Widerstand kaum behandelt
Es war richtig, Holocaust zu senden, als Anregung zum Nachdenken. Allerdings darf diese Sendung im Ausland nicht dazu führen, alle Deutschen mit den Nazi-Praktiken zu identifizieren.
Als Amerikaner habe ich deshalb als Mitglied der American Historical Association anläßlich von zwei Sitzungen in San Francisco im Dezember 1978 auf folgendes Problem hingewiesen:
Im April 1978 wurde in Amerika die Fernsehserie »The Holocaust« gesendet. Ein 16seitiges Begleitheft »The Record« wurde in einer Auflage von zehn Millionen gedruckt und kostenlos verbreitet. Damit wurde die in Amerika gängige Identifizierung der Deutschen mit den Praktiken des NS-Regimes weiter gefestigt.
Neben dem Fernsehfilm »Holocaust« sind jetzt an amerikanischen High-Schools Pflichtkurse über die Ausrottung der Juden eingeführt worden -- und zwar bereits in mehr als 50 Schulbezirken beziehungsweise Gemeinden. Das »Teacher Resource«-Buch, das gegenwärtig in den Schulen Philadelphias verwendet wird, kann als konkretes Beispiel genommen werden. Dazu ist zunächst festzustellen, daß andere Völkermorde nicht behandelt werden.
Es wird vorausgesetzt, daß die gesamte deutsche Bevölkerung über die Ausrottung der Juden informiert war und diese Ausrottung sogar befürwortete.
Die Nichtbehandlung des deutschen Widerstands gegen Hitler führt zu der Annahme, daß alle Deutschen aktive oder sogar fanatische Nazis gewesen seien.
Eine Chronologie stellt lediglich fest, daß »Nazi-Offiziere« am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Hitler unternahmen. So heißt es: »Abortive attempt on Hitler's life by group of Nazi officers.« Daraus könnte gefolgert werden, daß die Attentäter wohl ehrgeizige nationalsozialistische Putschisten waren, die nur gegen Hitler, aber nicht gegen die NS-Ideologie eingestellt gewesen seien. Man vermißt auch jedes Wort über Widerstandsaktionen im zivilen Bereich. Namen wie Carl Goerdeler oder Hans und Sophie Scholl bleiben unbekannt.
Die Bestrafung von NS-Verbrechern durch die Bundesrepublik Deutschland wird nicht gewürdigt. Die Schüler werden lediglich informiert, daß NS-Prozesse nur bis 1963 durchgeführt worden seien.
Der starke psychologische Eindruck von KZ-Filmen, die im Rahmen des Pflichtkurses gezeigt werden, die merkwürdige Schulaufgabe, Gedichte über die Ausrottung der Juden zu schreiben -- all dies bedeutet eine starke emotionelle Belastung für Vierzehn- und Fünfzehnjährige, die weder über ausreichende Geschichtskenntnisse noch über ein angemessen entwickeltes Urteilsvermögen verfügen.
Angesichts dieser Lage wäre es wohl wirklich an der Zeit, an deutsch-amenkanische Schulbuchgespräche zu denken.
Als Amerikaner würde ich solche Initiativen und Begegnungen schon deshalb begrüßen, weil ich selbst viele falsche Vorstellungen über Deutschland und die Deutschen hatte, als ich zum ersten Mal als Fulbright-Stipendiat in die Bundesrepublik kam.
Das Bild des Deutschen ist in Amerika noch vielfach von irrigen Vorstellungen geprägt. Mit diesem Bild verbindet sich die Vorstellung von Militarismus, Arroganz und Rassismus.
Dabei soll keineswegs ausgeschlossen werden, daß amerikanische Pädagogen diese Gefahr selbst erkennen und die notwendigen Schritte zu ihrer Eindämmung unternehmen.
Deutsch-amerikanische Schulbuchgespräche können aber dazu führen, daß künftig amerikanische Schüler lernen, daß Preußen nicht nur identisch war mit »einer Armee«, daß Friedrich der Große und Otto von Bismarck keine »Hitlers des 18. beziehungsweise 19. Jahrhunderts« waren und daß Völkermord kein »deutsches Monopol« ist. Göttingen
DR. PHIL. ALFRED M. DC ZAYAS J. D.