BAYERN Wia de mia
Gern hätte sieh Ludwig Volkholz, 60, vor dem Fernsehpublikum über Vera Brühne ("Tierquälerei"), über Karl Carstens ("Bombenfester Meineid") oder den CSU-Europäer Otto von Habsburg ("Der soll froh sein, daß 'n da Filbinger net dawischt und aufg"hängt hat") geäußert.
Doch der Vorsitzende der »Christlichen Bayerischen Volkspartei« aus dem Bayerischen Wald und Europa-Kandidat der »Liga der Volksparteien Europas« durfte sich in seinen vier TV-Spots und 40 Wahleinblendungen im Rundfunk dann doch nur vergleichsweise gemäßigt über seine Konkurrenten auslassen: »Uns können die alle mit ihren geschmalzenen Europa-Parolen den Buckel herunterrutschen.«
Volkholz, der in seiner engeren Heimat die Monarchie und Bayrisch als »mündliche Amtssprache« einführen möchte, kämpft auf europäischer Ebene gegen Kernkraft ("Die Atomwerber gehören in ein europäisches Narrenhaus") und für einen »europäischen Tierschutz«, gegen schulische Dauerreformen und für eine »totale Verstaatlichung der Ölindustrie«. Sogar die »Fangrechte für unsere Fischereiflotte« liegen dem Bayern am Herzen.
Jahrelang hat Volkholz als Bundestagsabgeordneter, Landtagsabgeordneter und niederbayrischer Vorsitzender die Bayernpartei vertreten, die bei den Landtagswahlen 1950 noch 17,9 Prozent der Stimmen errang, doch später durch Prozesse, Spaltungen und Wahlmißerfolge zur Bedeutungslosigkeit schrumpfte. Eine Zeitlang versuchte Volkholz sein Glück als Niederbayern-Vorsitzender der FDP. Nach Wildbad Kreuth wollte er sogar einen CDU-Landesverband gründen.
Am Ende aber blieb er seiner Christlichen Bayerischen Volkspartei mit dem Untertitel »Bayerische Patriotenbewegung« treu, die er aus der Konkursmasse der Bayernpartei abgezweigt hat. Als Politiker im bayrischen »Untergrund« verzichtet er vorsorglich auf Mitgliederlisten. Er befehligt lieber eine »Geisterarmee, weil man die nicht fassen oder verfolgen oder unterdrücken kann«.
Anders als die Kandidaten der Bonner Parteien verzichten die zwölf Bewerber der Christlichen Bayerischen Volkspartei auf Stellvertreter. Volkholz: »Wir halten die fünf Jahre leicht durch und brauchen nicht wie die anderen Pensionistenvereine Ersatzleute, die einspringen müssen, wenn die Originale nicht mehr können.«
Vorsorglich hat der Parteichef, wie »die Grünen«, eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beantragt, um die Fünf-Prozent-Klausel zu Fall zu bringen. Volkholz argumentiert dabei nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch kartellrechtlich: »Die großen Parteien san doch längst Erwerbsbetriebe und sichern sich mit solchen Klauseln ihre Einkünfte.«
Doch auch für den »Jagerwiggerl«, wie man ihn zu Hause in Feßmannsdorf nennt, ist die Politik längst zum einzigen Erwerb geworden, wenn auch »gezwungenermaßen«. Denn durch einen in Bayern für einen gestandenen Politiker nicht unbedingt rufschädigenden Meineidsprozeß wurde Volkholz einerseits politisch geadelt, andererseits aber auch wegen seiner unbeugsamen Trutzhaltung in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeengt.
Der frühere Oberförster, der im bayrischen Landtag per Hammelsprung die Schnupftabaksteuer tilgen ließ und im Bundestag bei einem Wortgefecht mit Franz Josef Strauß eine »Lippenstiftsteuer« forderte, wurde wegen einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe aus dem Staatsdienst entlassen ("Das erschte lebenslängliche Berufsverbot") und verlor durch eine »Lex Volkholz« (Volkholz) auch noch die Wählbarkeit als kommunaler Beamter in Bayern.
Der ehemalige Bürgermeister von Kötzting und Vater von fünf Kindern umging die Sperre mit familiärer Hilfe: Ehefrau Paula kandidierte und wurde prompt die erste und einzige Landrätin in Bayern. Die Tochter eines Tiroler Landeshauptmanns bestritt ihren Wahlkampf hauptsächlich mit Jodeln und Tanzen, und zwar so eindrucksvoll, daß der örtliche CSU-Widersacher Max Fischer (heute Staatssekretär im bayrischen Umweltministerium) auf seinen Versammlungen bald auch zu jodeln anfing -- laut Volkholz freilich »hauptsächlich, wenn er bsuffa war«.
Obschon die »Lex Volkholz« vom Berliner Bundesverwaltungsgericht längst für illegal erklärt wurde, bleibt der frühere Waldhüter, der jetzt als Weinhändler »im Monat mit zwoahundert Markl auskummt«, im Freistaat ohne Fortüne. Ehefrau Paula ist wegen zu kurzer Dienstzeit »die oanzigste Landrätin, die koa Pension kriagt« (Volkholz); und ihm selber wird das politische Leben durch abgefeimte Hinterfotzigkeiten schwergemacht -- besonders vor Wahlen.
Wenige Tage vor der vorletzten Landtagswahl zum Beispiel setzte der örtliche Amtsrichter einen Strafsachentermin gegen Volkholz an, um dort in schöner Ausführlichkeit zu erörtern, ob Volkholz den Ermittlungsrichter angelogen hatte, als er sagte, er habe seine Ehefrau Paula seiner Erinnerung nach niemals geschlagen.
Volkholz wurde zwar zwei Jahre danach von der höheren Instanz wegen erwiesener Unschuld freigesprochen, doch mit seiner Wahlanfechtung wegen der verminderten Chancen durch den aufsehenerregenden Prozeß drang er nicht durch.
Jetzt, vor den Europawahlen, machte der Erzwidersacher Max Fischer in einer Wahlanfechtung den Verdacht publik, Volkholz habe die nötigen Unterschriften für seine Liste nur zusammengebracht, weil er den Waldmenschen vorgemacht habe, es gehe nicht um die Europawahl, sondern um die neue urologische Abteilung des örtlichen Krankenhauses.
»Ich laure auf den Tag der Revanche«, verkündete der Kandidat unheildräuend, »damit ich"s dene genauso mach wia de mia.« In der Kirche betet der christlich-bayrische Politiker: »Herrgott, bestraf diese Brüder!«
* Oben: Das Ölgemälde zeigt Paula Volkholz; unten: ein Modell beider Reaktorblöcke (vorne).