Was reist dieser Mensch auf dem Globus umher, von Freund zu Feind, von Gipfel zu Gipfel, so als hieße er Ahasver, Schmidt oder Genscher, obwohl sich doch in Bonn unter den Hausmacher-Problemen die Balken biegen.
Dieser Kanzler ist nicht wegen seines weltmännischen Profils gewählt worden. Helmut Kohl verdankt seine Kanzlerschaft nicht dem Besitz des Passepartout-Schlüssels für die Lösung aller Welträtsel. EG-Gipfel, Wirtschaftsgipfel, Nato-Gipfel, Gipfel-Gipfel, diese Arenen gehörten wohl unwiderruflich Helmut Schmidt. Kohls Ponem gehört nach Bonn.
Er, seine Union und ihre liberalen Nachläufer sind am 6. März in Marsch gesetzt worden, weil deutsche Wähler glaubten, nur Konservative seien in der Lage, sparsam zu haushalten und erfolgversprechend zu wirtschaften.
Doch nicht nur Berufsökonomen dämmert nach zwei halben Jahren Kohl-Regiment, daß die Gleichung links = unsolide und unsicher, rechts = solide und zukunftsträchtig nicht von selbst aufgehen will. Zwar versprach und verspricht der Bundeskanzler - notfalls mit Hilfe der »Bild«-Zeitung - Arbeitsplätze und Lehrstellen im Dutzend und gelobt - notfalls mit Hilfe der »FAZ« - Schuldenabbau und konjunkturfördernde Steuersenkungen die Menge. Nur, wie er das anstellen soll, weiß der christdemokratische Hoffnungsträger offenbar nicht so recht. Und wer nimmt schon guten Willen und einen breiten pfälzischen Machtbesitzerstolz für Kompetenz und Tat.
Weder möchte sich Kohl zu harten Schnitten bei Stahl-, Werft- und Kohlesubventionen durchringen, was ihm Haushaltsmittel ersparen, aber eine höhere Arbeitslosenquote bescheren würde - noch zu einem Mehr an Subventionen mit dem umgekehrten Effekt. Er traut sich weder, mittels Arbeitszeitverkürzungen die Arbeit auf mehr Köpfe zu verteilen, damit aber gleichzeitig Arbeitsplatzkosten zu erhöhen und Exportchancen zu mindern; noch entscheidet er sich fürs Gegenteil.
Gut gemeint, aber windig und im Einzelfall töricht (Mutterschaftsgeld, Altentaschengeld) sind die Kürzungen der Sozialleistungen, die Kohl bei den Gewerkschaften den Ruf des sozialen Demonteurs einbrachten, ohne seinen Kassenwart Stoltenberg zu baldigen und nachhaltigen Steuerentlastungen zugunsten der Unternehmer zu befähigen. An den Abbau von unnützen Privilegien für steuermüde Schein-Bauherren und überbordende Sozialsubventionen für Beamte wagt er sich nicht, weil das die Mehrheitsbringer von der FDP vergrätzen würde.
Der Wirtschaftsgipfel in Williamsburg verwehte in harmloser Karnevalsstimmung, ohne daß der Konservative aus Bonn den Konservativen in Washington zu einem Ende der amerikanischen Hochzinspolitik gepreßt hätte.
Die Folge: Amerikas Raketen-Hysterie treibt den US-Haushalt in immer höhere Schulden und den amerikanischen Kapitalzins in schwindelnde Höhen. Die deutschen Unternehmer denken im Traum nicht daran, ihre lukrativen US-Zinserlöse real in der Bundesrepublik zu investieren, sondern hasten auf den amerikanischen Kapitalmarkt zurück, um sich dort ihre konjunkturgeschädigten Bilanzen mit Traumrenditen vergolden zu lassen. Jede künftige Steuerermäßigung Stoltenbergs wird so auf dem amerikanischen Kapitalmarkt versickern, statt in deutsche Arbeitsplatz-Investitionen zu gehen. Jeder Drittwelt-Kredit zerrinnt in Zinszahlungen an den Großgläubiger USA, noch ehe er die Chance hätte, zu konjunkturfördernder Kaufkraft zu werden.
Die Folge der Folge: Mehr US-Raketen, weniger deutsche Arbeitsplätze.
»Diese Koalition der Mitte wird unser Land aus der Krise führen«, so Helmut Kohl nach zwölf Tagen Kanzlerschaft vor einem Jahr im Deutschen Bundestag.
Nach dem Reinfall von Hessen und Bremen konstatierte der gewiß nicht sozialistisch verseuchte Michael Jungblut im gewiß nicht roten Wirtschaftsteil der »Zeit« lapidar: »Da, wo die neue Regierung begonnen hat, steht sie leider immer noch.«
Das kann der deutsche Wähler am 6. März nicht so gemeint haben.
Aber wer sagt das Helmut Kohl? Der eigene Verein? Die Opposition? Die Roten? Die Grünen?
Über allen Gipfeln ist Ruh. Kein Hauch. An der Basis auch?