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AFRIKA / KOLONIALISMUS Weiße Wut

aus DER SPIEGEL 14/1961

Seit Wochen bläst den hartbedrängten Nachhuten des weißen Kolonialismus in Afrika ein neuer Sturm ins Gesicht. Der »Wind der Änderung«, wie ihn Englands Harold Macmillan nennt,

kommt diesmal aus einer Himmelsrichtung von der Briten, Franzosen und Portugiesen, spanische Kolonialverwalter, rhodesische Siedler und burische Rassentrenner nur die linden Frühlingslüfte verständnisvoller Wettermacher gewohnt waren: aus dem verbündeten Amerika.

Zug um Zug macht der neue US-Präsident John Kennedy wahr, was er im amerikanischen Wahlkampf angekündigt hat: »Wir müssen uns mit der steigenden Flut des (farbigen) Nationalismus verbinden, dieser mächtigsten Kraft der modernen Welt.«

Seine ersten Kontaktbemühungen waren offensichtlich derart stürmisch, daß sich nun die Weißen zwischen Kapstadt und Madrid unter antiamerikanischen Parolen zum letzten Gefecht sammeln:

- Ende Februar tadelten britische Unterhausabgeordnete den Unterstaatssekretär im US-Außenamt Gerhard Mennen Williams, der auf einer Reise durch den Schwarzen Kontinent verkündet hatte, Afrika dürfe nur den Afrikanern gehören.

- Kurz darauf demonstrierten britische Siedler in der nordrhodesischen Hauptstadt Lusaka gegen »die amerikanische Einmischung in Afrika«.

- Mitte März erklärte sich der spanische Außenminister Castiella mit der von Washington attackierten Kolonialpolitik Portugals solidarisch und kritisierte die »Bereitschaft zum Entgegenkommen bei denjenigen, die alle Ursache hätten, wachsam zu bleiben«.

- Wenige Tage später rief eine südafrikanische Organisation zum Boykott amerikanischer Waren auf, weil der US-Botschafter in Pretoria mit den geächteten Führern der Neger-Opposition verhandelt hatte.

In der vorletzten Woche riefen auch die Regierung Südafrikas und die iberischen Diktatoren zur Sammlung. Während südafrikanische Diplomaten für einen Zusammenschluß ihres Landes mit der Zentralafrikanischen Föderation und

den portugiesischen Kolonien im Süden Afrikas warben, schickte Spaniens Caudillo Franco seinen Außenminister Castiella nach Lissabon, um gemeinsame Aktionen der von afrikanischen Nationalisten bedrohten Kolonialmächte Portugal und Spanien zu verabreden.

»Gegenüber der farbigen Aggression«, polterte das Madrider Falange-Organ »Arriba« gen Washington, »wird Spanien sich nicht auf Verhandlungen einlassen. Es wird dieses Spiel nicht mitmachen.«

US-Verbündete Salazar (l.), Franco: Einheitsfront gegen Kennedy

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