziehungsweise zu allem zusammen. Was auch ginge als Titel: »Die konservative Moderne - eine Standortbestimmung«, obwohl's da noch einen anderen Spezialisten gibt:
Name: Wolfram Weimer
Status: Designierter »Focus«-Chef
2009 machte er noch das kleine Salon- und Glastisch-Blättchen »Cicero«, wo ihn nun der Ex-SPD-Wahlkämpfer Michael Naumann beerben soll.
2010 wird Weimer richtig loslegen, vorausgesetzt, sein »Focus«-Vorgänger Helmut Markwort geht wirklich. Man weiß immer noch nicht, wann es genau so weit sein wird. Markwort sollte auch hier Fakten, Fakten, Fakten schaffen.
Name: Jörg Pilawa
Status: Allzweckmoderator
2009 hat er nach monatelangen und mit keinerlei Spannung verfolgten Verhandlungen seinem bisherigen Sender ARD den Laufpass gegeben, um
2010 beim ZDF alles wegzumoderieren, was Intendant Markus Schächter nicht rechtzeitig Thomas Gottschalk verspricht. Sagen wir mal so: Wenn Pilawa nach seinem Wechsel zum ZDF dort genauso erfolgreich einschlägt wie Johannes B. Kerner, nachdem der vom ZDF zu Sat.1 ging, wird man von Pilawa nicht mehr viel hören. Als heißer Kandidat für die Pilawa-Nachfolge gilt bei der ARD ausgerechnet:
Name: Eckart von Hirschhausen
Status: Dunkelste Seite der Gesundheitsreform und »Krawattenmann des Jahres«
2009 hatte der Arzt mit den feingescheitelten Wortspielen seinen medialen Durchbruch als Humorist und Autor ("Glück kommt selten allein"). Man findet ihn entweder unkomisch oder nicht witzig. Was macht so einer ...
2010? Hoffentlich mal Pause.
Name: Veronica Ferres.
Status: Omnipräsenter Film- und Fernsehstar
2009 hat sie mit dem Film »Unter Bauern« auch noch die Rolle »blonde Jüdin« in ihr reichhaltiges Repertoire aufgenommen und alle anderen ewigen Superweiber wie Barbara Schöneberger oder Christine Neubauer endgültig weggespielt. Wo La Ferres ist, ist vermimtes Gelände. Privat tritt sie nun mit dem AWD-Gründer Carsten Maschmeyer auf. Das bedeutet für
2010 nichts Gutes. Maschmeyer wird Ferres bei der Vorbereitung ihrer nächsten Rolle als Madeleine Schickedanz unterstützen, ein Arte-Zwölfteiler über Aufstieg und Fall einer deutschen Dynastie. Ferres legt im Gegenzug einen geschlossenen Immobilienfonds auf.
Name: Doris Heinze
Status: ARD-Hexe, bei deren bloßer Namensnennung sich alle Intendanten mittlerweile bekreuzigen
2009 flog die einstige Fernsehspielchefin beim NDR raus, weil bekannt wurde, dass sie heimlich TV-Drehbücher aus ihrer eigenen Feder und der ihres Mannes an den Sender verkauft hat.
2010 wird enthüllt, dass sie auch Hape Kerkeling war, Ina Müller und Nikolaus Brender. Veronica Ferres würde die Rolle wahnsinnig gern spielen.
Name: Primadonna
Status: Fernsehhündin
2009 gewann sie mit neuem Zuschauerrekord überraschend die RTL-Castingshow »Das Supertalent«. Normalerweise siegen bei solchen Veranstaltungen verhaltensauffällige Schulkinder, die mit dem Siegerlied wenigstens einen jüngst verstorbenen Verwandten grüßen wollen. Für den Oberjuror Dieter Bohlen war der Primadonna-Sieg ein Fiasko. Aus Hundegeheul kann nicht mal er ein Chart-taugliches Album mischen.
2010 wird Primadonna eine Tournee durch 50 Mehrzweckhallen deutscher Kleinstädte beginnen, die aber nach der Hälfte um die Hälfte gekürzt werden muss. Es kommt zum Krach mit Herrchen/Manager Yvo, der in »Bild« über die tierischen Hobbys des Hundes auspackt. Das ist der Beginn eines schlagzeilenträchtigen Katz-und-Maus-Spiels der Anwälte. Ein Jahr nach dem »Supertalent«-Erfolg kräht kein Hahn mehr nach dem Hund, der seinen letzten Auftritt bei der animalischen Kuppelshow »Tierisch, tierisch« im MDR haben wird. Guckt aber schon kein Schwein mehr.
MARKUS BRAUCK, ISABELL HÜLSEN,
MARTIN U. MÜLLER, THOMAS TUMA