Berlin »WEGTAUCHEN SOZUSAGEN«
SPIEGEL: Herr Kendzia, der Berliner Senat hat von den Alliierten das Verbot der NPD in Berlin gefordert. Hatten Sie Angst vor der Verbotsdrohung, oder weshalb sonst hat Ihre Partei Harakiri begangen und sich aufgelöst?
KENDZIA: Wir hatten die Gewißheit gewonnen, daß wir uns gegen die Verbotsbemühungen des Senats nicht schützen können. Ein alliiertes Verbot wäre nicht revidierbar. Und solange die Dinge im Bund noch unklar sind, wollten wir in Berlin nichts riskieren.
SPIEGEL: Ihre Selbstauflösung ist also weiter nichts als ein Ausweichmanöver?
KENDZIA: Wir müssen durch dieses Wegtauchen, sozusagen, unsere Handlungsfreiheit erhalten. solange sich weder Bonn noch Karlsruhe mit der Zukunft unserer Bundespartei beschäftigt haben. Diese Handlungsfreiheit aber hätten wir nicht mehr, wenn ein alliiertes Verbot auf dem Tisch läge.
SPIEGEL: In Ihrem Auflösungsbeschluß haben Sie erklärt, daß Ihre »verantwortungsbewußte Haltung von den Parteifreunden verstanden und von der Bevölkerung anerkannt« wird. Das klingt wie ein nationales Opfer der nationalen Demokraten für Berlin.
KENDZIA: Für uns waren vor allem zwei Dinge wichtig. Einmal, daß die Bevölkerung nicht länger durch die ständige Behauptung unserer politischen Gegner irritiert wird, die NPD bedeute ein Sicherheitsrisiko für die Stadt. Zum anderen: Wir wollen unsere Mitglieder beschützen und nicht verheizen.
SPIEGEL: Wenn man die Drohungen der DDR in Rechnung stellt, dann ist die NPD durchaus ein Sicherheitsrisiko.
KENDZIA: Wir sind nicht der Meinung. Wenn es um diese Stadt so bestellt ist, daß 500 Nationaldemokraten sie bedrohen können, dann kann es mit ihrer Sicherheit nicht allzuweit her sein. Außerdem: Unsere Partei dient dem Osten doch nur als Vorwand, um dem Senat und Bonn zu schaden.
SPIEGEL: Und daran fühlen Sie sich unschuldig?
KENDZIA: Gewiß, daran ist die Bundesregierung selber schuld. Sie hat ja zuerst gesagt, daß wir hier Neonazis sind. Man kann es denen in der Zone wenig übelnehmen, wenn sie das nachbeten.
SPIEGEL: Wie reagieren Ihre Mitglieder auf den Beschluß?
KENDZIA: Die Freunde sagen: Wir tun das ausgesprochen ungern, aber es ist wohl notwendig. Und das ist ja auch kein Wunder, denn wir haben jahrelang jede Stunde de. Feierabends an die Sache gehängt.
SPIEGEL: Stammt die Auflösungsidee von Ihnen?
KENDZIA: Ich war kürzlich in Hannover und habe mit dem Parteivorsitzenden Adolf von Thadden das Problem so »rum und so 'rum und so 'rum gedreht. Und wir kamen nur auf diese Lösung.
SPIEGEL: Was wird nun aus der heimatlosen Rechten in Berlin?
KENDZIA: Die Organisation Ist aufgelöst. Es gibt keine Kreisverbände mehr, keine Konten mehr, keine Geschäftsstellen mehr, keine Postfächer mehr -- nichts mehr.
SPIEGEL: Und die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus müssen 1971 ohne Sie stattfinden?
KENDZIA: Durchaus nicht. Unser Schritt bedeutet nicht, daß wir an den Wahlen nicht teilnehmen. Er war vielleicht sogar notwendig, um in Berlin überhaupt jemals an Wahlen teilnehmen zu können.
SPIEGEL: Würden Sie das bitte erläutern?
KENDZIA: Wenn die Bundestagswahl für unsere Partei einigermaßen glimpflich ausgeht und wenn der Prozeß in Karlsruhe zu unseren Gunsten entschieden ist oder gar nicht erst geführt wird, dann sieht die Situation für uns in Berlin in der Tat wieder ganz anders aus.
SPIEGEL: Sie glauben mithin an Auferstehung?
KENDZIA: Ja, mit Hilfe der grollen Mutter im Bund läßt sich die Organisation dann wieder ganz schnell auf die Beine bringen.