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»WER RENITENT IST, FLIEGT RAUS«

aus DER SPIEGEL 13/1967

SPIEGEL: Vorsitzender Thielen feuert Thadden & Co., Thadden & Co. feuern Thielen. Das passierte in Ihrer Partei. Zur Zeit sieht es so aus, als ob Sie und Ihre Kameraden -- vom Parteivorstand wieder aufgenommen -- die Macht in der NPD besitzen und Thielen nur noch darauf hoffen kann, das Recht auf seiner Seite zu haben.

THADDEN: Ja, so ist es. Aber nicht Thadden feuert Thielen«, sondern der Parteivorstand beschloß in Abwesenheit Thaddens.

SPIEGEL: Ist schon mal jemand so 'rausgeflogen wie jetzt erst Sie und Ihre Kameraden, dann Thielen, oder waren Sie der erste?

THADDEN: Oh, ich war bei weitem nicht der erste. Da ist schon mancher »rausgeflogen.

SPIEGEL: Das ist bei Ihnen so gang und gäbe?

THADDEN: Das ist es ja, was seit Monaten diesen anhaltenden und sich verschärfenden Streit im Parteivorstand auslöst.

SPIEGEL: Was ändert sich nun am Kurs Ihrer Partei, nachdem Sie Ihren Vorsitzenden Thielen gefeuert haben?

THADDEN: Gar nichts.

SPIEGEL: Dann hatte Thielen also auch schon bisher nichts zu sagen?

THADDEN: Natürlich hatte er etwas zu sagen. Aber er hat ja ausdrücklich erklärt, daß er mit mir niemals politische Meinungsverschiedenheiten gehabt habe. Dann kann auch von einer Kursänderung gar keine Rede sein.

SPIEGEL: Wenn es keine politischen Auseinandersetzungen waren -- was sonst hat sich in Ihrer Partei abgespielt?

THADDEN: Das ist die seit drei Monaten sich zuspitzende und verschärfende Frage, wie eine Partei zu führen ist, die über den Status einer kleinen Partei langsam hinauswächst. Es ist praktisch ein Streit um die Methode der Parteiführung ausgebrochen.

SPIEGEL: Könnten Sie uns ein Beispiel sagen?

TRADDEN: Nun, wenn ein Vorsitzender in einer Zeit, in der die Partei erstaunliche Erfolge erzielt, die Vorstandssitzungen nur damit ausfüllt, wer nun also ausgeschlossen werden soll, ob eine von ihm vorgenommene Ausschlußmaßnahme Rechtens war ...

SPIEGEL: Sie meinen die letzten Fälle?

THADDEN: Nein, schon frühere Fälle. Ein typisches Beispiel: An dem Wochenende nach der Bayernwahl, bei der die NPD einen politischen Triumph erzielte, mußte sich der Parteivorstand stundenlang mit der Frage herumquälen, ob es nun richtig war, daß Herr Thielen in der Wahlnacht vor dem Fernsehen (dem früheren bayrischen NPD-Vorsitzenden) Herrn Winter, der zuvor die Partei zu torpedieren versucht hatte, nochmals seine ausdrückliche Hochachtung bezeugen und ihn am Wahltag besuchen mußte.

SPIEGEL: Wie würden Sie die Führungsmethode Thielens kennzeichnen?

THADDEN: Als die Methoden eines Selfmademans, der plötzlich vor eine Aufgabe gestellt ist, die er mit denselben Methoden glaubt meistern zu können, wie er sie in seinem Betonbetrieb anwendet. Aber da geht es um Angestellte, hier um Zehntausende, die aus freien Stücken und auf eigene Kosten Politik machen.

SPIEGEL: Bei dem Krach jetzt haben erst Thielen, dann Thadden & Co. sich auf einen merkwürdigen Passus der Satzung Ihrer Partei gestützt. Dort heißt es: »Bei Gefahr im Verzug kann der Ausschluß, Suspendierung oder Enthebung aus einem Parteiamt eines oder mehrerer Mitglieder auf Antrag oder in eigenem Ermessen ohne Anhörung des Betroffenen durch den Bundesvorsitzenden, das Parteipräsidium oder den zuständigen Landesvorstand erfolgen.«

THADDEN: Sie nennen das merkwürdig. Solche Bestimmungen finden Sie in den Satzungen aller Parteien.

SPIEGEL: Kein Parteivorsitzender hat die Rechte wie der NPD-Vorsitzende. Das Führerprinzip ist zwar älter als die NPD, aber es hat nur in der NPD überlebt.

THADDEN: Daß hier etwas korrigiert werden muß, ist inzwischen die allgemeine Auffassung unseres Parteivorstandes. Das werden wir beim nächsten Parteitag mit tödlicher Sicherheit ändern.

SPIEGEL: Unter Berufung auf das Statut ist Ihr Parteivorsitzender gleich zweimal ausgeschlossen worden, einmal von seinem eigenen Landesverband in Bremen und dann noch mal vom Parteivorstand in Frankfurt. Hätte Thielen eigentlich in Frankfurt zur Vorstandssitzung zugelassen werden dürfen?

THADDEN: Die Dinge liefen wie folgt: Herr Gutmann sagte in Frankfurt zu Herrn Thielen: Herr Thielen, Ihr eigener Landesverband hat Sie aus der Partei ausgeschlossen. Wir möchten Sie auffordern, hier der Partei einen letzten Dienst zu erweisen, indem Sie Ihr Amt als Parteivorsitzender freiwillig zur Verfügung stellen.

SPIEGEL: Das konnte er doch gar nicht, wenn er doch schon ausgeschlossen war?

THADDEN: Das ist ja das Verrückte. Nach den Debatten, die jetzt die Juristen geführt haben, ist sein Ausschluß nicht unbedingt identisch mit dem Verlust des Amtes. Das klingt kurios, ist aber so. Nach Meinung einiger Juristen war er nicht mehr Mitglied, aber noch amtierender Vorsitzender. Dieser Zustand wurde erst durch den Beschluß des Parteivorstandes beendet.

SPIEGEL: Thielen will per Gerichtsurteil bestätigt bekommen, daß er weiterhin NPD-Vorsitzender ist. Was wäre dann, wenn ein Gericht so entschiede?

THADDEN: Das sind rein theoretische Erörterungen, weil die Beschlußgewalt des Parteivorstandes von Herrn Thielen doch nicht ausflankiert werden kann.

SPIEGEL: Er könnte Sie dann doch wieder »rauswerfen.

THADDEN: Dann tritt der Vorstand 24 Stunden später zusammen, hebt das wieder auf und schließt dann Thielen aus. Wie gehabt.

SPIEGEL: Einer Gerichtsentscheidung, die zugunsten von Thielen ausginge, würden Sie sich also nicht beugen?

THADDEN: Der würde sich der Parteivorstand nicht beugen.

SPIEGEL: Wie erklären Sie es sich, daß in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrscht, Thielen sei ein gemäßigter Konservativer mit völkischem Einschlag und Sie seien der Führer der radikalen Richtung in der NPD?

THADDEN: Das ist Publicity Management, möchte ich sagen.

SPIEGEL: Wer managt das?

THADDEN: Jedenfalls niemand von der NPD, sondern Außenstehende. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir doch mal festhalten würden, daß ich zumindest während der letzten eineinhalb Jahre auf Ausgleich bedacht war, auf Ruhe und Mäßigung hingewirkt habe.

SPIEGEL: Was gleichen Sie aus?

THADDEN: Das, was aus dem alten konservativen Lager kommt, das, was aus dem früheren NS-Lager kommt, und dann den Komplex, der immer ausgespart wird bei allen Erörterungen und der heute ein Drittel der Mitgliedschaft ausmacht: die Jugend, die mit Vehemenz hochdrängt.

SPIEGEL: Wie gleichen Sie aus?

THADDEN: Indem ich mit ihnen rede, indem ich notfalls sage: So und so geht das nicht. Und wer dann renitent bleibt, fliegt »raus.

SPIEGEL: Haben Sie in letzter Zeit mal gedacht: Jetzt ist es vorbei?

THADDEN: Daß kaum noch eine Chance bestünde, habe ich in der Tat mal gedacht. Die Geschlossenheit des Vorstandes hat aber die von mir befürchtete Gefahr weitgehend gebannt.

SPIEGEL: Und wollen Sie jetzt Bundesvorsitzender werden?

THADDEN: Das wird davon abhängen, wie die Partei darüber denkt.

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