Österreich Wie Suchtgift
Gerd Bacher liebt das klare Wort, vor allem, wenn's ums Personal geht. Weibliche Angestellte des Österreichischen Rundfunks (ORF) nannte der Chef »Trutschen«, »Pritschen« und »Menscher«, die »ihre Prüfungen leichter im Bett bestehen würden«. Betriebsräte des Monopolsenders bezeichnete er als »Politruks« und »Apparatschiks«, denen »auf der mittleren Ebene das Hirn fehlen« würde.
Bei soviel Verachtung fürs Subalterne ist es nicht überraschend, daß der Mann auch an seinen Landsleuten insgesamt nicht viel Freude hat. Die Österreicher, lästerte er einmal, seien »der Dünnschiß Europas«.
Starke Sprüche, gern unter der Gürtellinie, sind ein Markenzeichen des Journalisten Gerd Bacher, 64. Der cholerische Kahlkopf, nach eigenem Bekenntnis »ein heimatloser Rechter«, hatte sein berufliches Glück immer wieder mal in der benachbarten Bundesrepublik gesucht, wenn's in der Heimat eng wurde.
Sein vertrauter Freund, der Münchner Medien-Mogul Leo Kirch, setzte Bacher als seinen Vertreter in den Aufsichtsrat des Privatsenders Sat 1. Und sein einflußreichster Förderer in deutschen Landen, Kanzler Helmut Kohl, setzte auf den sicheren Geschmack des kleinwüchsigen Fernsehprofis: Bacher durfte den befreundeten Oggersheimer umstylen - von der modischen Krawatte bis zum flotten Brillengestell.
Aber richtige Karriere machte der »Boulevardjournalist mit Machtinstinkt« (so der Wiener Philosoph Franz Schuh) trotz höchster Protektion nie in der Bundesrepublik, sondern stets nur in seinem geschmähten Heimatland.
Vorvergangene Woche kürte das 35köpfige Kuratorium des österreichischen Staatssenders Gerd Bacher zum Generalintendanten und damit zu einem der einflußreichsten Männer der Alpenrepublik.
Es war ein erstaunliches Comeback: Schon zweimal, von 1967 bis 1974 und von 1978 bis 1986, durfte er auf der »größten Medien-Orgel des Landes« (so Bacher) klimpern - und beide Male, als er zu heftig in die Tasten griff, nahmen ihm die Sozialisten Bruno Kreisky und Fred Sinowatz das Spielzeug wieder weg.
Daß Bacher, dem auch seine zahlreichen Feinde Professionalismus und Durchsetzungskraft keineswegs absprechen, erneut an die Spitze der Sendeanstalt mit 3200 Mitarbeitern aufrückte, ist möglicherweise mehr als ein Medien-Ereignis: Es wird auch als Signal für eine politische Wende in Österreich verstanden, wo am 7. Oktober ein neues Parlament gewählt wird.
Während die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) trotz zahlreicher Affären um prominente Parteibonzen vom Kanzlerbonus des Ex-Bankers und »Nadelstreifensozialisten« Franz Vranitzky zehrt, hat ihr Koalitionspartner, die bürgerliche Volkspartei (ÖVP), rapid in der Wählergunst verloren. Dies vor allem zugunsten der rechtsliberalen FPÖ, deren smarter Anführer Jörg Haider mit hemmungslosem Populismus ebenso Jungwähler wie Altnazis anzieht.
Haiders FPÖ könnte als Juniorpartner zusammen mit der ÖVP nach der Wahl die nächste Koalitionsregierung stellen - dann wären die Sozis erstmals nach 20 Jahren in die Oppositionsbank gedrückt, eine Vision, die beide bürgerliche Parteien beflügelt.
Bei der Wahl des ORF-Generalintendanten verfügten Rote und Schwarze über je 16 Kuratorenstimmen, die Freiheitlichen über 2, die Grünen hatten eine. Doch nach dem zweiten Wahlgang - das Prozedere »ist komplizierter als eine Papstwahl« (SPÖ-Kurator Siegbert Metelko) - blieben Bacher 22 Stimmen, deutlich mehr als seinem Gegenkandidaten, dem amtierenden Sender-Leiter Thaddäus »Teddy« Podgorski, 55.
Fazit: ÖVP und FPÖ haben geschlossen für Bacher votiert, aber dazu noch der eine oder andere SPÖ-Vertreter. Für den unterlegenen Podgorski, zwar parteilos, aber der roten Reichshälfte zugerechnet, ist die Sache klar: Die Konservativen hätten »z'sammpackelt« (wienerisch für konspiriert), seine überraschende Abwahl sei »der Probegalopp für die Nationalratswahlen gewesen«.
Die SPÖ, die unter dem notorischen Sozialistenfresser Bacher deutlich an Einfluß auf Fernsehen und Rundfunk einbüßen wird, spielte die verlorene ORF-Wahl runter. Kanzler Vranitzky lakonisch: Mit einer kleinen Koalition aus ÖVP und FPÖ hatte man sich »gedanklich ohnehin beschäftigen« müssen.
Für Pius Strobl, den Grünen-Vertreter im ORF-Kuratorium, ist die Bacher-Wahl ein »klares Zeichen«, wie sich Österreichs politische Zukunft verändern wird: »Dieses kalte Machtspiel auf dem Rücken des Senders« wird vor allem FPÖ-Chef Jörg Haider nützen: »Der Bacher muß dem Haider ja alles mögliche versprochen haben.«
Solche Vorwürfe wies Bacher, der gleich nach den Nationalratswahlen in der ORF-Chefetage am Wiener Küniglberg einziehen wird, vergangene Woche weit von sich. Er habe, beteuerte Bacher dem Magazin Profil, Parteien »noch nie Dankbarkeit abgestattet«, deswegen sei er auch schon zweimal geflogen.
In den Fluren auf dem Küniglberg hat die Bacher-Bestellung bei den wenigen kritischen Journalisten mit Biß, etwa im Inlandsreport, wahre »Schockwellen« ausgelöst. Aber auch konservative Redakteure (die große Mehrzahl der Redaktion) erinnern sich noch mit Schaudern an den jähzornig-autoritären Stil, mit dem Bacher den Sender terrorisierte - etwa seine Anweisung über die von ihm goutierte Haarlänge seiner Mitarbeiter: »Das Geschlecht der ORF-Angestellten sollte auch in bekleidetem Zustand erkennbar sein.«
Besserung des ob seiner Wutausbrüche berüchtigten »autokratischen Greises« (so ORF-Betriebsräte schon 1986) ist nicht zu erwarten. Sein fortgeschrittener Jahrgang habe seinen Elan keineswegs gebremst, meint er selber: »In meinem Alter hat Kreisky mit der Erneuerung Österreichs begonnen.«
Und seine Beziehung zum Monopol-Sender ist wie eh und je: »Der ORF ist für mich wie Suchtgift.«