WERBUNG »Weil isch es mir wert bin«
Warum ausgerechnet die Europäische Stahlindustrie einen Narren an ihr gefressen hat, weiß Alexandra Kamp wahrscheinlich selbst nicht genau. Ihre Rolle in der Sat.1-Serie »Fieber - Heiße Zeit für junge Ärzte«, in der die Schauspielerin eine angehende Ärztin mimte, hätte sie eigentlich eher als Präsentatorin von Hautcremes oder Gesundheitslatschen qualifiziert. Auch aus ihren Auftritten in TV-Filmen wie »Ich liebe eine Hure« lässt sich beim besten Willen kein Hang zu dem soliden Metall konstruieren.
Vielleicht war es ja ihr Name. Hart wie Kamp-Stahl, das hätte was.
Fest steht: Die Stahlfunktionäre sind offenbar der Meinung, ihr Produkt habe ein Imageproblem. Und Frau Kamp, als Stammgast in den Klatschspalten, könne einem breiten Publikum vermitteln, dass Stahl im Kern etwas sehr Sympathisches ist. In der vergangenen Woche lief in allen großen Kanälen ein TV-Spot an, der die Schauspielerin bei einer rasanten Autospritztour durch eine Großstadt zeigt. Kamp schwärmt darin ein bisschen ("Du siehst gut aus, du gibst mir Sicherheit") und tut, als spräche sie von ihrem Liebsten. Nur um sich dann - Überraschung - zu dem Baustoff zu bekennen: »Warum sind Männer nicht wie Stahl?«
So viel Charme, hoffen die Hersteller, müsste eigentlich auch härteste Stahlverächter zum Schmelzen bringen - sofern ihre Promi-Botschaft nicht einfach sang- und klanglos untergeht. Denn die Chance, dass sich im selben Werbeblock noch ein paar wesentlich bekanntere Kamp-Kollegen für andere Produkte ins Zeug legen, ist ziemlich groß.
Ob Günther Jauch für Beton, Mika Häkkinen für Handys, Stefan Raab für Hamburger, Veronica Ferres für Strom oder Thomas Gottschalk für Post und Gummibärchen - mitunter tummeln sich in den Werbepausen mehr Stars als in den unterbrochenen Sendungen.
Immer mehr Unternehmen setzen bei ihren Marketing-Maßnahmen auf prominente Verkaufsförderer. Noch 1993 hielten in gerade mal drei Prozent aller Reklamespots Stars und Sternchen ihr Gesicht für Produkte hin. Im ersten Halbjahr 2001 waren es nach Zahlen des Münchner Marktforschungsinstituts Imas schon zwölf Prozent. Aus den »geheimen Verführern«, die der amerikanische Werbekritiker Vance Packard einst anprangerte, sind zunehmend prominente Verführer geworden.
Wie selbstverständlich die so genannten »Testimonials« inzwischen zur Alltagskultur gehören, zeigt die Ausstellung »Prominente in der Werbung - Da weiß man, was man hat«, die bis Anfang April im Bonner »Haus der Geschichte« läuft und vor allem die Promiwerbung im Wandel zeigt: von zarten Anfängen zu Zeiten Goethes, der sich über die Vermarktung seines Konterfeis auf Kaffeetassen beschwerte, bis zur festen ökonomischen Größe in der Reklameindustrie, minutiös durchgeplant und mit modernsten Mitteln der Marktforschung vorbereitet.
Waren es in den fünfziger und sechziger Jahren noch hauptsächlich Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich oder Romy Schneider, die »den milden weichen Schaum« der »Schönheitsseife Luxor« priesen, sind es mittlerweile Stars jeder Kategorie, die ihre Bekanntheit im Dienste der Werbung vermieten: vom Allzweckintellektuellen Sir Peter Ustinov (für Banken und Expo) bis zu Eintagserscheinungen wie »Big Brother«-Prolet Zlatko Trpkovski (für Bier und einen Telefonanbieter).
Warben die Ikonen von einst meist nur für ein Produkt, sind die prominenten Werber heute meist Mehrfachtäter - par excellence vorgeführt von Michael Schumacher, der seinen Renn-Overal quadratzentimeterweise verkauft, Sticker für Sticker an rund ein Dutzend Firmen.
Und gaben sich Darstellerinnen wie Conny Froboess und Nadja Tiller für ihre Dienste früher noch mit einer monatlichen Schmuckpackung Seife zufrieden, so ist die Werbung für Protagonisten wie Verona Feldbusch (siehe Seite 78) inzwischen zur Haupteinnahmequelle geworden.
Von den rund 66 Milliarden Mark, die Unternehmen im vergangenen Jahr in die Werbung pumpten, landeten nach Branchenschätzungen bereits 4 Milliarden in den Taschen mehr oder weniger berühmter Hauptdarsteller. Bis zu 15 Prozent der Kampagnenkosten streichen sie ein. Kein Wunder, dass bei vielen die letzten Hemmungen fallen.
Allein Franz Beckenbauer, der in den siebziger Jahren noch für eher bescheidene Bezüge den Selbsthaarschneider »Hairmatic« anpries, macht durch seine Verträge mit E-Plus, Erdinger, Adidas und Yello-Strom mittlerweile rund acht Millionen Mark im Jahr. In ähnlichen Sphären schweben Gottschalk (Haribo, Deutsche Post), Boris Becker (AOL, Mercedes, Nutella) und Harald Schmidt. Der Late-Night-Talker wirbt momentan für eine Kaufhauskette mit einem Kalauer, der in seiner Show keine Chance hätte: »Immer Kaufregung bei Karstadt.«
Viel intelligenter sind indes auch die meisten anderen Kampagnen nicht. Meist bleibt es heute bei möglichst viel Atmosphäre und möglichst wenig verbalen Überzeugungsversuchen - was bei dem viel gebuchten Formel-1-Mann Häkkinen schon an den Deutschkenntnissen liegt, aber auch für Muttersprachler gefahrloser ist. Das kann jeder nachvollziehen, der schon einmal Michael Schumachers Shampoo-Statement gehört hat: »Weil isch es mir wert bin.«
Bei der Celebrity-Werbung gehe es »um Geld statt um Hirn«, kritisiert denn auch der bekannte Londoner Kreative Dave Trott: »Werbung mit Promis wird aus Denkfaulheit gemacht.«
Für die Firmen können sich die teuren Werbeträger dennoch lohnen: Sie setzen in Zeiten der Info-Flut, in denen Aufmerksamkeit ein immer knapperes Gut wird, voll auf den Bekanntheitsbonus. Wenn es gut läuft für das Unternehmen, dann wecken ihre prominenten Protagonisten sogar Medieninteresse, und ihre Produktbotschaften rutschen mitsamt den Promis in die bunten Spalten der Boulevardpresse. Läuft es ideal, dann läuft es wie bei den AOL-Spots mit Boris Becker - deren Slogan »Ich bin drin« hat es zum geflügelten Wort gebracht.
Es scheint für viele Unternehmen ganz gut zu laufen. Die Gesellschaft für Konsumforschung kam schon 1999 zu dem Schluss: »Noch nie war Promi-Werbung so wirksam wie heute.« Und Joachim Justus Schneider, Marketing-Direktor bei DaimlerChrysler, weiß: »Werbung mit Tieren und Prominenten erzielt die höchste Aufmerksamkeit.«
Die Frage ist nur, wem der Boom mehr nutzt: den Prominenten oder den Produkten? Branchenexperten sind sich einig: Die größte Gefahr der Reklamegattung besteht darin, dass die beworbenen Artikel im Schlagschatten der glamourösen Hauptdarsteller verschwinden und die Firmen mit ihren Werbegeldern am Ende nur den Stars zu noch mehr Ruhm verhelfen.
Zuallererst bedürfe es einer kreativen Idee, sagt Holger Jung, einer der Gründer der Hamburger Agentur Jung von Matt: »Sonst bringt das teuerste Testimonial nichts.« Auch sollten Werbefigur und Beworbenes einigermaßen zueinander passen. »Es muss schon denkbar sein, dass sich der Werbende für das Produkt interessiert.«
Als ausgerechnet John Wayne einst für Schmerzmittel warb, gab es daran starke Zweifel - die Mission blieb erfolglos. Auch Franziska van Almsicks Engagement für Thermofenster überzeugte nicht wirklich.
Manchmal hapert es zudem an der Umsetzung. So wünschen mitfühlende Menschen auch dem Talkshow-Moderator Oliver Geißen keinen Schuh ins Gesicht wie in einer Reklame für Discount-Schlappen.
Und als Iris Berben für Premiere auf einen Hocker kletterte, starrten die meisten nur auf ihren Slip statt auf die Botschaft des Pay-TV-Kanals - die erhoffte Explosion der Abonnentenzahlen blieb aus.
Totale Fehlbesetzungen gelten heute als vermeidbar, zumal Vorstände »ihre« Prominenten nur noch in seltenen Fällen danach auswählen, mit wem sie gern mal essen gehen würden. Mit dem Boom der Promi-Werbung hat sich auch das Auswahlverfahren professionalisiert. Längst beschäftigen sich spezialisierte Agenturen im Firmenauftrag bis ins Detail mit der Frage, wer zu wem passt und warum.
So hat die Aschaffenburger Agentur Promikativ kürzlich Heiner Lauterbach und Heinz Hoenig für eine Bierfirma getestet, die Protagonisten für eine Kampagne zum Thema »Freundschaft« brauchte. Mit einer Marktforschungsmethode namens Semiometrie verglich die Agentur die Zielvorgaben der Brauerei mit den Umfragewerten der beiden Schauspieler. Das Ergebnis war positiv, was bei den bekannten Kumpels Lauterbach und Hoenig indes kaum überrascht.
Dass Claudia Schiffer sich als Werbefläche für Luxusgüter anbietet, wie die Imas ermittelt hat, und Gottschalk eher »für Produkte, die kein Anschaffungsrisiko beinhalten«, auch dafür braucht man eigentlich kein spezielles Imas-»Promimeter«.
Die Post löste das Dilemma und buchte für ihren Börsengang im vergangenen Jahr den Gottschalk-Doppelpack. Thomas wegen seiner Sympathiewerte und seinen Business-kompatiblen, aber bis dahin weithin unbekannten Bruder Christoph für die nötige Prise Seriosität. Der Clown und die Cash-Kompetenz, ein Doppel, das offenbar funktionierte - die Aktien jedenfalls waren mehrfach überzeichnet.
Manchmal geht es trotz intensivster Marktforschung und tollster »Awareness-Analysen« auch richtig daneben. Denn anders als die Kunstfigur Robert T-Online haben auch Werbestars mal Feierabend und ein Privatleben - mit allen Risiken und Nebenwirkungen.
So war man bei Opel nicht amüsiert, als Franziska von Almsick in ein unschönes Blitzlichtgewitter geriet: privat, als Temposünderin - und vor allem in einem Wagen der Mercedes-Konkurrenz. Franzi war danach jedenfalls nicht mehr lange Opel-Werbepartner.
Auch der Energieriese RWE hatte sich seine Zusammenarbeit mit Christoph Daum irgendwie anders vorgestellt. Eineinhalb Monate nach dem Kampagnenstart gab es die ersten Kokaingerüchte um den einst gefeierten Fußballtrainer. Und die Biermarke Paulaner wirbt seit Walter Sedlmayrs gewaltsamem Tod und dessen posthumen Outing lieber ganz ohne Stars.
Heikel werden kann es auch für die Prominenten, wie vor allem der Telekom-Werber Manfred Krug erfahren hat. Seine Loblieder auf die Volksaktie haben viele Zuschauer nicht vergessen. Als der Aktienkurs in den Keller fiel, bekam Krug es mit aufgebrachten Kleinanlegern zu tun.
An einer Gruppe bekannter Persönlichkeiten ist der Boom der Promi-Werbung bislang vorbeigegangen: an den Politikern. Wenn überhaupt, lassen sich Polit-Rentner einspannen, etwa Hans-Dietrich Genscher für die Bahn. Die wenigen aktiven Ausnahmen wie Guido Westerwelle (Toshiba) und Jürgen Rüttgers (Deutsche BA) spenden ihre Honorare.
Promikativ-Chef und Promi-Tester Andreas Böhling rechnet nicht mit einer baldigen Aufholbewegung: »Politiker sind viel zu unglaubwürdig.« MARCEL ROSENBACH