»Widerstand gegen das Erwachsenwerden«
Der Personal-Fragebogen des Präsidenten Jimmy Carter Wann kommt der Betreffende im allgemeinen zur Arbeit: Angeblich früh. Wann verläßt er die Arbeit: Angeblich spät.
Einer meiner Mitarbeiter sagte mir einmal: »Vertraue keinem Mitarbeiter, der vor seinem Chef im Büro ist und nach seinem Chef das Büro verläßt.« Die Tatsache, daß der Präsident offensichtlich früher in seinem Büro ist als etwa Hamilton Jordan und das Büro erst verläßt, nachdem Jordan gegangen ist, ist ein Pluspunkt. Die Tatsache, daß er mehr als acht Stunden arbeitet, läßt vermuten, daß er sich Sachen widmet, auf die ein Präsident keine Zeit vergeuden sollte -- wie die Ausgabe von Benutzungsscheinen für den Tennisplatz -, oder daß er sich zu lange mit Dingen abgibt, die außerhalb seines Fassungsvermögens oder seiner Kontrolle liegen. Zu tiefes Nachdenken über solche Probleme kann in die Verzweiflung oder zur Entwicklung eines Messias-Komplexes führen.
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Arbeitstempo 1 2 3 4 5 (6)
Das ideale Arbeitstempo liegt, meine ich, etwa zwischen drei und vier. Daß der Präsident Schnellesen gelernt hat, ist ein schlechtes Zeichen. Alles, was problemlos im Schnellverfahren gelesen werden kann, sollte ein Präsident nicht lesen; und was der Präsident lesen sollte, sollte nicht im Schnellverfahren gelesen werden. Eine Bewertung mit 6 ist deshalb sehr schlecht, schlechter wahrscheinlich, als hätte der Präsident nur eine 1 bekommen.
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Grad der Arbeitsanstrengung 1 2 3 4 5 (6)
Es wäre vielleicht besser für das Land, wenn der Präsident mit etwas weniger als voller Leistung arbeitete. Ich erinnere mich an einen Protest im Kongreß, als der damalige Landwirtschaftsminister Ezra Taft Benson ankündigte, er werde Tag und Nacht an den Landwirtschaftsproblemen arbeiten. Er wurde aufgefordert, die Nachtarbeit bleibenzulassen, da er den Landwirten schon an einem normalen Arbeitstag genug Schaden zufüge.
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Qualität der Arbeit
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Gemessen an dem vom Präsidenten selbst gesetzten Standard, daß allein das Beste zählt.
Wieviel Vertrauen haben Sie in seine Urteilsfähigkeit?
Ich lege meiner Bewertung zugrunde, daß der Präsident alle seine höchsten Mitarbeiter weniger als drei Jahre, nachdem er sie ernannt hatte, zum Rücktritt aufforderte -- obschon er sich über ihren Charakter und ihre Qualifikation ein eigenes und sicheres Urteil gebildet hatte und sie nicht nur als annehmbar, sondern in den meisten Fällen als die bestmöglichen befand. Ich vermute deshalb, daß auch er kein volles Vertrauen in seine eigene Urteilsfähigkeit hat.
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Wie erwachsen ist er? 1 (2) 3 4 5 6
1976 sagte er über den U-Boot-Dienst: »Mir gefiel im U-Boot, daß es dort embryohaft war.« Das läßt einen gewissen Widerstand gegen das Erwachsenwerden vermuten. Die Bewertung mit 2 stützt sich auf diese Aussage und auf einen Vergleich mit anderen Präsidenten der jüngeren Zeit.
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Wie flexibel ist er? 1 2 3 4 5 (6)
Seine große Flexibilität zeigte sich früh in seinem Wahlkampf in lowa, als er innerhalb von 24 Stunden in der Frage der Einfuhr von Agrarprodukten drei verschiedene Standpunkte bezog. Um eine Erklärung gebeten, sagte er laut »Des Moines Register«, es sei unmöglich, alle »Ausflüchte« in einer Rede unterzubringen.
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Wie oft kommt der Betreffende mit neuen Ideen? 1 (2) 3 4 5 6
Mr. Carters Anspruch auf Ruhm hat nie darin bestanden, daß er neue oder gute Ideen hatte, sondern daß er eine gute Idee, sei sie alt oder neu, erkennen konnte.
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Welche besonderen Talente hat er?
1. In der Öffentlichkeit beten. 2. Moralisieren. »Es gibt nur einen Menschen in dieser Nation«, hat er gesagt, »der mit klarer Stimme sprechen kann, der den Standard setzen kann für Moral und Anstand und Offenheit« im Land. Präsident Nixon hatte gleichfalls gesagt, der Präsident sei der moralische Führer des Landes.
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in welchem Umfang ist der Betreffende informiert? 1 2 3 4 5 6
eng weit
Die Skala sollte reichen von »eng und tief« bis »weit und seicht«. In dem Falle würde ich dem Präsidenten eine 6 plus geben.
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Wie würden Sie die Wirkung dieser Person auf andere Menschen charakterisieren? (z. B. feindselig, ausgeglichen, aggressiv, reizend, usw.)
Ich habe Mr. Carter nur dreimal getroffen. Beim ersten Mal war er kein Kandidat. Ich hielt ihn für reizend, wie ein verlorenes kleines Kind im Warteraum des Flughafens. Beim zweiten Mal war er Kandidat. Ich hielt ihn für ausgeglichen. Beim dritten Mal war er Präsident. Ich hielt ihn für feindselig, aber nicht aggressiv.
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Wie kommt er zurecht mit Vor gesetzten?
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Er sagt, er habe eine gute Beziehung zu Gott. Gleichgestellten?
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Er scheint mit den beiden lebenden ehemaligen Präsidenten gut auszukommen.
Untergebenen? 1 2 3 4 5 (6)
Offensichtlich sehr gut, wenn sie auf seine Aufforderung hin ihren Rücktritt einreichen.
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Wie wohl würden Sie sich fühlen, wenn der Betreffende in der Öffentlichkeit für a) Sie und b) den Präsidenten spricht?
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Ich würde ihm eine 1 geben, wenn er für mich spricht, und, da er der Präsident ist, notwendigerweise eine 6, wenn er für sich selbst spricht. Doch sind da vielleicht Einschränkungen notwendig, wenn es zutrifft, daß künftig Hamilton Jordans Entscheidungen hingenommen werden sollen, »als seien es die Entscheidungen des Präsidenten selbst«.
Bewerten Sie die politischen Fähigkeiten des Betreffenden. 1 2 (3) 4 5 6
Für die Wahl zum Präsidenten eine 4 (er verlor beinahe gegen Gerald Ford). Für die Durchführung der Politik des Präsidenten bestenfalls eine 2.
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Wie weit ist der Betreffende aus gerichtet auf die Durchsetzung der Ziele der Regierung: 50 Prozent
Persönlicher Ziele: 100 Prozent.
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Wie groß ist seine Fähigkeit, Entscheidungen in die Tat umzusetzen, mit denen er selbst nicht übereinstimmt? 1 (2) 3 4 5 6
Er hat erklärt, er werde nichts durchführen, was der Kongreß beschließt, wenn er nicht auch persönlich zustimmt. Den Standpunkt vertrat auch Richard Nixon -- und dann haben die Gerichte ihm befohlen, die Gesetze so anzuwenden, wie sie verabschiedet wurden.
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Nennen Sie seine drei größten Stärken und Schwächen.
Stärken: Seine Frau, seine Mutter, sein Lächeln.
Schwächen: Sein Bruder, sein Stabschef, sein Vokabular.
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Nennen Sie seine drei größten Erfolge.
Seine Nominierung, seine Wahl und die Tatsache, daß er außenpolitische Initiativen wie die Anerkennung Chinas, den Panamakanal-Vertrag und die Salt-Gespräche fortführte oder zuließ, daß sie fortgeführt wurden.
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Nennen Sie drei Fälle, in denen Sie von dem Betreif enden enttäuscht wurden.
Keine. Ich habe aus seiner Amtszeit als Gouverneur oder in dem, was er während des Wahlkampfes bot, kaum etwas gefunden, was eine Basis für spätere Enttäuschungen hätte abgeben können.