BUNKER Werte in der Tiefe
Eine »einmalige Anschaffung« ist die Immobilie, die der Karlsruher Architekt Jürgen Schmutzer anbietet, ganz bestimmt. Ob die Neuheit »über Generationen hinaus Bestand und Nutzen gewährleisten wird«, ist noch nicht heraus.
Denn Schmutzers Angebot ist für den Ernstfall gedacht: Eigentumswohnungen unter der Erde, bombensicher, aber auch steuerlich interessant. Sein »Pilotprojekt einer völlig neuen Idee« soll vom Bauordnungsamt der Stadt Karlsruhe genehmigt werden, und wer Geld genug hat, die Idee aufzugreifen, soll die nächste Katastrophe recht komfortabel über sich ergehen lassen können.
Bautechnisch unterscheidet sich der unterirdische Wohnbesitz für rund 300 Menschen, der demnächst im Ortsteil Durlach angelegt werden soll, nur wenig von einem gewöhnlichen Zivilschutzraum. Aufteilung und Ausstattung jedoch sind exklusiv, und geradezu gediegen sind die finanzrechtlichen Möglichkeiten.
Die Apartments können einzeln erworben werden; eine Unterkunft für sechs Leute zum Beispiel kostet rund 90 000 Mark. Teilhabe an einem Aufenthaltsraum und einer Gemeinschaftsdusche in dem zweistöckigen Tiefbauwerk ist im Kaufpreis inbegriffen.
Die »Familien-Schutzraum-Gemeinschaftsanlage«, die in acht Metern Tiefe stecken wird, ist steuerrechtlich bis ins Detail an Bau, Erwerb und Finanzierung normaler Eigentumswohnungen über der Erde orientiert. Zu den üblichen Steuervergünstigungen kommen zusätzliche Abschreibungsvorteile sowie direkte Zivilschutz-Zuschüsse. Und das behördliche Wohlwollen scheint der Neuheit schon sicher.
Zwar werden, wie das baden-württembergische Innenministerium auf Anfrage des Karlsruher SPD-Landtagsabgeordneten Dieter Stoltz mitteilte, »Bauherrengemeinschaften zur Errichtung von gemeinsamen Schutzräumen« bisher noch nirgendwo geführt. Bedenken aber gegen eine adäquate Begünstigung bestünden nicht. Jedenfalls seien steuerliche Entlastungen und Zuschüsse für einen Bauherrn nicht davon abhängig, ob ein Gebäude ganz oder teilweise der Allgemeinheit zugänglich gemacht werde, und das gelte »auch für die Errichtung von Schutzräumen«.
Architekt Schmutzer hatte sich rechtzeitig bei den einschlägigen Instanzen in Bonn - Bundesamt für Zivilschutz, Bundesinnenministerium, Bundesfinanzministerium - sachkundig gemacht, weil bislang noch »kein vergleichbares Projekt« geplant wurde. Einwände bekam er nicht zu hören, und auch der ihm gut bekannte Stuttgarter CDU-Regierungschef Lothar Späth habe sich, so Schmutzer, »für die Sache sehr eingesetzt«.
Der Eigentumsbunker unter dem Grundstück eines Zweifamilienhauses, in dem ein Verwalter wohnen und wachen soll, ist auf sechs Wohntrakte für höchstens je fünfzig Personen angelegt. Den wesentlichen Unterschied zu oberirdischen Behausungen macht die 80 Zentimeter dicke Stahlbetondecke, über der Gras, Büsche und Blumen wachsen sollen. Ein Käufer, der im Umkreis von 150 Metern Luftlinie wohnt, kann staatlichen Zuschuß für Zivilschutzräume beanspruchen; Vermietung oder Weiterveräußerung sind dadurch nicht beschränkt.
Das gesamte unter- und oberirdische Areal gehört der Eigentümergruppe, Grund und Boden wird über Tausendstel-Anteile erworben, als Bauherr tritt die »Schutzraum-Gemeinschaft« auf. Der Besitz wird, wie über Tage üblich, durch notariellen Kaufvertrag und Grundbucheintragung abgesichert.
Architekt Schmutzer zweifelt nicht daran, »schnell ein paar Dutzend Familien oder Einzelpersonen« beieinander zu haben. Doch vorsichtshalber schürt er kräftig Katastrophenfurcht. Der militärische Ernstfall, so wirbt er, sei ja nur eine Nutzungsmöglichkeit; »viel wahrscheinlicher« seien: *___Kernkraft-Pannen, etwa beim nahen Atommeiler ____Philippsburg oder am Forschungsreaktor in Leopoldshafen ____bei Karlsruhe; *___Transportunfälle auf Schiene, Straße oder Wasser, auf ____denen in der Bundesrepublik jährlich über 300 Millionen ____Tonnen explosiver, giftiger oder radioaktiver Stoffe ____unterwegs sind; *___Fabrikunfälle wie beim Dioxin-Ausstoß in Seveso im Juli ____1976 oder Sondermüll-Krisen, wenn mit ____lebensgefährlichen Substanzen leichtfertig umgegangen ____werde; *___Freisetzung chemischer Kampfgase, wie sie vierzig ____Kilometer von Karlsruhe entfernt in einem ____amerikanischen Depot gelagert sind.
Wenn es denn soweit ist, soll es sich Schmutzers Kundschaft in den eigenen vier Wänden gemütlich machen - sofern sie rechtzeitig gewarnt wird und die Katakomben noch erreichen kann. Dort gibt es dann Sofas, die in Liegen verwandelt werden können, Schrank und Tisch natürlich. Je Person sind, bei 2,50 Meter Zellenhöhe, 1,48 Quadratmeter Fläche und 3,7 Kubikmeter Raum - Gemeinschaftsanlagen nicht mitgerechnet - eingeplant, gut belüftet und klimatisiert, mit einem Vorrat an Lebensmitteln und Trinkwasser, mit Mikrowellenherd und Spülklosett.
Um Bedenken zu zerstreuen, daß der unterirdische Besitz doch vielleicht selten benötigt werden wird und im übrigen zinslos brachliegt, hat Schmutzer den Ersatzbegriff »Wertzelle« erfunden: In den Notfall-Wohnungen könnten etwa während des Urlaubs oder überhaupt aus Sicherheitsgründen Wertgegenstände deponiert werden.
Das Presse- und Informationsamt der Stadt Karlsruhe hat bereits unterstützend und grundsätzlich auf die Nutzbarkeit privater Schutzräume in normalen Zeiten hingewiesen. Außer zur Lagerung von Brennmaterial könnten sie, »wie jeder andere Keller«, zur Aufbewahrung von Werkzeug, Gartenmöbeln oder Fahrrädern verwendet werden. »Besonders geeignet« seien Betonzellen »für die Lagerung von Lebensmittelvorräten«, auch spreche nichts gegen die Einrichtung als Sport- oder Hobbyraum.
Einmal im Jahr allerdings ist für die Untergrundbesitzer eine »Belegungsübung« vorgesehen, damit sie den kürzesten Fluchtweg lernen und sich zurechtfinden in ihrer Apartmentanlage. Wie dann und erst recht im Ernstfall ein mit Sportgerät und altem Krempel vollgestellter Schutzraum benutzt werden kann, überlassen Stadtverwaltung und Architekt den Käufern. Daß die ihre Fluchtstätte für sich haben und nicht auch noch andere Bedürftige unterbringen müssen, ist hingegen geklärt.
Als der SPD-Parlamentarier Stoltz von der Landesregierung in Stuttgart wissen wollte, ob sie die Genehmigung eines derartigen privaten Gemeinschaftsbunkers mit dem Grundsatz der »Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit im Konfliktfall« für vereinbar halte, antwortete das Innenministerium lapidar: »Ja.« Und auf die Frage, ob die Eigner einer Schutzwohnung vor »Nichtprivilegierten« sozusagen geschützt seien, erklärte das Ministerium, nach den Bestimmungen des Schutzbaugesetzes habe der Besitzer bei Gefahr nur den Personen, »für die der Schutzraum bestimmt ist, jederzeit den Zugang zu ermöglichen«. Eigentum bleibt Eigentum, auch in der Tiefe.