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»WER BEZAHLT WIRD, SOLL NICHT FÜHREN«

aus DER SPIEGEL 13/1967

SPIEGEL: Herr Thielen, Sie haben immer wieder gesagt, in der NPD gehe alles stramm demokratisch und rechtsstaatlich zu. Und dann haben Sie plötzlich Ihren Stellvertreter Thadden und sieben weitere Funktionäre aus der Partei ausgeschlossen, weil diesen Herren nach Ihrer Meinung das Verständnis für Demokratie und Recht abgeht. War das nicht schon immer so?

TRIELEN: Die Frage ist in dieser Form nicht richtig gestellt. Es kommt doch wohl darauf an, daß diese Partei rechtsstaatlich handelt ...

SPIEGEL: ... auch innerparteilich ...

THIELEN: ... gerade intern rechtsstaatlich handelt.

SPIEGEL: Hat Thadden dagegen verstoßen?

THIELEN: Herr von Thadden hat seit einiger Zeit versucht, für sich und seine Freunde in der Partei immer mehr Einfluß zu gewinnen.

SPIEGEL: Seit wann?

THIELEN: Etwa seit einem Jahr.

SPIEGEL: Thaddens Freunde -- ist das die sogenannte DRP-Clique, die Leute aus der früheren Deutschen Reichspartei, denen nachgesagt wird, sie wollten die NPD beherrschen?

THIELEN: Es ist falsch, wenn man erklärt, die alte DRP habe versucht, die Macht in der NPD zu übernehmen. Es gibt eine große Zahl unter den früheren Resten der DRP, die sehr saubere, sehr anständige, sehr opferbereite Mitarbeiter sind.

SPIEGEL: In Frankfurt auf der letzten Vorstandssitzung der NPD hat man Sie »Volksschädling« genannt. Ist diese alte Vokabel aus Hitlers Zeit repräsentativ für eine politische Tendenz innerhalb der NPD?

THIELEN: Dieser üble Ausdruck aus der Vergangenheit trifft den, der ihn äußerte: den Hamburger NPD-Landesvorsitzenden, Herrn Schweimer. Darüber hinaus die Dinge so zu vereinfachen, hieße der Sache nicht gerecht werden. Schließlich hat jeder, der sich keines Verbrechens schuldig gemacht hat, das gute Recht, ja die Pflicht, in dieser Demokratie mitzuarbeiten.

SPIEGEL: Das ist nicht unsere Frage. Wir möchten wissen, ob die früheren Parteigenossen Hitlers -- Thadden nennt sie das »Lager der Nationalsozialisten in der NPD« -- Ihnen in der Parteiführung Schwierigkeiten gemacht, ob sie versucht haben, nationalsozialistische Politik zu treiben und nicht, wie Sie es nennen, nationaldemokratische Politik?

THIELEN: So etwas hat es nie gegeben.

SPIEGEL: Was paßte Ihnen denn nicht an Thadden?

THIELEN: Herr von Thadden hat sich bemüht, in der NPD einen für mich geradezu unerträglichen Einfluß zu gewinnen.

SPIEGEL: Ist es undemokratisch, wenn der einzelne Parteimann innerhalb seiner Partei Einfluß ausüben möchte?

THIELEN: Soweit die Toleranz mit derartigen Bemühungen gleichgeht und soweit dadurch die Arbeit und die Aussage nicht völlig gestört werden, mag es angehen.

SPIEGEL: Hat Thadden die Aussage gestört? in welchen konkreten politischen Punkten wich Thaddens Meinung von der Ihren ab?

THIELEN: Unsere politischen Meinungen gingen nicht sehr weit auseinander.

SPIEGEL: Wo genau steckt dann aber der Kern des Konflikts zwischen Ihnen und Thadden?

THIELEN: Ich habe Herrn von Thadden nahegelegt zu überlegen, daß er mittlerweile nicht nur Hauptschriftleiter (des NPD-Organs »Deutsche Nachrichten"), sondern auch Bundesgeschäftsführer und stellvertretender Bundesvorsitzender ist. Und daß es doch nicht gut sei, mit dem Landesvorsitz in Niedersachsen eine weitere Pflicht zu übernehmen, zumal seine Person die bäuerliche Bevölkerung Niedersachsens nicht anspreche. Außerdem spricht sich der Inhalt der Satzung der NPD gegen jede Ämterhäufung und übermäßige Machtkonzentration aus.

SPIEGEL: In gewachsenen demokratischen Parteien gibt es viel mehr Ämterhäufung als die drei Posten, die Sie bei Thadden aufzählen.

THIELEN: Die NPD soll eine neue Partei sein. In dieser Partei soll kein bezahlter Funktionär Einfluß auf die Politik ausüben.

SPIEGEL: Die bezahlten Funktionäre der NPD sind Parteimitglieder und haben, wie alle Mitglieder, auch das Recht, sich in Schlüsselpositionen der Partei wählen zu lassen.

THIELEN: Es darf aber unter keinen Umständen das eintreten, was bei allen anderen Parteien zu beobachten ist, daß die politische Linie von bezahlten Funktionären bestimmt wird.

SPIEGEL: Thadden hatte als ihr Stellvertreter die mit diesem Amt verbundene politische Macht ...

THIELEN: ... aber das hat sich leider nicht im Rahmen des Anstandes bewegt, sondern ich bin sehr oft getäuscht worden, mir ist sehr oft die Unwahrheit über Dinge innerhalb der Landesverbände gesagt worden.

SPIEGEL: Wann hat Thadden Sie getäuscht?

THIELEN: Herr von Thadden hatte mir versprochen, daß er sich nicht zum niedersächsischen Landesvorsitzenden wählen läßt. Aber er hat keinerlei Rücksicht auf die vor uns stehenden Landtagswahlen genommen, sondern hat mich praktisch mit der Tatsache erpressen wollen, daß er sich gegen das mir gegebene Versprechen, gegen jede politische Vernunft und dazu noch satzungswidrig wählen ließ und dabei glaubte, ich würde wegen der Wahlen gegen eine so geschaffene Tatsache nichts unternehmen können und damit diesen latenten Satzungs- und Rechtsbruch zulassen.

SPIEGEL: Inzwischen haben Sie mit dem Ausschluß Thaddens und dessen Folgen trotz der bevorstehenden Wahlen die Öffentlichkeit verwirrt, womöglich erfreut. Haben Sie diese Konsequenzen nicht vorausgesehen?

THIELEN: Ich bin fest überzeugt, daß Herr von Thadden einkalkuliert hatte, ich müßte mir seine Wahl zum Landesvorsitzenden in Niedersachsen gefallen lassen, weit wir eben vor den Wahlen stehen. Aber ich kann mich diesem Druck nicht unterwerfen. Ich habe die Rechtsstaatlichkeit allen Handelns der NPD zu sichern.

SPIEGEL: Hatten Sie damit gerechnet. daß der Bremer Landesvorstand und der Bundesvorstand Ihrer Partei Sie mattsetzen würden?

THIELEN: Ich glaube nicht, daß ich mattgesetzt worden bin, sondern daß hier wieder Beschlüsse gefaßt worden sind, die durch die Rechtsprechung bald für ungültig erklärt werden.

SPIEGEL: Falls Ihre Feststellungsklage durchkommt, daß Sie noch Mitglied und Vorsitzender der NPD und alle seit ihrer Suspendierung gefaßten Partei-Beschlüsse rechtsunwirksam sind -- auf wieviel Mitglieder schätzen Sie dann Ihre Gefolgschaft?

THIELEN: Die entscheidende Mehrheit wird hinter mir stehen.

SPIEGEL: Und wenn Sie vor dem Landgericht in Bremen unterliegen sollten -- werden Sie dann eine neue Partei gründen?

THIELEN: Ich werde mich nach dem Urteil entscheiden.

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