Wer nicht glaubt, wird auch selig
Je näher der Mensch vor seinem Ende steht, desto empfänglicher wird er offenbar für das Religiöse. Wenn die Demoskopen gläubige und nichtgläubige Deutsche miteinander vergleichen, fällt ihnen deshalb als Erstes der Altersunterschied auf: Die Gruppe der Gläubigen ist im Durchschnitt sechs Jahre älter, bei ihnen sind die Senioren überrepräsentiert. Das lässt ihre Antworten auch insgesamt konservativer ausfallen.
Um herauszufinden, was Gläubige und Nichtgläubige über den Altersunterschied hinaus trennt, schauen sich die Meinungsforscher jeweils die besonders Überzeugten an, also diejenigen, denen ihr Glaube ausgesprochen wichtig ist, und diejenigen, denen Gott wirklich gar nichts bedeutet.
»Es gibt einen Zusammenhang zwischen Wertesystem und Religiosität«, sagt der Infratest-Werteforscher Thomas Gensicke, »je weniger religiös, desto hedonistischer.«
Die Glaubensfernen halten Individualität für wichtiger, sie wollen »in dieser Welt das Beste für sich herausholen«, sagt Gensicke. Andersgläubige sehen ihren Beruf seltener als Lebensinhalt an, sie legen im Durchschnitt weniger Wert auf einen risikofreien Arbeitsplatz, sie sind insgesamt pragmatischer.
In einem unterscheiden sich Gläubige und Nichtgläubige nicht, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Das Wichtigste im Leben beider Gruppen ist die Familie, diese Wertschätzung ist seit Jahren stabil. Eine allgemeine grundsätzliche Frage wie: »Was sollte man im Leben unbedingt erreicht haben?« beantworten jeweils deutlich rund 90 Prozent mit »eine Familie gründen und Kinder haben«.
Doch nur 39 Prozent der Nichtgläubigen meinen, dass man für eine Familiengründung auch heiraten muss, für sie ist die Ehe nur noch eine von mehreren denkbaren Lebensformen. Bei den Gläubigen hingegen sagen 71 Prozent, dass Kinder in einer Ehe groß werden sollten.
Und falls die Ehe scheitert, sollten dann die Eltern dennoch zusammenbleiben, zumindest um der Kinder willen? Ja, sagen 47 Prozent der Gläubigen, aber nur 27 Prozent der Nichtgläubigen.