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NEUE BILDPOST Werbung mit Wilhelmine

aus DER SPIEGEL 43/1962

Bundespräsident Heinrich Lübke hat der katholischen »Neuen Bildpost« zu einer Ehre verholfen, die noch keiner anderen deutschen Zeitung oder Zeitschrift vergönnt war: Zum erstenmal konnte ein Blatt den Besuch des Staatsoberhaupts in seinen Redaktionsräumen melden.

Der Präsident der sich bis zum vorvergangenen Wochenende in seiner sauerländischen Heimat von den Amtsgeschäften erholte, war gemeinsam mit Ehefrau Wilhelmine vom Urlaubshotel »Knoche« aus in das benachbarte Bödefeld gefahren.

Nicht einmal die Gemeindeväter des 2150-Seelen-Dorfes erfuhren von der Visite ihres prominenten Landsmannes in dem isoliert gelegenen Hause Graf-Gottfried-Straße 8.

In diesem Hause, außerhalb des Bödefelder Ortszentrums, ist der Verlag der »Neuen Bildpost« untergebracht, die allwöchentlich für 15 Pfennig 386 000 mal verkauft wird.

Das Blatt wurde 1952 als katholisches Pendant zur Hamburger »Bild«-Zeitung gegründet und hält sich selber für das »Führungsorgan katholischer Publizistik«.

So selbstgefällig die sauerländischen Publizisten ihr Eineinhalb-Groschen-Blatt auch einschätzen - sogar unter Glaubensbrüdern ist ihre Wochenzeitung umstritten.

Das katholische »Echo der Zeit« beispielsweise entrüstete sich darüber, daß man in Bödefeld »die Grenzen zwischen Takt und Geschmacklosigkeit oft nicht kennt«. Und die nicht minder kirchentreue Würzburger 'Allgemeine Sonntagszeitung« mokierte sich, in der 'Neuen Bildpost« werde »das Hackfleisch von 30 Artikeln und Artikelchen, garniert mit elf Bildern, 46 mehr oder weniger schreienden Überschriften und elf Anzeigen zum Augenschmaus dargeboten«.

Weniger zurückhaltend äußerten sich Sozialdemokraten über das konfessionelle Boulevardblatt. Der SPD-,Vorwärts« hält es für eine »pseudo-katholische« Zeitschrift, und der SPD-Bundestagsabgeordnete Schmitt-Vockenhausen durfte die »Neue Bildpost« ungestraft den »Stürmer der Katholiken« nennen.

Bundespräsident und »Bildpost«-Besucher Lübke fand hingegen freundlichere Worte für seine Landsleute und Glaubensbrüder im Bödefelder Verlag. Er sprach den Redakteuren-laut »Neue Bildpost« - »seine Anerkennung und Sympathie« für eine Kongo-Hilfsaktion aus, zu der das Blatt seine Leser vor eineinhalb Jahren aufgerufen hatte, und regte weitere karitative Taten an, beispielsweise für die Alten in der Bundesrepublik.

Resümee des Blattes: ..Neue Bildpost hat aufmerksam zugehört und dem Bubdespräsidenten versprochen, sich seiner Sorge, die Sorge aller sein müßte, im großen Rahmen anzunehmen.«

Die Werbung für neue Wohltaten stellten die Lübke-Gastgeber zunächst allerdings zugunsten einer umfangreichen Eigenreklame zurück.

In ihrem reich bebilderten Hofbericht aus dem eigenen Hause wies dabei die »Neue Bildpost« darauf hin, daß Wilhelmine Lübke, Bundesdeutschlands Erste Dame, sich für jene Literatur »interessiert« habe, die unter dem Slogan »Was Mann und Frau wissen-müssen« an aufklärungsbedürftige christliche Ehepaare vertrieben wird.

Dieses katholische Intim-Schrifttum wird im »Bildpost«-Hause verlegt. Bödefelder Hauptwerke: »Tagebuch einer Frauenärztin«, »Kinder ohne Klapperstorch«, »Das Größte aber ist die Liebe«, »Die Frau in der Ehe«, »Der Mann in der Ehe«, »Liebe in Gewissensnot«.

Die Bemühungen der Bödefelder Redakteure, sich für den Gunstbeweis ihrer »hohen Besucher« durch gutplacierte Photos und Artikel erkenntlich zu zeigen, gelangen freilich nur zum Teil.

Auf Seite 1 stand Heinrich Lübkes Bild ehrenvoll unter dem Photo des Heiligen Vaters Johannes XXIII.

Auf Seite 8 aber blieb für die »Bildpost«-Besucher Heinrich und Wilhelmine Lübke nicht mehr Platz als für einen Schweizer Gattenmörder.

Lübke-Besuch in der »Neuen Bildpost": Augenschmaus auf Seite 8

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