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HILTON Weg nach oben

aus DER SPIEGEL 41/1964

Die Kleidung war dezent, das Benehmen nicht zu beanstanden. Dennoch war der Besuch der Dame unerwünscht. Der Oberkellner des Hilton-Dachgartens im Berliner Tiergarten wies den Gast ab: Ohne männliche Begleitung sei der Zutritt nicht gestattet.

Die Abgewiesene wandte sich, wie zuvor bereits andere Opfer der Hilton -Sperre, an den Lokalsender Freies Berlin (SFB): Es sei doch unerhört, wie »so eine« behandelt zu werden.

Das fand der SFB-Frauenfunk auch. Am Mittwoch letzter Woche kritisierte Reporterin Eva Caro »ein großes Berliner Hotel« ob der uncharmanten Praktik, alleinstehende Frauen von Tanz und Geselligkeit auszuschließen.

Und Strafverteidiger Gerd Roos, um eine Stellungnahme gebeten, klärte die Hörerinnen darüber auf, daß eine glatte Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes vorliege: »Ein Splitting der Verfassung für den öffentlichen und den privaten Bereich halte ich für rechtsunwirksam. Die Gleichberechtigung der Frau kann nicht nur für Behörden gelten.«

Solchen Argumenten verschließt sich die Direktion des Berliner Hilton-Hotels. Ihr ist daran gelegen, den guten Ruf des Hauses zu wahren, der unter eben diesem Gleichheitsgrundsatz gefährdet schien: Amüsierdamen hatten ihren Arbeitsplatz von der Augsburger Straße, die ihrer amourösen Offerten wegen notorisch ist, auf den Hilton-Dachgarten verlegt.

Die Gegenmaßnahme der Hilton -Leute, den Fahrstuhlhalt in den Schlafzimmerstockwerken und damit den Weg nach oben zu blockieren, erwies sich als wenig wirkungsvoll. Zudem, erinnert sich Hilton-Sprecherin Karin Reich, gab es Beschwerden von weiblichen Gästen, die delikate Aufforderungen erhielten, während sie die Berliner Skyline bewunderten.

Die Hotelleitung entschied daher, Konflikten dieser Art aus dem Wege zu gehen und untersagte Damen ohne Begleitung nach Abschluß des Fünf-Uhr-Tees den Zutritt zum Dachgarten.

In der Praxis haben sich indes Schwierigkeiten ergeben: Leidtragende sind mitunter Vertreterinnen respektabler Organisationen, die einsame Berliner Kongreßabende in aufgelockerter Atmosphäre verbringen wollen. Alleinstehende Damen hingegen, die amouröse Ambulanz betreiben, können mitunter dennoch zum Dachgarten gelangen - wenn sie etwa mit einem Schlüssel winken, der wie ein Hilton -Zimmerschlüssel aussieht: Für weibliche Übernachter gilt die Paar-Klausel nicht.

Angesichts so gelagerter Problematik ersuchte die SFB-Reporterin Eva Caro die Gewerbebehörden um Rat, die in dieser Situation allerdings ratlos waren: Ein amtliches Eingreifen ist nach dem Berliner Gaststättengesetz nur möglich, wenn Gäste in Gefahr sind. »Ehrlich gesagt«, erfuhr die Reporterin beim Bezirksamt Tiergarten, »über ein solches Problem hat sich bei uns noch keiner den Kopf zerbrochen.«

Dafür will das die Arbeitsgemeinschaft der Berliner Frauenverbände tun, die ihre Kaffeekränzchen zumeist im Hilton abhält: Das Thema soll auf der nächsten Plenartagung grundsätzlich erörtert werden.

Das Hilton-Hotel deutete allerdings Kompromißbereitschaft an: »Wenn eine Kongreßleitung bei uns anruft und einige alleinstehende Damen avisiert, steht ihrer Aufnahme im Dachgarten nichts entgegen.«

Hilton-Dachgarten (Berlin): Paare erwünscht

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