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SÜDAFRIKA / STUDENTEN Weiß gegen Weiß

aus DER SPIEGEL 52/1968

An den Wänden hingen Hinweistafeln: »Bitte Aschenbecher benutzen« und »Füße nicht auf den Tisch legen«. Auf dem Fußboden inszenierten 1200 Studenten der Universität Kapstadt das erste Sit-in Südafrikas.

Anlaß für den Studentenprotest: Südafrika-Premier Johannes Balthasar Vorster, 52, hatte die Professoren der Universität Kapstadt gezwungen, die Ernennung des Südafrikaners Archie Mafeje, 31, zum Dozenten für Sozialanthropologie rückgängig zu machen. Denn die Hautfarbe des Wissenschaftlers störte den rassistischen Premier Vorster: Mafeje ist Schwarzer.

»Die Regierung hat kein Recht«, erregte sich Kapstadts Studentenführer van der Merwe, »ihren widerwärtigen Rassismus in die Hochschule zu tragen.« Und John Kane-Berman, Studentenführer an der Johannesburger Universität, putschte seine Kommilitonen auf: »Die Studenten müssen aufstehen und kämpfen!«

Der Kampf der Studenten richtet sich gegen die weiße Minderheitsregierung Vorster, die unbeeindruckt von weltweiten Protesten ihre Rassentrennungspolitik ("Apartheid") betreibt und die farbige Mehrheit Südafrikas -- 14,8 Millionen Schwarze, Mischlinge und Inder gegenüber 3,4 Millionen Weißen -- unterdrückt.

Eine wirkungsvolle parlamentarische Opposition gegen die Apartheid-Fanatiker gibt es nicht. Die Opposition steht auch im Südzipfel Afrikas außerhalb des Parlaments -- vor allem in der »National Union of South African Students« (Nusas), der rund 20 000 englischsprachige weiße und farbige Studenten angehören.

Im Gegensatz zum regierungsfrommen »Afrikaanse Studentenbond« (28 000 afrikaanssprechende Mitglieder) beschränken sich die Nusas-Führer nicht darauf, ihren Mitgliedern günstige Ferienreisen und billige Einkaufsmöglichkeiten zu vermitteln -- sie kämpfen, so heißt es in Nusas-Beschlüssen, gegen die »zunehmende Verletzung der Menschenrechte« und gegen die »himmelschreiende Heuchelei« in Vorsters Reich.

Sie agieren mit den gleichen Mitteln wie ihre Apo-Kollegen in Europa und Amerika: mit scharfzüngigen Appellen, Flugblättern, Protestmärschen, Sit-ins und Teach-ins.

Doch anders als bei den europäischen und amerikanischen Protestlern ist ihr Motiv nicht »irgendein schlecht artikuliertes Unbehagen an der modernen technologischen Gesellschaft, sondern eine äußerst heftige moralische Abneigung gegenüber einem sehr augenfälligen Übel« ("The Guardian").

Das Übel heißt Apartheid -- getrennte Entwicklung, Diskriminierung der schwarzen Mehrheit. Selbst die Universitäten sind nach Hautfarbe und Sprache der Studenten getrennt: Neben elf englisch- und afrikaanssprachigen Hochschulen für Weiße -- Farbige werden nur mit Sondergenehmigung zugelassen -- gibt es insgesamt fünf Universitäten für »Afrikaner«, »Farbige« und »Asiaten«.

Aber während an den weißen Universitäten etwa 65 000 Studenten eingeschrieben sind, studieren an den übrigen Hochschulen Südafrikas nur rund 3300. Weniger als 2000 farbige Südafrikaner besuchen gegenwärtig Schulen, die zur Universität führen.

Da Vorsters Apartheid-Apostel offensichtlich nicht bereit sind, diesen Bildungsrückstand der Schwarzen zu verkürzen, gründeten die Nusas-Studenten 1959 ein »South African Committee for Higher Education« (Sached). Sached gibt Stipendien an schwarze Südafrikaner, damit sie per Fernkurs die Hochschulreife erlangen können. Das Geld kommt aus Skandinavien.

Ein Nusas-Stipendienfonds gewährt außerdem finanzielle Unterstützung an schwarze und weiße Studenten, die aus politischen Gründen Südafrika verlassen mußten. Zu den Geldgebern gehören südafrikanische Industrielle.

Ihre Hilfsaktionen und Proteste bringen die Studenten freilich in Gefahr, hinter Gitter zu kommen, ausgewiesen oder in ihrer Bewegungsfreiheit radikal eingeschränkt zu werden.

Denn Vorster, der eine Abordnung von Nusas-Studenten »rot-angehauchte Liberale« schimpfte und Nusas eine »abscheuliche Organisation« nennt, wendet mit Ausnahme des Verbots alle Machtmittel seines Polizeistaats gegen die Nusas-Führer an:

* Ian Robertson, den Präsidenten von 1966, strafte die Regierung mit einer Bannverfügung; er hatte den spektakulären Südafrika-Besuch Robert Kennedys in die Wege geleitet.

* John Sprack, Präsident von 1967, wurde aus Südafrika ausgewiesen.

* John Daniel, Nachfolger von Sprack, erhielt keinen Paß. Er durfte zwar im Juli ausreisen, aber nicht zurückkehren. Die Staatsbürgerschaft wurde ihm inzwischen aberkannt. Jedesmal weigerte sich die Regierung, ihre Entscheidung zu begründen.

Die Regierung versuchte auch, den im Juli gewählten Nusas-Vorsitzenden Duncan Innes, 23, und seinen Stellvertreter Andy Murray, 21, einzuschüchtern. Innes: Die Regierung fürchtet »nichts mehr als Proteste, die die Apartheid-Lügen zerschmettern«.

Innes beantragte im August einen Paß für eine Reise nach Israel und England. Am 1. November erhielt er die amtliche, drei Schreibmaschinenzeilen kurze Mitteilung: »Ihrem Antrag kann nicht entsprochen werden.« Ein Grund wurde nicht genannt.

Murray, Rhodesier mit britischem Paß, erhielt seinen blauen Brief einen Tag später: Er muß Südafrika bis zum 4. Dezember 1968 verlassen. Einen Grund erfuhr auch er nicht.

Insgesamt hatten in den letzten zwei Monaten 60 schwarze und weiße Studenten Schwierigkeiten mit Sicherheitspolizisten und Verwaltungsbeamten.

Den Deutschen Horst Kleinschmidt, Student in Johannesburg, wollte die Sicherheitspolizei gar zu Spitzeldiensten anheuern. Kleinschmidt lehnte ab und meldete die Annäherungsversuche der Vorster-Leute dem Studentenausschuß.

Nusas-Präsident Duncan Innes läßt sich jedoch von der Aktivität der Vorster-Gefolgsleute nicht beeindrucken. Trotz der Drohungen des Premiers ("Es gibt eine Grenze, die nicht überschritten werden darf") klagte er Mitte November das Regime öffentlich an, es betreibe gegenwärtig die bisher »größte und intensivste Hexenjagd« auf Studenten. Innes will weitere studentische Protest-Aktionen veranstalten -- »wenn das möglich ist«.

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