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Wenn geschlagen wird, gibt's 2 Tote

aus DER SPIEGEL 29/1949

Guten Freunden, die die Gattin von Mussolini-Befreier Otto Skorzeny auf Pressemeldungen hin anzapften, ob sie tatsächlich ein Ausreisevisum nach Argentinien beantragt habe, antwortet Emmi Skorzeny lächelnd: »Fragt's nur selber bei den Behörden.«

Die vergrämten Gemeindeschreiber des oberösterreichischen Frankingen bestätigen, »daß hierorts ein solcher Antrag nicht gestellt wurde«. Der Skorzeny sei auch wohl imstande, Weib und Kind ohne Beachtung der einschlägigen Paß- und Visavorschriften ans Ende der Welt zu holen.

Wo der 196 Zentimeter lange Dipl.-Ing., SS-Obersturmbannführer a. D. und Eichenlaubträger nun wirklich steckt, wissen nur wenige, und die halten dicht. Pressemeldungen zufolge ist er als Spezialist für Spionage, Sabotage und Aktionen hinter den Linien des Gegners in Argentinien aufgetaucht.

Ein Spanien-Heimkehrer gab jüngst zu Protokoll der Darmstädter Spruchkammer, er habe mit dem immer noch nicht entnazifizierten Skorzeny in Madrid gemeinsam diniert. Gleichzeitig meldete eine argentinische Zeitung, ein Mann, der sich als Skorzeny ausgegeben habe, sei als Hochstapler entlarvt worden.

Ganz gleich wo er sitzt: Otto Skorzeny wird am 12. Juni seinen 41. Geburtstag mit trunkfesten Genossen bei vollen Gläsern verbracht haben. Denn schon als Absolvent der technischen Hochschulen in Wien und Graz war er den Kneipwirten der Burschenschaft »Wiener Markommannen« außer durch seine Vorliebe für stundenlange Trainingsmensuren und seinen Mangel an Musikalität auch als handfester Säufer bekannt.

Der väterliche Monatswechsel war groß genug, daß Otto Skorzeny als Student und Praktikant in Köln-Deutz, bei der Linzer Straßenbahn und bei einer Wiener Autowerkstatt seinen Passionen als Motor-, Beiwagenkrad- und Autorennfahrer nachgehen konnte. An seinem jeweiligen Rennfahrzeug klebten fünf Goldmedaillen, als der Favorit des Wiener Touring-Clubs nach dem großdeutschen Anschluß 1938 als SS-Staffelhauptscharführer in die motorisierte SS übernommen wurde.

Der Anschluß ließ den 30er Pg. Otto Skorzeny zum erstenmal aktiv in die höhere Politik eingreifen: er sei von seinem Turnobmann Groß aufgefordert worden, zum Palais des Bundespräsidenten Miklas zu fahren. Nach dorthin sei gerade die SA auf dem Marsch, und es seien Auseinandersetzungen zwischen der SA und dem Garde-Bataillon des Bundesheeres zu befürchten. Er habe zwischen beiden Gruppen vermittelt, Blutvergießen verhindert und den Schutz des Bundespräsidenten übernommen. Das ist Skorzenys Version nach den Darmstädter Protokollen.

Miklas dagegen erklärte eidesstattlich in Nürnberg, der SS-Führer Skorzeny habe ihn verhaftet, und er habe sich in seiner Gegenwart keineswegs sicher gefühlt.

Tanzstundenfreunde. 1939 wird Skorzeny zur Luftwaffe eingezogen, 1940 zur Waffen-SS überstellt, im April 1943 als Obersturmführer ins Amt VI (Auslandsnachrichtendienst) des Reichssicherheitshauptamtes kommandiert. Dort saß bereits SS-Obersturmführer Karl Radl (aus der Grenzpolizei kommend), den Skorzeny von gemeinsamer Tanzstunde her kannte.

Skorzeny und Radl blieben zusammen. Die beiden SS-Obersturmführer bauten gemeinsam eine Spionage-Sabotage-Agentenschule auf, Chef wurde der zum Hauptsturmführer beförderte Skorzeny. Radl blieb als Obersturmführer Adjutant.

Skorzenys »Erfolge«, sein Ruhm, immer glänzend und glücklich zu improvisieren, eine große Sache instinktsicher vorzubereiten, sind mindestens zur Hälfte die Verdienste Radls, der geschickt und erfahren die Pläne ausfeilte, die richtigen Leute an den richtigen Platz bugsierte und aus dem Skorzeny-Hauptquartier im märkischen Schloß Friedenthal seine Drähte zog, auch dorthin, wohin feldgraue Landser niemals ihre Kommißstiefel setzten.

Am 25. Juli 1943 ließ Badoglio seinen Duce verhaften. Am 26. Juli wurde Skorzeny unerwartet ins Führerhauptquartier gerufen.

Die Makkaroni san anbrennt. So sagte der Oberscharführer, der den Befehl überbrachte. Außer Skorzeny müssen sich vier andere Offiziere melden. Hitler fragt jeden nach seiner Einstellung zu Italien. Vier stammeln etwas von Achsenkameradschaft. Skorzeny: »I bin halt Ostmärker.« Hitler kennt die Aversion seiner Landsleute gegen die »Katzelmacher«, schickt die anderen fort und erteilt SS-Hauptsturmführer Skorzeny den Mussolini-Auftrag.

Zwei Monate lang wird gefahndet und geforscht. Dann kann Skorzeny seinem Führer melden: »Der Duce wird in einer römischen Karabinieri-Kaserne gefangen gehalten.« Die Meldung ist bald überholt: »Mussolini in einem Kriegsschiff auf die Sträflingsinsel Ponza im Golf von Gaeta abgeführt.« Bald darauf: »Neue Verlegung nach Isola Maddalena nördlich Sardinien«, und endlich die neueste, noch nicht bestätigte Version: »Mussolini im Wintersporthotel auf dem Gran Sasso.«

Nur sechs Mitarbeiter werden eingeweiht. Der ursprüngliche Plan, mit Fallschirmen abzuspringen, ist in den zerklüfteten Abruzzen nicht durchzuführen. Aber nach den undeutlichen Luftbildern und Agentenmeldungen sollen rings um das Hotel steile Wiesenhänge sein. Eine Karte des Gran-Sasso-Geländes gibt es nicht. Zur Orientierung muß der Touristenprospekt eines ausländischen Reisebüros dienen. Dort steht etwas von Uebungsmöglichkeiten für Ski-Anfänger. Auf einem sanften Idiotenhügel, meinen passionierte Skiläufer, müsse man auch mit Segelflugzeugen landen können.

Am 12. September 1944 werden um 14 Uhr zwölf Lastensegler - zwei mit Skorzeny-Schülern und zehn mit Fallschirmjägern - vom römischen Flugplatz Pratica di Mare hochgeschleppt.

Skorzeny und Radl landen als erste. »Der Dicke stand oben am Fenster und winkte,« grient der heute fast duceformatige Radl. »Nun wußten wir erst, daß wir Mussolini tatsächlich gefunden hatten. Wir hatten Maschinenpistolen und Handgranaten. Aber die wären nicht nötig gewesen, denn die dreihundert Carabinieri-Wachen hielten ihr Mittagsschläfchen. Es gab keinen Widerstand und kein Blutvergießen. Wir sind gar nicht so: Es ging alles sehr human zu.« Die ganze Aktion machten 17 Skorzeny-Leute und ebenso viele Fallschirmmänner.

Die anderen Maschinen seien erst gelandet, als der Rummel vorüber war. Ein Segler mußte notlanden und ein anderer stürzte ab, aber kein Mann kam ums Leben. Im ganzen landeten 96 Mann.

An der Talstation der Gran-Sasso-Drahtseilbahn war inzwischen Major Mors vom Fallschirmjäger-Lehrbataillon eingetroffen und hatte nach schaukelnder Fahrt Gelegenheit, dem Duce vorgestellt zu werden. PK-Leutnant Kayser kam endlich zu seiner historischen Aufnahme und knipste gleich noch Seilbahnfahrer Mors als Befreier des Gran-Sasso-Insassen.

Inzwischen war Hauptmann Gerlach im Fieseler Storch gelandet, um Duce und Befreier Skorzeny nach Rom zu bringen. Dort wartet eine Kuriermaschine des Führerhauptquartiers. Gerlach glaubte warnen zu müssen, da der Storch nur auf zwei Personen geeicht sei und sowohl Benito als auch Otto Doppelgewicht hätten. Beide wollten aber gern zu ihrem Führer. So versuchte Gerlach den Storch auf einer Steilwiese starten zu lassen.

»Mir wurden die Knie weich«, erinnert sich Radl, »als der Storch nach kurzem Anrollen über eine Wasserrinne stolperte und dann über den rechten Flügel in einen Abgrund stürzte. Da habe ich die Augen zugemacht und mich erst einmal auf den Koffer gesetzt, den mir Benito zur Weiterbeförderung anvertraut hatte. Als ich die Augen wieder auftat, schnurrte der Storch beruhigend langsam in Richtung Rom. Gerlach hatte ihn noch einmal aufgefangen.«

Nicky-Maus. Mitte September 1944 liefen beunruhigende Meldungen über die kriegsmüde Haltung der ungarischen Regierung im Führerhauptquartier ein. Die Lage wurde bedrohlich, weil sich gerade eine Heeresgruppe mit 600000 Mann und offener rechter Flanke auf dem Fußmarsch von Griechenland nach Kroatien befand.

Als Horthys jüngster Sohn Niklas*) (der älteste Sohn stürzte - angeblich betrunken - tödlich mit einem Flugzeug ab und wurde von Hitler nachträglich mit dem Ritterkreuz dekoriert) im Auftrag des Vaters mit Tito-Agenten wegen eines Waffenstillstandes verhandelte, bekam Skorzeny den Befehl, Budapest zu nehmen und zu sichern.

Horthy jun., der ungarische Donauadmiral Bornemisza und seine titoistischen Verhandlungspartner wurden am 15. Oktober von deutschen Sicherheitspolizeibeamten ausgehoben. Bei einem Schlagring-Schlagwechsel zwischen den Sipo-Männern und der im Nebenhaus postierten Honved-Wachkompanie gab es zerfetzte Gesichter und ausgespuckte Zahnreihen. Horthy jun. wurde blutüberströmt und bewußtlos in einen Teppich eingerollt und per Lkw zum Flugplatz Buda-Oers transportiert. Später tauchte er im KZ Mauthausen auf, wo ihn die Amerikaner befreiten.

*) Niklas-Nicky war in Skorzenys Hauptquartier durch einen Hörfehler in Micky umgetauft worden. So kam via Micky-Maus das Aktionsstichwort zustande. In Dachau wurde später ein Leutnant Maus monatelang verhört, weil man ihn für den Leiter des Unternehmens hielt. Die Honvedwache mußte sich erst selbst herausschaufeln. Ein Panzerfaust-Schlag hatte den Hauseingang verschüttet. Das Unternehmen »Maus« war beendet.

Jawoll. Bei Skorzenys Heimkehr ins Reich hatte der Wehrmachtführungsstab dem runden Radl den nächsten Sonderauftrag bereits zugestellt.

Im Rahmen der Ardennenoffensive sollten zwei gepanzerte Gruppen, mit amerikanischen Waffen und Panzern ausgerüstet und mit amerikanischen Uniformen über deutschem Feldgrau, möglichst an der Spitze des fliehenden Gegners zurückfluten, die Maasbrücken besetzen, dort die amerikanischen Uniformen abwerfen, die Brücken für die Amerikaner sperren und die Brückenköpfe so lange halten, bis das deutsche Gros aufgeschlossen und die Vernichtung der abgeschnittenen amerikanischen Einheiten abgeschlossen sei.

Gleichzeitig sollten einzelne Jeep-Besatzungen (à vier Mann) in amerikanischen Uniformen hinter dem Rücken des Gegners Wegweiser umnageln, Truppenverbände durch falsche Befehle umdirigieren, überall Verwirrung, Kopflosigkeit und Durcheinander stiften.

Karl Radl will es beschwören und hat es mehrfach zu Protokoll gegeben, daß ein Plan, Eisenhower zu ermorden, niemals bestanden habe. Ike ist dieser Gerüchte wegen drei Wochen lang wie ein Schwerverbrecher bewacht und in seinem eigenen Hauptquartier isoliert worden. Ein Ike-Double mußte täglich im Marschall-Wagen nach Paris fahren.

Die Vorbereitungen zum letzten großen Unternehmen Skorzeny dauerten wochenlang. Auf dem streng isolierten Tuppenübungsplatz Grafenwöhr versuchte SS-Obersturmbannführer Hardeck aus dreitausend Freiwilligen tausend geeignete herauszufischen, ihnen kommissige Zackigkeit ab- und amerikanische Lässigkeit, GI-Slang, Niggersongs, Soldatenflüche und alle möglichen Details anzugewöhnen. Vom GI-gerechten Oeffnen einer Camelschachtel bis zum Ausspucken eines Chewing-Gums.

Nur ein Drittel war geeignet. Die anderen sprachen zwar »perfectely well«, waren aber nach preußischer Kommißerziehung nicht mehr brauchbar. Sie konnten sich das Jawoll-sagen nicht abgewöhnen.

Am 16. Dezember 1944 startete der Angriff. General Wetter war auf der anderen Seite. In den verschlammten und zerwühlten Wegen der Ardennen kamen Panzer und Geschütze nur langsam vorwärts. Das erste Tagesziel, die Ueberschreitung des »Hohen Venn«, wurde nicht erreicht. Am 22. Dezember wurde Skorzeny zurückgepfiffen und auf den Truppenübungsplatz Wahn verlegt.

Nur vier Jeep-Teams waren durchgebrochen und machten einigen Wirbel. Marineoberfähnrich Billing, dessen Team die größte Verwirung gestiftet hatte, wurde erwischt und erschossen.

Als Feldmarschall Model seinem Obersten Befehlshaber meldete, daß die »Rundstedt-Offensive« zusammengebrochen sei, hatten Skorzenys tausend Mann ihre Bereitstellung gar nicht verlassen. Die Hardeck-Gruppe wurde aufgelöst.

Apfelbaum. Trotzdem kam Skorzeny noch einmal zu einer Serie von Sondermeldungen. Mit 700 Mann bezog er den letzten Oderbrückenkopf südlich Stettin und hielt das Oderstädtchen Schwedt über einen Monat gegen die mit Hurrä-Gebrüll und T 34-Brigaden stürmenden Rotarmisten. Als die Oderfront zerbrach, hatte er seinen Obersturmbannführerstern auf den Silberraupen und das Eichenlaub am Ritterkreuz.

»Der gefährlichste Mann Europas«, wie ihn die US-Zeitschrift »Argosy« feierte, ließ den Kreisleiter von Königsberg-Neumark an einen Apfelbaum hängen und durch eine Papptafel-Inschrift weitere Maßnahmen zur Frontversteifung ankündigen.

Im April 1945 schickte ihn Hitler in die »Alpenfestung«, um dort die letzte großdeutsche Igelstellung sturmsicher machen zu lassen. Als es Skorzeny und seinen letzten Mitverschworenen in der Skihütte auf der Bischofsmütze des Dachsteingebirges zu dumm wurde, zogen am 15. Mai 1945 Chef, Adjutant, Ia und Dolmetscher zur Stabswache des 5. US-Regiments in Salzburg und begannen ihre Rundreise durch 53 Gefängnisse, Vernehmungs- und Internierungslager.

Die Behandlung sei unterschiedlich gewesen, sagt Skorzenys Mund Karli Radl. »Natürli war d' Uhr glei furt und dann ham s« uns gfesselt. Geschimpft ham's ganz sakrisch, aber gschlagn ham's net. Der Lange hat glei gesagt: Wann gschlagn wird, gibt's zwei Tote. Einer der bin vielleicht i. Der andere is bestimmt der, wo zuhaut.«

Zweieinviertel Jahre war der Löwe vom Gran Sasso hinter den Stacheldraht-Zäunen auf- und abgetigert, als der Prozeß gegen die Ardennenstürmer wegen Verletzung der Kriegsregeln eröffnet wurde. Von den 10 Angeklagten lernten Skorzeny und Radl sieben erst bei der Aushändigung der Anklageschrift kennen.

Der Freispruch kam dann im September für alle Angeklagten. Auch der Anklagepunkt Nr. 1 »Verschwörung, gemeinsam Kriegsverbrechen zu begehen«, ließ sich nicht aufrechterhalten. Alle Angeklagten wurden entlassen. Bis auf den Langen und den Dicken.

Für beide kam die Entlassung aus der amerikanischen Haft erst im März 1948. Nicht aber die Freilassung: die US-Gerichtsbehörde überstellte beide an das Internierungs- und Arbeitslager Darmstadt und damit an die deutsche Spruchbehörde, deren Urteilsspruch sich die beiden staatsrechtlich als »befreite Ausländer« geltenden Oesterreicher freiwillig unterwerfen wollten, um nicht via DP-Lager in österreichische Gefängnisse abgeschoben zu werden.

Ueber den Zaun. »Wir hofften auf einen schnellen Termin. Aber der kam nicht. Sechsmal wurde er verschoben. Endlich war es dem Langen zu dumm und am 26. Juli ging er über den Zaun.«

Am 29. September türmte auch Radl. Nicht ohne einen Brief »an den Herrn Schutzhaft-Lagerführer Kosmetschke« (Luftwaffen-Oberst a. D. und Pg.) zu hinterlassen. »Da Sie eine Reihe von gesetz- und verfassungswidrigen Maßnahmen (Einzelhaft und Postbeschränkung ohne Verfahren und Verurteilung) gegen mich angeordnet bzw. geduldet haben, habe ich mich heute aus dem Lager entfernt. Sie werden später wieder von mir hören.«

In einem 22-Seiten-Erfahrungsbericht führte Radl über 80 Korruptions- und Bestechungsfälle seiner Lagerzeit an und beschuldigte einen hohen Spruchkammerbeamten, V-Mann der Wiesbadener Gestapo gewesen zu sein.

Monatelang wurde nach Skorzeny und Radl gefahndet. Entlassene Darmstadt-Internierte berichteten, es sei gar nicht so schwer gewesen, »durch den Zaun zu gehen«. Gegen entsprechende Zuwendungen an Spruchkammer-Beamte oder an die »Partisanen« genannten Wachmannschaften habe man »schwarzen Urlaub« bekommen. Manchmal seien 280 Internierte »außerhalb« gewesen.

Steckbriefe klebten an allen Wänden. Otto Skorzeny blieb verschwunden. Gerüchte wußten vom Auftreten des Adjutanten in Schwarzhändlerkreisen.

Der war inzwischen, ohne etwas von seinen 90 kg eingebüßt zu haben, in freundlicher Gesellschaft zum Skilaufen gefahren. Sein Pech war es, von einem Münchener Fahrkartenkontrolleur mit einer ungültigen Fahrkarte erwischt zu werden. Nach heftigem Wortwechsel war er ihm dann, im Bewußtsein, durch einen falschen Ausweis bestens legitimiert zu sein, in die Bahnhofswache gefolgt, wo ihm sein eigener Steckbrief von der Wand entgegenlachte.

Ein anwesender Kripo-Beamter stellte »die auffallende Aehnlichkeit mit dem pp. Radl« fest und nahm ihn vorsichtshalber zur eingehenden Identifizierung mit auf seine Dienststelle. Vorsichtshalber unter stärkerer Bedeckung.

So landete Karl Radl wieder in Darmstadt. »Aus Sicherheitsgründen« bekam er erst einmal 28 Tage Einzelhaft.

An Huhn. Als die ihrem Ende zugingen, schrieb der erste öffentliche Kläger Huhn am 4. April »An den Präsidenten der Berufungskammer Darmstadt, im Hause. Betr. Karl Radl. Antrag auf Ueberführung des Betroffenen in das Amtsgerichtsgefängnis Darmstadt. Unter Bezugnahme auf Artikel 40 des Befreiungsgesetzes beantrage ich, den Betroffenen Radl nach Verbüßung seiner gegenwärtigen Haftstrafe unverzüglich in das Amtsgerichtsgefängnis Darmstadt zu überführen.

Der allgemeine Zustand der Unsicherheit und Korruption im Lager, sowie die Possen des Betroffenen und die Art und Weise, wie seine Flucht in der Oeffentlichkeit aufgenommen wurde, lassen es für richtig erscheinen, die Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Das zu erwartende Strafmaß und die besonderen Umstände des Betroffenen rechtfertigen ebenfalls diese Maßnahme.«

Die Vorschläge Huhns brauchten nicht mehr berücksichtigt zu werden. Der Betroffene Radl wurde in dem alsbald folgenden Termin in Gruppe II eingestuft und zu zweieinhalb Jahren Arbeitslager verurteilt. Die gelten durch die Internierungshaft als verbüßt.

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