BEAMTE Weekend im Harz
Die Orchidee in der Suite kam ebenso ins Protokoll wie das nächtliche Kaffeestündchen in der Villa im Park. Hatten's die Architektin Sigrid Kressmann-Zschach und der ehemalige Senatsdirektor Klaus Arlt miteinander? -so lautete im Rathaus Schöneberg die Frage.
Gewunden waren die Bekenntnisse des einstigen Senatorenvize und Oberfinanzpräsidenten, als er im April 1974 vor einem Abgeordnetengremium seine neun Monate währende »Freundschaft« zur Bauherrin des »Steglitzer Kreisel« offenbaren sollte. Die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. der die Verquickung privater und öffentlicher Interessen in der Planungsphase des schließlich 330 Millionen teuren Pleitebaus aufzuhellen suchte, hatten dabei mehr vorzuhalten, als ihr Zeuge zugab.
Freundschaft? »Sie hat mir sehr viel gegeben.« Intime Beziehungen? »Ich bin kein Hauruck-Typ.« Weitergabe von Dienstgeheimnissen ? »Wir haben uns über Politik, Architektur und Futurologie unterhalten.« Bestechung durch Reisen?,, Ich habe pedantisch abgerechnet.« Weekend im Harz? Aus der »Zeitung erfahren, ich erinnerte mich nicht mehr«. Doppelzimmer? »Einzelzimmer.
Die »Unterdrückung und Verkehrung von Tatsachen« (Wertung der Opposition), das zögernde Eingeständnis von Zweisamkeit mit der auf Senatswohlwollen erpichten Baudame, mal im Wiener »Sacher«, mal in Braunlages »Tanne«, brachten Arlt um die berufliche Reputation.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf Falschaussa-#* Der Berliner Oberfinanzpräsident ist im fünften Jahr arbeitslos, bei vollen Bezügen.
ge, Betrug und Bestechung; ein Berliner Kammergericht verurteilte ihn wegen »uneidlich und vorsätzlich unrichtiger Angaben« zu einer Geldbuße von 8000 Mark; noch immer läuft ein Disziplinarverfahren gegen Arlt. Und als erstes hatten die zuständigen Dienstherren in Bund und Land den promovieiten Juristen suspendiert. Nach »fünf- unddreißig untadeligen Beamtenjahrcn«, so Verteidiger Heinz Wagner, Strafrechtsprofessor in Kiel, ging der damals 53jährige in den einstweiligen Ruhestand.
Dort weilt er bei vollem Gehalt -- derzeit 93 160 Mark jährlich -- noch heute mit seinen 57 Jahren und sin-#*
* Vor ihrem Großbeuprojekt Steglitzer Kreisel
niert, von Zeitungen als »teuerser Rentner Berlins« tituliert: »Suspendierung ist eine schlimme Strafe.« Denn während der in Bonn vorgesetzte Finanzstaatssekretär ihm wenigstens noch zum Geburtstag Wohlergehen wünscht, hat ihn sein Berliner Chef, Finanzsenator Klaus Riebsehläger, wie seine Frau glaubt, aus wahltaktischen Gründen »einfach verdrängt«, Arlt selber: »Der Kontakt ist gleich Null.«
Geplante Vorträge übers Steuerrecht wurden nicht genehmigt. Selbst das Rote Kreuz zeigte kein Interesse an seinen ehrenamtlichen Diensten. Und die eigene Behörde, die den Rotarier anfangs noch mit »ein paar Rundverfügungen und Bundessteuerblättern« versorgte, nimmt lediglich noch die vorgeschriebenen Urlaubsmeldungen entgegen -- im März dieses Jahres etwa nach Ceylon, in den ersten Oktobertagen zur Erholung nach Österreich.
Zur Flucht aus heimischer Bedrängnis drängt es Arlt, der sich als eines der wenigen Opfer politischer Vergangenheitsbewältigung in Sachen Steglitzer Kreisel empfindet, schon aus sozialer Verantwortung »In einer Zeit großer Arbeitslosigkeit«, sieht er ein, könnte die leistungsfreie Alimentierung nun schon im fünften Jahr auf seine Umgebung anstößig wirken.
Der suspendierte Beamte hat allerdings auch von sich aus dazu beigetragen. den »unhaltbaren Zustand« (Arlt) zu konservieren. Zwar hatte er unverzüglich das Disziplinarverfahren gegen sich beantragt. Doch gegen den Strafbefehl focht er drei Jahre lang auf allen Ebenen.
Rein juristisch besehen war der Gang durch drei Instanzen durchaus angemessen. Denn der einstige Stellvertreter im Finanzressort, der »trotz starken Unrechtsbewußtseins« keinen Makel an seiner früheren Liaison entdeckt. obwohl Kressmann-Mitarbeiter zeitweilig Anweisung hatten, ihn als Berater zu konsultieren, wurde gleichsam nur für einen einzigen Kavaliersschnitzer verurteilt.
Den ursprünglichen Vorwurf des Betruges (wegen unkorrekter Reiserechnung> hatte die Staatsanwaltschaft ebenso fallenlassen wie den der Bestechlichkeit -- wegen der von Arlts Dame verauslagten Kosten der Trips in ferne luxushotels.
Festzunageln war er nur an seiner falschen, gleichwohl schriftlich korrigierten Auskunft, in der Harz-Herberge im Einzelzimmer genächtigt zu haben, obwohl es in Wahrheit zum Doppel gekommen war »In diesem Grenzfall mußten wir mit Fug und Recht raten, Revision zu fuhren«, so Professor Wagner. der neben dem Präsidenten der Berliner Anwaltskammer. Karlheinz Quack, Arlts Verteidigung übernommen hat.
Dersele Kasus taucht nun auch im anstehenden Disziplinarverfahren auf, das bis zur Rechtskraft des Strafurteils erst mal ausgesetzt werden mußte. Und die Dienstvergehen, die Bundesdisziplinaranwalt Hans Rudolf Claussen zusätzlich in seiner Anschuldigungsschrift aufgelistet hat, reichen ebenfalls kaum aus für härtere Sanktionen.
Unwahre Angaben gegenüber Arlts damaligem Vorgesetzten Heinz Strick werden moniert. Arlt hatte sich mit Auskünften über Zusammenkünfte mit der Freundin zurückgehalten. Unkalkulierbar schließlich das letzte Delikt der Anklage: Der Beamte habe sich, so steht es da, »durch die Aufnahme enger Beziehungen zu einer Geschäftsfrau achtungsunwürdig verhalten«
Ob allerdings die 6. Kammer des Bundesdisziplinargerichts in der womöglich noch in diesem Jahr anstehenden Hauptverhandlung derlei Trennung von Schreibtisch und Bett auch restschreiben wird. steht einstweilen dahin. Dem bisherigen Vorsitzenden zumindest ist es so und so nicht mehr vergönnt -- er ging diesen Sommer in den Ruhestand.
Diesen Status strebt auch Arlt inzwischen an. So stellte er schon im Dezember letzten Jahres Antrag auf vorzeitige Entlassung, aus Gesundheitsgründen. Ein privates Gutachten bescheinigte ihm auch die nötigen Blessuren. Unter anderem drücke noch heute »ein Bruststeckschuß« aus dem Kriege den Präsidenten »auf einen Nervenstrang«.
Doch der Befund des Amtsarztes, der Arlt bereits im Frühjahr untersuchte, steht immer noch aus. Für die Verteidiger des Beamten ist diese Verzögerung im insgesamt schleppenden Verfahren eine Bestätigung ihrer These: »Die physischen und psychischen Belastungen einer derart lang andauernden Suspendierung«. so Professor Wagner, hätten seinen Mandanten »längst dienst untauglich gemacht«.