"So groß wie eine Ananas ..." WIE MAGERMILCH UND BUTTER
In zweierlei Form hofften die Physiker den Rohstoff für die Atombombe gewinnen zu können: in Gestalt des Uran-Isotops 235 oder in Form des künstlichen Elements Plutonium, das aus dem Uran-Isotop 238 gewonnen wird. Die Amerikaner beschritten beide Wege.
Zur Gewinnung von Plutonium bauten sie in Hanford (US-Staat Washington) große Atommeiler. Daneben verwendeten die US-Physiker auch den zweiten, scheinbar näherliegenden Weg zur Produktion von Bombenmaterial: die Absonderung des leicht spaltbaren Uran-Isotops 235, das in natürlichem Uran zu 0,7 Prozent enthalten ist.
Da sich die Isotope 235 und 238 in ihren chemischen Eigenschaften nicht unterscheiden, kamen chemische Trennverfahren nicht in Betracht. Doch auch die physikalischen Unterschiede zwischen den Isotopen sind so minimal, daß sie sich nur in langwierigen Prozessen nutzen lassen.
Theoretisch boten sich den Physikern vier mögliche Verfahren, das Bombenmaterial U 235 aus dem natürlichen Uran abzuspalten: Gas- und Thermodiffusion, elektromagnetische Trennung und Trennung in der Gaszentrifuge.
Über eine Milliarde Mark gaben die Amerikaner 1943 für den Bau der ersten Gasdiffusions-Anlage in Oak Ridge aus. In einem Labyrinth von Röhren und Pumpen wurde dort natürliches (in Gasform umgewandeltes) Urangemisch durch Tausende von Diffusionsmembranen hindurchgeprellt. Das Uran 235, seiner Masse nach geringfügig vom Uran 238 unterschieden, passierte die Membranen um einen winzigen Bruchteil schneller. Auf diese Weise nahm die Konzentration des U 235 jenseits der Membranen allmählich zu, bis es am Ende fast rein vorhanden war.
Das Verfahren der Thermodiffusion, das die geringfügigen Unterschiede im Verhalten erhitzter Uran -Moleküle nutzt, wurde wegen seiner enormen Kosten bis heute nicht angewendet.
Jedoch verwendeten die Amerikaner gleichfalls 1943 -- in einer zweiten Anlage bei Oak Ridge auch das elektromagnetische Verfahren der Isotopentrennung: Ein Strahl beschleunigter Uran-Atome wurde in elektromagnetischen Kraftfeldern in die leichteren U-235- und die schwereren U-238-Atome aufgespalten.
Trennanlagen, wie sie von den Amerikanern bei Oak Ridge errichtet wurden, waren angesichts des enormen technischen Aufwands für Deutschlands Physiker von Anfang an utopisch. Die Deutschen suchten statt dessen Trennverfahren mit Hilfe einer Ultrazentrifuge zu entwickeln: Ähnlich wie sich in den Zentrifugen einer Molkerei Fett und Magermilch voneinander scheiden, müßte sich -- so mutmaßten die Physiker -- in rasend rotierenden Gaszentrifugen das geringfügig schwerere Uran 238 vom leichteren Uran 235 allmählich trennen.
Die Entwicklungsarbeiten an der Gaszentrifuge dauern bis heute an. Aber bisher ist die Apparatur, die derzeit -- zu friedlichen Zwecken -- vor allem im Atomforschungszentrum Jülich erprobt wird, noch nicht zur technischen Verwendbarkeit heran gereift.