BAFÖG Weg damit
Bonns Bildungsplaner, deren Arbeitstempo im allgemeinen von Bedächtigkeit bestimmt wird, haben es plötzlich eilig. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll eine Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, Studenten und Eltern kurz als Bafög geläufig, durch den Bundestag geschleust werden.
Verwunderlich auf den ersten Blick, denn die Novelle beschert den Geförderten nur geringfügige Verbesserungen, den Studenten etwa eine Anhebung der Höchstförderung von 580 auf 620 Mark, eine leichte Erhöhung des Elternfreibetrages und der Zusatzleistungen für Krankenversicherung oder Mietkosten -- »keine paradiesischen Zustände, wie auch der Parlamentarische Staatssekretär Björn Engholm zugibt, »nichts Sensationelles«
Das Aufregende liegt seit Mitte Januar im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft unter Verschluß, und da soll es bis zur Verabschiedung des Gesetzes auch bleiben. Denn die Sache wäre geeignet, selbst die bescheidenen Anhebungen des Bafög erst einmal wieder in Frage zu stellen: Ein Gutachten des Bundesrechnungshofs über den Verwaltungsaufwand beim Bafög »unter besonderer Berücksichtigung der Darlehen« verwirft die Selbstbeteiligung der Studenten an der Förderung und belebt erneut einen Streit, den die Bildungspolitiker gerade beseitigt wähnten.
Vor allem in den Arbeitgeberverbänden und »konservativen Kreisen« (SPD) waren in den letzten drei Jahren Forderungen laut geworden, an den überfüllten Hochschulen verstärkt »finanzielle Regulative« (Bund Freiheit der Wissenschaft) zu schaffen. Zwar widerstanden die Sozialliberalen dem Ansinnen, Universitätsbesuch wieder über den Geldbeutel abzuwickeln. Aber sie beließen es doch bei der Regelung, daß den Studenten 150 Mark der Höchstförderung lediglich als zinsloses Darlehen gewährt werden.
Auf diese Weise jedoch wird das Geld erst recht verschleudert. Das Gutachten des Rechnungshofpräsidenten Hans Schäfer zeichnet auf insgesamt 64 Seiten und in 14 Anlagen einen Verwaltungsaufwand nach, der im krassen Mißverhältnis zum Ertrag steht und »zu einem zunächst noch unbestimmten Zeitraum« womöglich gar höher liegen wird als die Bafög-Leistungen.
Allein mit Verwaltung und Einziehung der Darlehen beispielsweise waren letztes Jahr im Kölner Bundesverwaltungsamt und in der Düsseldorfer Bundeskasse 183 Voll- und Teilzeitkräfte beschäftigt. Weitere 2547 Beamte und Angestellte verwalteten in 424 Ausbildungsförderungsämtern der Länder die Abwicklung des Bafög, etwa die Lieferung der Zuschüsse und Darlehen.
Und aller Personalaufwand reicht nicht mal hin. Ende März letzten Jahres, ermittelte der unabhängige Prüfer, waren im Bundesverwaltungsamt >von rund 478 000 für Darlehensempfänger zu führenden Akten rund 53 000 noch nicht angelegt, > etwa 130 000 »Belege«, meist Erfassungsunterlagen über geleistete
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Darlehen, noch nicht in die Akten aufgenommen,
* Wiedervorlagen seit Dezember 1977 unterblieben und Posteingänge ab Mitte Februar 1978 den Sachbearbeitern noch nicht vorgelegt oder den Akten zugeordnet.
Würde das Förderungsverfahren beibehalten, so Schäfer, »müßte das für Bafög-Aufgaben tätige Personal« auch mit Blick auf die zu verwaltenden Darlehen »beträchtlich vermehrt werden; eine Verdoppelung des derzeitigen Personalbestands wäre dann nicht auszuschließen«.
Immer mehr Beamte und Angestellte wären in Zukunft womöglich damit beschäftigt, eine immer größere Zahl von Ausfällen bei der Darlehensrückzahlung zu verwalten. Eine »Ausfallquote von annähernd 20 Prozent« prophezeit Schäfer allein unter »Darlehensnehmerinnen«. die »infolge Eheschließung oder aus anderen Gründen (etwa Teilzeitbeschäftigung) ihrer Tilgungspflicht nicht nachzukommen brauchen«.
Da »in nicht wenigen Fällen« überdies tatsächliche Einkommens- und Vermögensfälle »verschleiert« würden, Darlehensnehmer unauffindbar seien oder in Härtefällen auf die Eintreibung verzichtet werde, rechnen Verwaltungsamt und Bundeskasse mit einer Ausfallquote von »insgesamt etwa 30 Prozent«. Das Ministerium hält gar »35 Prozent nicht für ausgeschlossen«.
Außer Frage steht für den staatlich bestellten Ermittler der reale Geldwertverlust der Darlehen. Für 67 000 Bafög-geförderte Studienanfänger des Jahres 1976 errechnete er nach fünfjähriger Förderungsdauer eine Darlehenssumme von 435,5 Millionen Mark -- bei einer Geldwertminderung von drei Prozent real 398,9 Millionen Mark.
Bei der im Gesetz vorgesehenen Gesamtlaufzeit der Studien-Darlehen bis zu 20 Jahren bedeutet der Verzieht auf Kapitalertrag und die Erstattung des mit Verwaltung und Einziehung der Darlehen verbundenen Aufwandes »im Ergebnis«. so das Gutachten, daß »die Darlehen zu einem errechenbaren Zeitpunkt einem verlorenen Zuschuß gleichkommen«.
Andererseits: Einen Zinsausgleich kann sich der Rechnungsprüfer auch nicht vorstellen. Allein der Ausgleich des Verwaltungsaufwandes und der Tilgungsausfälle würde, so seine Rechnung, eine Verzinsung von mindestens 5,1 Prozent erfordern -- eine »beträchtliche Belastung der Darlehensnehmer«. Wollte der Bund auch noch den entgangenen Kapitalertrag und die Geldwertminderung über die Bafög-Empfänger eintreiben, wäre gar eine Verzinsung von »mehr als zehn Prozent« notwendig »für viele Darlehensnehmer«, so der Gutachter, »nicht zumutbar«, und wohl auch eine Umkehrung der Bafög-ldee, gerade sozial Benachteiligten zu helfen.
Nach so vernichtendem Urteil ist für die Experten im Bonner Bildungsministerium die »Tendenz eindeutig: weg mit dem Darlehen«. In der Praxis rechnen sie mit dem Gegenteil: mit den alten Forderungen vor allem der Konservativen, die Bildungsförderung drastisch zu kappen.
Nicht erwartet war die Zurückhaltung in der eigenen Mannschaft. Da gibt es, etwa im Wirtschaftsressort oder bei Finanzminister Hans Matthöfer (der sich lange dagegen sträubte, das schulische Berufsgrundbildungsjahr in die Bafög-Förderung aufzunehmen), erhebliche Reserven gegenüber der staatlichen Bildungsspritze.
Vorläufiges Resultat: Der unrentable Darlehensanteil wird nicht abgebaut, sondern von 150 auf 160 Mark erhöht.