STAATSGÄSTE Wenn wir Glück haben
Als sich im vergangenen Sommer die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen in der drangvollen Enge des Bundeshauptstädtchens Bonn zum Weltwirtschaftsgipfel versammelten, mußten auch Sparsamkeits-Fanatiker einsehen: So ärmlich kann sich die größte Handeismacht der Welt ihren Gästen nicht länger darbieten.
Neidvoll dachten die Bonner Regenten angesichts des bisher größten Prominenten-Auftriebs daran, wie aufwendig Staatsbesucher anderswo einquartiert werden. In Sachen Repräsentation, klagte Bundeskanzler Helmut Schmidt, »sind wir wirklich arm dran«.
Nun soll die Zeit des Improvisierens ein Ende haben. Für knapp 17,5 Millionen Mark ging im vergangenen Monat das rund 100 Hektar große Gelände des Bonn-nahen Petersberges nebst gleichnamigem Grand-Hotel von der Kölner »4711«-Erbengemeinschaft in den Besitz des Bundes über.
Im Herbst 1983, hoffen die Planer, soll die vor zehn Jahren stillgelegte spätwilhelminische Bettenburg wiedereröffnet werden -- als Gästehaus der Bundesregierung, einladend und funktionell zugleich, Beispiel für die »Repräsentation des demokratischen Staates« (Schmidt).
Die Gutachter für den weiteren Ausbau der Bundeshauptstadt, allen voran der frühere hannoversche Stadtplaner Rudolf Hillebrecht, hätten zwar einen Neubau bevorzugt. Doch die vorhandenen Bonner Grundstücke erwiesen sich entweder als zu klein, zu wenig reizvoll gelegen oder zu spät verfügbar.
So sprach am Ende alles für das traditionsreiche Haus im Siebengebirge, wo sich einst der Briten-Premier Neville Chamberlain während der Sudeten-Krise 1938 auf seine Verhandlungen mit Hitler vorbereitete und wo, mit dem Petersberg-Abkommen von 1950, die Integration der jungen Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem begann.
Die wichtigsten Vorteile des Petersberg-Projektes:
>Das künftige Gästehaus, nur 15 Kilometer weit weg von Bonn, wird nach Fertigstellung der Rheintal-Autobahn problemlos zu erreichen sein -- anders als die 40 Kilometer entfernte und überdies zu kleine Staatsherberge Schloß Gymnich bei Köln;
* die landschaftliche Lage 300 Meter über dem Rhein ist im Bonner Raum einmalig. Als vorerst letzten Prominenten faszinierte der Ausblick auf den deutschen Strom den sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew, bei dessen erstem Staatsbesuch in der Bundesrepublik das einstige Prunkhotel 1973 noch einmal für eine halbe Million Mark entstaubt worden war;
* der steil aufragende Berg kann von den Grenzschutz-Bewachern gut gesichert werden und bleibt, außer bei Sicherheitsstufe 1, für die Öffentlichkeit zugänglich.
Solchen Argumenten mochten sich schließlich auch die Sparkommissare im Haushaltsausschuß des Bundestages nicht verschließen. Dann aber fingen die Probleme auch schon an.
Zwar ist das über 65 Jahre alte Haus, »das dutzendmal soviel Aura hat wie das braungrüne Bundeskanzleramt letzter Hand« ("Süddeutsche Zeitung"), nach Expertenansicht ein solides Bauwerk. Inwieweit es tatsächlich dem Zahn der Zeit standgehalten hat, wird sich freilich erst genau ermessen lassen, wenn die veraltete Installation herausgerissen wird.
Äußerlich bleibt das Hotel -- mit Ausnahme der hinfälligen Remise, die voraussichtlich einem Neubau weicht -- erhalten. Zur inneren Umgestaltung liegt derzeit nur ein Raumbedarfsprogramm vor. Nach den Vorstellungen des Auswärtigen Amtes sollen im Schlaftrakt eine große und zehn kleinere Suiten sowie 55 Gästezimmer für insgesamt 80 Personen entstehen. Im Repräsentationstrakt sind ein Empfangssaal für 400 Personen, ein Speisesaal für 200 Personen sowie eine Reihe kleinerer Räume für bis zu 40 Personen vorgesehen.
Zudem wünscht sich das AA einen Besprechungstrakt für internationale Zusammenkünfte wie Nato- oder EG-Gipfel. Den dort üblichen Aufmarsch von Berater- und Experten-Kolonnen möchte Kanzler Schmidt, der das Gespräch im kleinen Kreis vorzieht, allerdings begrenzen. Nach seinem Willen soll der große Konferenzsaal allenfalls hundert Personen Platz bieten -- die Hälfte dessen, was derzeit bei Nato-Konferenzen zusammenzuströmen pflegt.
Mit »seinem wachen Sinn für die Repräsentation des Staates« (ein AA-Beamter) nimmt Schmidt lebhaften Anteil an der Petersberg-Planung. Des Kanzlers Vorgabe für das künftige Gästehaus: »Kein Neubau hinter alten Fassaden, sondern Vorhandenes optimal nutzen«. Den Besuchern drinnen wie draußen soll so eine »Atmosphäre dar Geborgenheit und Entspannung« vermittelt werden.
Für die Planung des Umbaus (vorläufige Kosten inklusive Innenausstattung und Gartenarchitektur: knapp 54 Millionen Mark) sind fünf Architekten in Aussicht genommen. Bereits im Spätsommer sollen die alternativen Entwürfe vorliegen. Dann auch werden die Abgeordneten im Haushaltsausschuß nachprüfen können, ob den regierungsamtlichen Beteuerungen, statt Luxuriöses zeitlos Behagliches zu schaffen, getraut werden kann.
Schon warnt CDU-MdB Ab Hauser, Berichterstatter für das Petersberg-Projekt, lauthals vor »Prunk und Protz auf Kosten des Steuerzahlers«. Seine SPD-Kollegin Brigitte Traupe mag zwar in solche Unkenrufe nicht einstimmen, auch für sie aber »droht das Ganze zu perfektionistisch zu werden«.
Verhalten optimistisch angesichts »dieser einmaligen Aufgabe« äußert sich dagegen der Chef der Bundesbauverwaltung, Ministerialdirektor Erhard Weiss: »Vorbilder für das Projekt gibt es nicht. Wenn wir Glück haben, schaffen wir etwas Vorbildliches.«