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SCHIFFAHRT / SEGELSCHIFFE Wie Pferde

aus DER SPIEGEL 25/1967

»Segel um Segel hob sich über die Kimm -- und alle standen wie Bilder und zogen wie Pferde.« So besingt der australische Kapitän und Schriftsteller Alan Villiers »das großartigste Segelschiff, das die Welt je sah": den Hamburger Fünf master »Preußen«.

Der Salpeter-Fahrer von der Elbe -- in Villiers Überschwang »der vollendetste Ausdruck der Kunst des Großseglerbaus« -- ging 1910 im englischen Kanal verloren, als »ein Tölpel von Dampfer« die Geschwindigkeit des 5081 Bruttoregistertonnen großen und schnellsten Windjammers aller Zeiten unterschätzte und ihn rammte.

Aber die »Tölpel« siegten nicht nur über die »Preußen«. Seit dem Bau von Suez- und Panama-Kanal (von den damaligen Seglern nicht befahren), seit der Entwicklung immer stärkerer und leichterer Schiffsantriebe, die immer höhere Geschwindigkeiten erlaubten, stiegen die Reeder unaufhaltsam von den durch launige Winde getriebenen, unpünktlichen und daher unrentablen Segelschiffen auf die Dampfer um. Und die Besatzungen mit ihnen: Gern tauschten sie die Knochenschinderei in kirchturmhohen Masten für warmen Mief an den Maschinen ein.

Fazit: Von rund 10 000 über hundert Tonnen großen Seglern im Jahre 1905 sank der Bestand bis heute auf ein paar Dutzend Schulschiffe.

Dagegen segelt nunmehr Wilhelm Prölss, 66, aus Hamburg an. Während Wissenschaftler am Reaktor-Antrieb für die Schiffahrt tüfteln, legte der Ingenieur und Freizeitsegler jetzt nach zehnjähriger Arbeit den Generalplan für einen 17 000 Tonnen tragenden Massengutfrachter vor -- vom Winde getrieben. Denn, so rechnet Prölss der Fachwelt vor: »Der Wind kostet bekanntlich nichts.«

Mit seinem »Dynaschiff« genannten Sechsmaster glaubt Prölss die drei Hauptnachteile der Segelschiffe beseitigt zu haben; sie sind

> hoher Personalbedarf -- in der »Preußen«-Takelage müßten nach den heutigen Arbeitsnormen rund 75 Mann turnen;

> schlechte Manövrierfähigkeit -- Wendemanöver dauerten bis zu 20 Minuten;

> niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit -- ihre Segel waren aerodynamisch ungünstig geformt. Der 160 Meter lange Lastensegler von Prölss hingegen soll

> weniger Mannschaft brauchen als ein gleich großes Frachtmotorschiff -- Prölss: »Ein Mann an einem Knöpfchen setzt die Segel«;

> fast so gut manövrieren können wie ein Motorschiff -- im Gegensatz zur Takelage herkömmlicher Segelschiffe sind seine Masten drehbar;

> schneller segeln können als je ein Windjammer zuvor -- dank einer völlig neuen Segelform.

Die gewaltige Segelfläche von 9600 Quadratmeter ("Preußen": 5500 Quadratmeter) soll von sechs je 60 Meter hohen, im Querschnitt elliptischen Pfahlmasten getragen werden. Die hohlen Masten dienen zugleich als Lager für die geborgenen Segel -- wie eine Gardine in die Schals können die Segel ferngesteuert von den Hahen in die Masten gezogen werden. Die Segel sitzen so dicht an den Rahen, daß die komplette Takelage eines Mastes wie eine geschlossene Fläche am Wind steht.

Nachdem diese günstige Takelage im Windkanal des Hamburger Instituts für Schiffbau ermittelt worden war, ließ Prölss mit 22 000 Mark Forschungshilfe des Senats den Generalplan für sein »Dynaschiff« errechnen.

Freilich nur auf dem Papier wurde der »Dyna«-Frachter dann ein Jahr lang auf dem Nordatlantik zwischen Hamburg und der amerikanischen Ostküste hin- und hergeblasen. » Ohne Klimmzüge« kam Prölss dabei zu dem Ergebnis, daß die Selbstkosten pro beförderte Tonne bis zu einem Drittel geringer seien als bei einem auf gleicher Route verkehrenden ebenso großen Motorfrachter.

»Erhärtet werden, so Prölss, »könnten die errechneten Vorteile« allerdings »nur durch den praktischen Betrieb solcher Schiffe im Verband einer Reederei.«

Bislang fand sich noch kein Frachtschiff-Reeder bereit, für 10,8 Millionen Mark -- soviel soll das »Dyna-Schiff« kosten -- unter Segel zu gehen.

Einzig ein amerikanischer Reisebüro-Manager zeigte bisher Interesse -- allerdings nicht für ein »Dynaschiff« als billigen Lastensegler, sondern als eine Attraktion für Seetouristen.

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