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SUWOROW Wie der Schnee aus der Luft

aus DER SPIEGEL 27/1950

General MacArthurs »Bataan« flog von Tokio an die Korea-Front. Kurz vor Suwon versuchte ein nordkoreanischer Jäger vom russischen Typ »Jak« an die US-Stabsmaschine heranzukommen. Aber deren Jagdschutz war auf der Hut. »Unsere Jäger kriegen ihn schon klein«, konstatierte MacArthur am »Bataan«-Fenster befriedigt. Er hatte den beginnenden Luftkampf mit angesehen.

Das war letzten Donnerstag. Drei Tage später, Sonntag nachmittag, griffen vier »Jak«-Jäger in die Kämpfe um Suwon ein »Mit sowjetischen Kennzeichen«, meldete der südkoreanische Frontbericht.

Bestätigt sich das, dann kämpfen nicht nur - wie von Anfang an - sowjetfabrizierte, sondern auch sowjetbesternte und sowjetbemannte Kriegsmaschinen im Korea-Kampf mit. Dann behält die Moskauer Staats-Illustrierte »Ogonjek« schneller recht, als noch im Mai ihre russischen - und ausländischen - Leser glauben mochten.

»Das Vermächtnis des genialen Feldherrn Alexander Wassiljewitsch Suworow ist noch nicht veraltet!«, goß das Blatt wohlkonserviertes Kriegs-Konzentrat aus den militärischen Erfahrungen des zaristischen Grafen und Generals in seine Spalten. Dessen 150. Todestag paßt in die psychologische Landschaft der seelischen Kriegsvorbereitung wie bestellt.

Schon der »Tag des Sieges« zur Erinnerung an den 9. Mai 1945 war der sowjetischen Propaganda Anlaß zu einer kräftigen Wiederbelebung russischer Waffentradition. Wieder - wie im letzten Krieg - wird die schwankende ideologische Basis des Bolschewismus durch bruchsichere nationale Strebepfeiler abgestützt. Das Politbüro in dem das russische Element unter Führung von G. M. Malenkow dominiert, pflegt russischen Nationalstolz in immer stärkerem Maße.

Von vornherein soll damit einer Wiederholung der Wlassow-Aktion in zweiter verbesserter Auflage vorgebeugt werden. Schon im voraus soll der eventuelle Zukunftskrieg als eine nationale Angelegenheit des russischen Volkes erscheinen. Dabei bildet der russische Messianismus den tönenden Resonanzboden für die Parolen der Weltrevolution und der Weltbefreiung.

Im Weltkrieg II legte der Kreml den Propaganda-Schalthebel erst im letzten Augenblick - als es schon fast zu spät war - von »International« auf »National« um. In höchster nationaler Not wurde Zarengraf Alexander Suworow sowjethoffähig. In ihrem Gedenkartikel erinnerte Moskaus »Prawda« »Das einmalige Talent Suworows erstrahlte in unserer sowjetischen Epoche mit neuer Kraft.«

Damit war die psychologische Kriegsbrücke zwischen Zarenzeit und Sowjetregime geschlagen. Sie wurde verstärkt durch zwei neue Kriegsauszeichnungen, benannt nach den beiden Zarengeneralen Suworow und Kutusow. Es waren Orden »für hervorragende Verdienste um die Organisierung und Durchführung von Kampfoperationen und für die mit Hilfe dieser Operationen errungenen Erfolge im Kampf für das Vaterland«.

Suworow-Worte sind heute so aktuell wie damals, macht die Sowjet-Presse ihren Lesern klar. Und zitiert:

* Ich bin stolz, daß ich ein Russe bin.

* Gegen den mutigen rußländischen Grenadier kommt keine Armee der Welt auf.

* Den Feind zurückdrängen - ein Mißerfolg. Ihn abschneiden, umzingeln, zerstreuen - ein Erfolg.

* Schlecht abgeholzter Wald wächst bald wieder nach.

* Vergebens wird ganz Europa gegen Rußland marschieren; es wird dort seine Thermopylen, seinen Leonidas und sein Grab finden.

* Russak nje Trussak - Der Rußländer ist kein Feigling.

* Eine Festung, eine Garnison, eine ganze Armee sind stark. Aber nichts kann den russischen Waffen widerstehen.

* Gefangene muß man menschenfreundlich behandeln. Barbarei ist schändlich*).

Im Mittelpunkt aller Betrachtungen der Suworowschen Kriegskunst stehen drei Grundregeln, die der nie besiegte Zarenfeldherr selbst aufstellte und erläuterte:

»Erstens - Augenmaß: Wo man ein Feldlager errichten, wie man marschieren, wo angreifen, verfolgen und schlagen soll.

»Zweitens - Schnelligkeit: Der Feind vermutet uns nicht, rechnet damit, daß wir 100 Werst entfernt sind, manchmal sogar 200, 300 Werst und mehr. Plötzlich sind wir über ihm wie der Schnee aus der Luft. Ihm

*) Am 22. Dezember 1790 stürmten Suworows Truppen die Türkenfestung Ismail in Bessarabien. 40000 Mann Besatzung wurden massakriert. Vier Jahre später erhielt Suworow den Feldmarschall-Titel wegen der ebenso grausamen Unterdrückung der Polen-Erhebung unter Kosciuszko. wird schwindelig. Reiterei, fang an! Säble, steche, jage, schneide ab, laß nicht locker!

»Drittens - Angriffsgeist: Ein Fuß stützt den andern, eine Hand stärkt die andere. Der Feind hat die gleichen Hände, aber das russische Bajonett kennt er nicht.«

Wirkungsmöglichkeit und -bereich der patriotischen Sowjetpropaganda um Suworow lassen sich daran ermessen, daß die gleichen Gedankengänge in Suworow-Feiern und -Gedenkartikeln der weißrussischen Emigration wiederkehren. - Mit dem Unterschied nur, daß Stalin nicht als Erbe Suworowscher Tradition anerkannt wird.

Auch außerhalb des Hammer-und-Sichel-Bereichs gibt es russische Patrioten, die es mit der Suworow-Parole halten: Nicht nur in der Verteidigung, sondern auch im Angriff ist der Russe unbesiegbar.

Andere allerdings meinen, aktueller sei das Suworow-Wort: Wer andere zur Brandlegung anstiftet, verbrennt sich schließlich selbst die Hände.

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