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ARBEITGEBERINNEN Wie Soraya

Sigrid Kressmann-Zschach, erfolgreichste Bauunternehmerin Europas, kommt mit Baubehörden und Maklern zu Rande -- nicht mit ihren Mitarbeitern; sie sperrte sich gegen die Wahl eines Betriebsrats.
aus DER SPIEGEL 30/1971

Jahrelang galt die »cleverste Bauherrin auf dem europäischen Kontinent« ("Süddeutsche Zeitung") als Muster einer deutschen Karriere-Frau. Die West-Berliner Architektin Sigrid Kressmann-Zschach, 41, sonnte sich im Erfolg.

Illustrierte schilderten den »Hollywood-Zuschnitt« ihrer Grunewald-Residenz und zeigten auf bunten Bildern die goldgerahmten Badezimmer-Spiegel und die vergoldeten Wasserhähne, den »üppigen Brokat« im Boudoir und die Pfauen und Fasanen im Park der schönen Multimillionärin. Reporter zählten 200 Kleider, 140 Paar Schuhe, 70 Hüte, 65 Handtaschen, 65 Pullover, 44 Kostüme, 25 Negligés sowie 20 Pelzmäntel und -jacken, spürten, daß die sächsische Blondine »bei Männern Begehrlichkeit« wecke ("Constanze"), und priesen ihren »selbsterarbeiteten Reichtum« ("Welt am Sonntag").

Zwar riefen die Geschäftspraktiken der Großunternehmerin (1,8 Milliarden Mark bisheriges Bauvolumen), die »mit Sex und Energie West-Berlins Bauwirtschaft regiert« (so der SPD-nahe Pressedienst »ppp"), gelegentlich Kritik hervor: Die Fachzeitschrift »Bauwelt« warf Sigrid Kressmann-Zschach »unzulässige Verquickung von Werbung, geschäftlichen Interessen und Architektentätigkeit« vor; das Blatt »Baumeister« nannte ihre Grundstücksspekulationen »Wildwest-Verfahren« und »frühkapitalistische Methoden«; ein CDU-Bezirksverordneter bezeichnete den Abriß historischer Gemäuer zugunsten profitträchtiger Projekte als »Verbrechen an der Allgemeinheit«; Linke schimpften die Geschäftsfrau gar »Krassmann-Schacher«,

Doch ihr Popularitätsgrad ("Süddeutsche": »wie Soraya")' ihr Äußeres ("Jasmin": »wohlgeformte Beine") und das Image der fleißigen Frau, die sich gegen allen Männer-Widerstand emporemanzipiert' bewirkten, daß Sigrid Kressmann-Zschach bislang »von der Öffentlichkeit -- trotz aller Kritik -- eher bewundert denn als kapitalistische Buh-Frau begriffen wurde. Plötzlich jedoch, so scheint es, ist der Dauer-Erfolg der Großunternehmerin bedroht -- sie selber meinte sich unlängst »ausrechnen« zu können, wann »das Büro Pleite macht«.

Denn zum Ärger mit Konkurrenten und Kritikern draußen ist neuerdings Krach in der eigenen Firma gekommen: Die rund 200 Mitarbeiter verbringen zeitweise, sagt Sigrid Kressmann-Zschach, »ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Diskussionen«, statt sich der Arbeit an Großprojekten wie dem »Steglitzer Kreisel« (232 Millionen Mark) oder dem »Kurfürstendamm-Karree« (135 Millionen) zu widmen, mit denen sich ihre Chefin -- neben dem Bau von Stadtteilen, Kirchen, Hotels und Bürohochhäusern -- einen Namen machte.

Die Unruhe im Atelier hat sich »die fleißige Sigi« (Maurer-Urteil) freilich selber zuzuschreiben: Mit ihren Architekten-Teams geht sie weniger clever um als mit Baubehörden, Grundstücksmaklern und West-Berliner Steuer-Präferenzen. Wochenlang sperrte sie sich gegen die Wahl eines Betriebsrats und eines Wirtschaftsausschusses in ihrem Architektenbüro.

Als ihre Arbeitnehmer Ende Mai mit siebzig Unterschriften eine »Betriebsversammlung zur Einleitung der Betriebsratswahl« einberufen wollten, untersagte die Chefin zunächst -- wegen formeller Mängel -- die Zusammenkunft und versuchte anschließend, zwei weitere Termine platzen zu lassen.

Wütend über eine junge Garde neuer Arbeitnehmer, die das straff geführte »Büro SKZ« (Architektenjargon) nach Meinung der Unternehmerin zu »politisieren« trachten, zog Sigrid Kressmann-Zschach ("Die älteren Mitarbeiter wollten nie einen Betriebsrat") zudem am 1. Juni neue Arbeitsvertragsentwürfe mit einem dreizehnten Monatsgehalt und Treueprämien, die sie erst im Mai dieses Jahres vorgelegt hatte, wieder zurück: »Ich sehe diesen Vorgang als erledigt an:' Drei jüngeren Mitarbeitern, die sich aktiv für die Bildung eines Betriebsrats eingesetzt hatten, wurde gekündigt; ein vierter ging, nachdem er zum Schönschreiben strafversetzt worden war und Architekten-Kollegen ihm verraten hatten: »Wir sollen nicht mit dir sprechen.«

In der Verschiebung der Betriebsratswahl -- neuer Termin: 4. August -- sehen die argwöhnisch gewordenen Ingenieure und Architekten den Versuch ihrer Chefin, Zeit zu gewinnen für eine Umverteilung der Belegschaft auf mehrere eigenständige Unternehmen. Vorteil für Sigrid Kressmann, die außer ihrem Architekturbüro mit 150 Angestellten beispielsweise noch eine Handels- und Finanzierungs-Kontor GmbH & Co. ("Hanfiko") mit rund fünfzig Mitarbeitern betreibt: In Betrieben mit weniger als hundert ständigen Arbeitnehmern kann der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht die Bildung eines Wirtschaftsausschusses verlangen.

Die Chefin weist zwar solchen Verdacht als »absolut töricht« von sich, doch daß sie über ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten, zu denen laut Betriebsverfassungsgesetz auch »Arbeitsmethoden« und »die wirtschaftliche Lage des Unternehmens« gehören, nur höchst ungern irgend jemanden unterrichten möchte, scheint sicher. So hörte einer der gekündigten Architekten, wie er sich erinnert, von ihr: »Wer auf den Wirtschaftsausschuß spekuliert, liegt falsch. Ich lasse mir nicht in die Bücher gucken.«

Kurz vor der am 15. Juni endlich zustande gekommenen Betriebsversammlung und angeblich bedrängt von treuen Untergebenen («...hält man die Wahl eines Betriebsrats nicht für die sinnvolle Art ..."), bot Sigrid Kressmarin-Zschach denn auch interessierten Mitarbeitern ihres Büros neue Verträge »zur Übernahme in die UCC« an, eine im Handelsregister nicht eingetragene »Universal Consulting Cooperation«.

Das Verlockende an diesen Verträgen: Sie versprechen all jene sozialen Leistungen, einschließlich täglich einer Mark für das Mittagessen, die Sigrid Kressmann-Zschach im Mai angeboten, am 1. Juni jedoch verärgert ("Ein Betriebsrat kostet Geld") zurückgezogen hatte.

in besseren Zeiten gab die Unternehmerin hingegen gern Geld für etwas Besonderes aus -- zum Beispiel, im vorigen Herbst, für einen Betriebsausflug nach New York, den die »Süddeutsche Zeitung« noch unlängst als »Sensation« bezeichnete.

Wie kühl die Sensation kalkuliert war, drang nicht an die Öffentlichkeit: Teilnehmer am New-York-Ausflug mußten sich durch ihre Unterschrift verpflichten, zumindest bis zum 30. Juni 1971 SKZ-Mitarbeiter zu bleiben oder aber 850 Mark zurückzuzahlen.

Drei ausscheidende Mitarbeiter wurden im Frühjahr tatsächlich zur Kasse gebeten.

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