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»Wie viele Deutsche kaputt?«

aus DER SPIEGEL 27/1979

Bericht aus Nemmersdorf, Ostpreußen: Am Dorfrand in Richtung SodehnenNemmersdorf steht auf der linken Straßenseite ein großes Gasthaus »Weißer Krug«. Rechts davon geht eine Straße ab, die zu den umliegenden Gehöften führt. An dem ersten Gehöft, links von dieser Straße, stand ein Leiterwagen. An diesen waren vier nackte Frauen in gekreuzigter Stellung durch die Hände genagelt ...

An den beiden Scheunentüren waren je eine Frau, nackt in gekreuzigter Stellung, durch die Hände angenagelt. Weiter fanden wir dann in den Wohnungen insgesamt 72 Frauen einschließlich Kinder und einen alten Mann von 74 Jahren, die sämtlich tot waren. Fast ausschließlich bestialisch ermordet bis auf nur wenige, die Genickschüsse aufwiesen. Unter den Toten befanden sich auch Kinder im Windelalter, denen mit einem harten Gegenstand der Schädel eingeschlagen war.

Bericht aus Metgethen, Ostpreußen:

Im Orte Metgethen, einem westlichen Vorort von Königsberg, fanden wir in vielen Wohnungen Frauen und Kinder im Alter von zehn bis 80 Jahren geschändet und ermordet. Etwa 200 Tote dieser Art haben wir mit Truppenfahrzeugen eingesammelt und zur Identifizierung gebracht (Gefechtsstreifen der 1. und 561. Div.).

Auf dem Bahnhof Metgethen fanden wir etwa sieben Personenwaggons eines Flüchtlingszuges aus Königsberg stehen. In jedem Waggon fanden wir etwa sieben bis neun bestialisch zugerichtete Leichen von deutschen Flüchtlingen jeden Alters und Geschlechts. Einzelne Frauenleichen mit Merkmalen vorausgegangener Schändungen.

Auf dem Tennisplatz von Metgethen befand sich ein Sprengtrichter von etwa zehn Meter Durchmesser und vier Meter Tiefe. In seinem Innern, auf seinem Rand, in der nächsten Umgebung des Trichters, am und auf dem hohen Drahtzaun des Tennisplatzes und in den Ästen der umstehenden hohen Bäume lagen und hingen erdverschmierte Leichen und Leichenteile von etwa 25 Männern, Frauen, Kindern, drei oder vier Flaksoldaten und einigen Männern in deutscher Polizeiuniform. Rund um den Trichter lagen einige Pferdekadaver und einige Fuhrwerke mit zerfetztem Flüchtlingsgut. Andere Leichenteile, zum Beispiel

* Im Oktober 1944. Die ostpreußische Ortschaft war vorübergehend von deutschen Soldaten (im Hintergrund) zurückerobert worden.

Knie, Arm mit Hand und so fort, fanden wir bis zu 200 Meter in der Umgebung des Tennisplatzes. Bericht aus Königsberg, Ostpreußen:

Am 9. April 1945. Es war ein Montag, früh 7 Uhr, wurden wir alle im Keller Claaßstraße 3 vom Russen überrascht. Das erste, was sie sagten, war: »Das deutsche Mensch kommen, Urr ist?« Mit Fäusten, Kolbenschlägen und Fußtritten wurden wir bearbeitet. Die Zivilisten mußten noch im Keller bleiben. Wir hörten dann von der Straße aus Schüsse im Keller und das Schreien der Frauen und Kinder. Die Russen hielten sich ca. 1 Stunde in dem Keller auf, und wir mußten das Jammern der Frauen und Kinder mit anhören. Frauen, die den Russen entweichen konnten, wurden draußen von den Mongolen durch Genickschuß getötet.

Mit ca. 900 bis 1000 deutschen Soldaten wurden wir von der Roten Armee in die Innenstadt gejagt. Frauen und Kinder lagen tot in den Straßen, denen die Köpfe abgehackt, der Unterleib aufgeschnitten und brennende Fackeln in den Unterleib gesteckt waren. Bericht aus Ottenhagen, Ostpreußen:

Gemeinsam irrten wir nun weiter bei tiefem Schnee und großer Kälte und wurden von kleinen Trupps Russen überholt, die immer Uhr und Stiefel verlangten. Dabei ist der 80jährige Herr B., Mahnsmühle, beim Austreten im Walde erschossen worden ... Plötzlich kamen zwei Personenautos mit Russen, die blitzschnell alles nahmen, Handtaschen, Koffer, Gepäckstücke, Pelze, was sie sahen und wertvoll war. Dann -- ein schnelles Aufstellen zum Erschießen.

Der Überfall kam so schnell, daß niemand wagte, etwas zu sagen. Mein Mann, einer der ersten, hatte Kopfschuß vor meinen Augen. Da wir gleich am Anfang standen, habe ich nur Schreien und Schießen gehört, der Schmerz hat mir das Bewußtsein genommen, und ich fiel hin. Von 19 Personen war ich allein ohne Verletzung übriggeblieben.

Bericht aus dem Kreis Osterode, Ostpreußen:

15 Uhr Saalfeld. Halt auf dem Marktplatz. Wir vertreten uns die Beine, der Kutscher steht bei den Pferden. Plötzlich Rasseln und Dröhnen, ein Panzer, nein, kein deutscher, ein russischer Panzer, riesenhaft. Maschinengewehre tacken. Ich reiße die Kinder in den Wagen, Kaminskis flüchten in ein Haus. Der Kutscher schreit: »Mich hat es getroffen!« Der nächste Panzer rammt uns, die Deichsel bricht, und die Pferde gehen durch. Wir streifen in rasender Fahrt eine Bretterwand, eine Hausecke. Wieder ein Panzer, die Pferde biegen aus, dabei kippt der Wagen um, wir fliegen durcheinander, werden weitergeschleift.

Bericht aus dem Kreis Graudenz, Westpreußen:

Den 87jährigen Pastor Anton Rutkowski in Eichstädt, der mich getauft und konfirmiert hat, haben die Polen in den Gärten rücklings an einen Baum gebunden und ihm einen Knebel in den Mund gestopft. So ist der Greis, der sich wohl als Polenblütiger nicht gefährdet fühlte oder wegen Altersschwäche nicht fliehen konnte, elendig verhungert oder erstickt.

Den Bauern Eduard Kitzmann in Mstowo, Kreis Kutno, hat man in seiner Scheune mit einer Kette mit den Beinen nach oben gezogen, dann auch die Arme hochgezogen und ihn hängen lassen, bis er am dritten Tage starb.

Den Friedhofswärter Otto Fuchs, 52, und seinen 24jährigen Sohn Hans Fuchs in Hohensalza hat man rücklings an Füßen und Händen gefesselt. An einer durchgeschobenen Stange mit dem Bauch nach unten aufgehängt, unter ihnen ein Kohlenfeuer angezündet und sie langsam, in zwei Tagen, zu Tode gesottet. »Po Tatarsku«, auf tartarisch, nach Tartarenart heißt das polnisch.

Der Landarbeiter Ludwig Wolski, 43, aus Slonsk, Kreis Nessau, wurde aufs Feld gezerrt, in einem flachen Grab, das er sich hat schaufeln müssen, auf dem Bauch liegend an den Händen und an den Füßen angepfahlt, sodann mit Erde bedeckt, jedoch so, daß der Mund und die Nase frei blieben zum Luftschöpfen. Da Wolski nicht frei atmen konnte, ist er nach zweieinhalbtägiger Atemquälerei allmählich erstickt.

Der Tischlermeister Johann Hoffmann, 51, aus Godetz, Kreis Leslau, wurde an eine Baustelle geschleppt, heftig geprügelt und auf den Boden geworfen. Dann ließ man schwere Balken auf ihn fallen und brach ihm auf diese Weise die Oberschenkel und die Arme. Er wurde in eine trockene Lehmgrube geworfen, wo er am vierten Tage starb.

Der Großbauer Gottlieb Ziebarth, 46, aus Sobotka, Kreis Warthbrücken, wurde unter entsetzlichen Prügelschlägen von der polnischen Dorfbevölkerung aus seiner Wohnung auf die Landstraße gezerrt. Hier wurden ihm Ohren, die Nase, die Lippen, die Finger, die Geschlechtsorgane abgeschnitten. Er wurde in den Chausseegraben geworfen. Als er am Abend noch lebte, schnitt man ihm den Bauch auf und brachte ihm weitere Wunden bei. Doch Ziebarth starb erst am anderen Tage abends.

Der Großbauer Emil Badke, 49, aus Cety, Kreis Leslau, wurde aus seinem Hause geholt, an drei Tagen mit Rohrstäben und Ketten geschlagen, hinterher jedesmal in einen Stall eingeschlossen. Am darauffolgenden Sonntag brachte man ihn in das Dorf Boniewo, Knotenpunkt der Schmalhahn nach Leslau, wo man eine große Hitlerschau für den Nachmittag angesagt hatte. Vor einer vieltausendköpfigen, schaulustigen, mordgierigen Menge wurden dem Todgeweihten Ketten und eine Bracke an jedes Bein gebunden, an jede Bracke wurden vier Pferde gespannt. Nach einem zynischcn Zeremoniell mit einer Hakenkreuzfahne und Hitlerhohn wurden die Pferde angetrieben, und der Elende wurde zerrissen.

Zum Beispiel den Landwirt Reinhard Sager, 38, aus Josefki bei Kutno, hängte man mit dem Kopf nach unten so in den Brunnen, daß er nur atmen konnte, wenn er sich stark krümmte. Endlich ermüdete er und ertrank.

Die Reihe der gequälten Märtyrer des Deutschtums ließ sich beliebig fortsetzen, doch ich habe nur die Fälle genannt, in denen mir die Einzelheiten und Namen bekannt sind. Bericht aus Elbing, Westpreußen:

Unter Begleitung russischer Soldaten wurden wir vorwärtsgetrieben. Auf diesem Todesmarsch warfen die russischen Soldaten laufend kleine eigroße Sprengkörper in den Zug. Ich mußte zusehen, wie Herr Kilian aus Elbing-Trettinkenhof tödlich verletzt wurde, desgleichen die Tochter des Beamten Herrn Neumann an einer solchen Kopfverletzung starb. Die Getroffenen mußten liegenbleiben und der ganze Zug darüberlaufen. Wer nicht sofort tot war, bekam von einem Trupp russischer Soldaten, der dem Zug folgte, den Genickschuß, wir nannten es den Gnadenschuß.

Bericht aus dem Arnswald, Pommern:

In die Gutsscheune schossen die Russen eine Leuchtkugel hinein, dieselbe ging sofort in Flammen auf. Zu meinem großen Schrecken kamen dort an 50-60 Frauen, Kinder und Männer herausgelaufen. Als die Russen das auch sahen, schossen sie mit Maschinengewehren dazwischen. Es war ein großer Jammer, was da alles liegenblieb, weiß vielleicht wohl keiner. Ich sagte zu den Russen, warum sie das machen, die sagten nur, deutsche Soldaten auch unsre Frauen und Kinder totgeschossen.

Bericht aus Kattowitz, Oberschlesien:

Nach zweieinhalb Monaten wurde ich in das Strafgefangenenlager Myslowitz überführt ... Hier zählte man im Durchschnitt etwa 25 Tote täglich, und als der Typhus ausbrach, zählte man etwa 70 Tote täglich ...

Eines Tages wurden 15 Männer aus dem Gerichtsgefängnis gebracht. Diese wurden täglich so geprügelt, daß sie binnen 14 Tagen alle tot waren. Auch eine größere Anzahl der ehemaligen Kreis Görlitz. Mit vorgehaltenem Revolver zwangen sie uns zum Schweigen, nachdem sie uns jeglicher Habe beraubt hatten, daß Vater, Mutter, Schwester und deren 2 kleine Kinder, 1 1/2 und 4 Jahre alt, sowie ich dabei waren, schreckte sie nicht zurück.

Beim Versuch, durch die zurückflutende deutsche Front noch zu gelangen, kamen fünf deutsche Frauen aus meinem Heimatdorf ums Leben: die Bäuerin Frau Emma Lissel mit ihren drei Töchtern Käte, Erna und Ursel, und Frau Nierlich, Frau Lissel und eine Tochter wurden schwer verwundet, die anderen nahmen sich hierauf das Leben durch Öffnen der Pulsadern und Einnehmen von Schlaftabletten. Die Leichen blieben vom 11. 2. 1945 bis zum 20. 3. 1945 auf dem Felde liegen und wurden dann von deutschen Zwangsarbeitern in einem großen Grabe an der Kadettenanstalt (Straße Oyas-Neuhof) beerdigt.

In ihrer Verzweiflung müssen die Frauen völlig die Nerven verloren haben. Da es überall im Dorf auch allmählich ruhiger geworden war, nahmen die Unglücklichen scheinbar an, daß wir alle getötet worden seien. Nur so ist es zu erklären, daß die beiden Frauen ihre drei Kinder töteten und selbst aus dem Leben zu scheiden versuchten.

Nach allmählicher Beruhigung der Verhältnisse und weiterer Rückkehr der Einwohner wurden dann zwei Kolchosen eingerichtet, die am. 24. 6. 45 den Polen übergeben wurden. Während es hier noch unter den Sowjets einigermaßen erträglich zugegangen war, änderten sich nun die Verhältnisse blitzartig zu unseren Ungunsten.

Sonntag mittag erschien ein Pole mit der Ankündigung, daß wir binnen zwei Stunden unter Mitnahme von nur 30 Pfund Gepäck den Ort zu verlassen hätten. Jedes Bitten um Aufschub, jeder Protest war hoffnungslos und wurde mit Erschießung und Verhaftung bedroht. Man hatte uns Lkws zum Abtransport zugesichert. Nichts kam. Und mit jämmerlichen zerbrochenen Handwagen und Schubkarren mußten wir, von Polen mit Gummiknüppeln aus unseren Wohnungen gejagt, die Heimat abends um 8 Uhr verlassen.

Bericht aus Liegnitz, Schlesien:

Mein Mann lag am 27. März noch im Bett, da sagte ich zu ihm: »Steh auf! Der Russe läuft schon über die Mauer, die roten Leuchtkugeln kommen schon, und von Steinau her dröhnen die Kanonen.« Bald kamen viele Leute gelaufen und baten um Unterschlupf. Ich packte in Eile ein Wägelehen, nahm meine alte 80jährige Mutter, die aus Breslau gekommen war, und nun ging die Wanderung los.

In einer Scheune bei Hainau gebar eine Frau ein Kind. Kein Arzt war da, keine Hebamme. Ich war in meiner Tracht vom DRK; da kam die Mutter der jungen Frau gelaufen und bat: »Ach, helfen Sie doch mc ncr Tochter!« Zuerst wollte ich nicht. Da ich aber schon das Köpfchen des Kindes sehen konnte, blieb mir nichts übrig, als nach einem Stoßgebet Geburtshilfe zu leisten. Und ich hatte Glück. Mutter und Kind blieben am Leben. Weiter ging's nach Bunzlau.

Wieder kam jemand an mich heran: »Ach Schwester, meine tote Mutter liegt auf einem Leiterwägelchen, helfen Sie mir, sie zu beerdigen.« Ich, hin und, o Jammer, da lagen noch mehr Leichen. Einer der deutschen Männer mußte ein Grab schaufeln, dann legten wir alle Toten -- 2 Männer, 1 Frau und 1 Kind -- hinein. Sie waren an Hungertyphus gestorben. Mir blieb

* Im Juni 1945 in Landskron mußten Deutsche tagelang in Löschwassertanks stehen.

nichts weiter übrig, ich mußte den Pastor vertreten und sprach über dem Grabe ein Vaterunser. Wir kamen dann nach Thiemendorf bei Laubau, wo wir in einem Stall übernachteten. Darin lagen 6 verreckte Kühe, die einen scheußlichen Gestank verursachten. Bericht aus dem Kreis Kolmar, Posen:

Es war der 20. Januar 1945. Befehl kam, daß wir flüchten mußten die Richtung Scharnikau ... Am dritten Tage, dem 23. Januar, überholte uns schon der Russe. Mein Mann stand bei unserem Wagen, wollte mir die Kleine abnehmen, da wir von der Straße aufs Land flüchten wollten. Da kam auch schon ein Russe, sprang vor ihn und sagte: »deutsch, polnisch?« Auf mein Mann sein Wort »deutsch« schoß er ihn vor unseren Augen durch die Brust. Sein Tod trat auf der Stelle ein.

Bericht aus Danzig:

Vor den Augen der Männer, die mit der Maschinenpistole in Schach gehalten wurden, wurden die Frauen vergewaltigt. Wir versteckten uns, sie fanden uns doch. Ein vielleicht 18-19jähriger hatte es auf mich abgesehen. Mit einer Flasche Wein bewaffnet, zwang er mich in die Telefonzelle. Ich sagte: »Alte Großmama ganz schrumpelig.« Nun rief er immer: »Großmama muß.«

Eine junge Frau mit drei kleinen Kindern wollte noch schnell im Keller nebenbei verschwinden, als die Horde sie überwältigte. Die Kinder riefen: »Mutti, Muttilein!« Da nahm der eine Russe die Kinder und schlug sie an die Mauer. Das Knirschen vergesse ich mein Leben lang nicht.

Bericht aus Stettin, Pommern:

Diese Russen hatten beim Plündern und Herumsuchen in der Gutsbrennerei Mengen an Sprit und Schnaps gefunden und sich betrunken. Nun fingen sie mit Mord und Vergewaltigung an. Man hatte uns Frauen in die Schule getrieben. Wer Widerstand leisten wollte, wurde mißhandelt oder gar erschlagen, erschossen. Ich selbst wurde am Dienstag früh von einem Russen vergewaltigt, während ein anderer mit gezogener Waffe danebenstand. Niemand von uns wurde verschont.

Die alte Frau Karl mußte mit Entsetzen mit ansehen, wie ihre 12jährige Enkelin mißbraucht wurde. Eine ostpreußische Flüchtlingsfrau wurde erschossen, weil sie ihre 17jährige Tochter schützen wollte. Baronin von Kleist wurde wohl 20mal hintereinander vergewaltigt. Nur die angelegte Schwesterntracht schützte sie vor dem Tode. Die jungverheiratete, hochschwangere Tochter Ilse der Frau Tankow wurde 10mal hintereinander vergewaltigt. Sie wurde auch später, jeden Tag mehrmals, geholt. Den Bürgermeister Rabe schlugen die Russen, bis er zusammenbrach. Seine Frau wurde vergewaltigt und in den Dorfteich geworfen. Bericht aus dem Kreis Deutsch-Krone, Pommern:

Einige Familien, die sich zur Flucht nicht entschließen konnten, haben Grausiges erlebt ... Die Familie Bauer Adolf Wendland wurde mit vier Kindern erschossen. Die ersten Rückwanderer fanden sie im Mai 1945 am Giebel ihres Hauses in verwestem Zustande vor und bestatteten sie. Bericht aus dem Lager Adelsdorf, Schlesien

Ein anderer, Nitsche aus Freiwaldau, ca. 20 Jahre, kam auch als Heimkehrer ins Lager. Diesem wurde unbegründet zur Last gelegt, daß er beim Werwolf gewesen sei. Zur Erzwingung eines Geständnisses wurde er mit Drahtseil an einen Mast gebunden und vor seinen nackten Füßen in den Kies geschossen, so daß ihm die feinen Steinsplitter ins Fleisch eindrangen. Zum Abschluß brannte man ihm mit glühenden Zigaretten Löcher in das linke Handgelenk.

Wir kamen dann ins Lager nach Adelsdorf. Dort war die Behandlung nicht viel besser. Das freigewordene Waldlager in Thomasdorf war dann der Schauplatz mehrerer Erschießungen. In Adelsdorf wurde auch bei einem nächtlichen Alarm ein 15jähriger Junge durch Erschießen ums Leben gebracht. Im ganzen kamen 28 Männer durch Erschießen ums Leben oder starben an den Folgen der grausamen Behandlung. Einer verübte Selbstmord.

Bericht aus Bielitz-Biala:

Am 3. 4. 45 wurde ich von den Polen mit Russen verhaftet und in einen Keller eingesperrt mit mehreren anderen Deutschen. Wir wurden einzeln zum Protokoll geführt. Am zweiten Tag wurden wir von Pschow nach Loslau Krs. Rybnik zu Fuß transportiert. 10 km. Dort war die Sammelstelle. Von dort aus wurden wir nach Bielitz-Biala transportiert.

Der Empfang in Biala war schrecklich. Wir wurden einzeln vernommen und von den Polen bis zur Unkenntlichkeit geschlagen. Die Wände waren mit Blut bespritzt. Viele wurden zu Tode geschlagen. Ich und ein jeder war im Gesicht so schwarz geschlagen, wo man 14 Tage von keinem erkannt wurde. Nachher wurden wir in einen Keller -- 4 x 4 groß, zirka 50 Mann -- eingesperrt und bekamen nur einmal am Tage einen Teller Kartoffelsuppe (das war nur Wasser).

Bericht aus Groschowitz, Oberschlesien:

Wir wurden alle in das Gefängnis der 63er Kasernen überführt. Hier war die Mißhandlung noch viel schlimmer als zuvor. Bald alle Tage in den Abendstunden, wo die Männer von den Aufräumungsarbeiten in die Zellen kamen, kamen 4 oder 5 Polen nur in Turnhosen und langen Stiefeln in die Zellen und mißhandelten uns. Wir mußten uns auf dem Fußboden hinlegen, und die Polen in den langen Stiefeln hackten uns in den Oberkörper. So wurde der Oberkörper zerschlagen, und davon mußten viele sterben.

Die Toten wurden in drei bereitstehende Kisten gelegt und auf den Friedhof gefahren. Auf dem Friedhof wurde ein Loch ausgeschachtet und die Leichen ausgeschüttet und die Kisten wieder zurückgebracht für die nächsten, die sterben mußten.

Von den 10 Mann in der Zelle, wo ich gelegen habe, sind nur 3 am Leben geblieben. Aus meinem Heimatdorf waren in demselben Lager 13 Mann, davon mußten 6 Mann sterben. In den Monaten Juni bis Oktober 1945 sind in dem Lager 183 Mann gestorben.

Bericht aus Alexanderfeld:

Nach einer Woche mußten wir wieder nachts zum Protokoll gehen, ins Nebenhaus, einzeln. Nun wurden wir wieder gefragt, wer bei der SA war, bei welchen Vereinen usw. Nun sagte man mir, ich wäre doch bei der NSDAP gewesen, warum ich mich nicht bekenne.

Ich sagte, man wollte mich dazu. Ich habe es nicht angenommen. Da sagte ein Fräulein, welche mit der Maschine schrieb, ich wäre doch auch Jungbauer gewesen. Ich sagte, wie kann ich denn Jungbauer sein, bin doch 63 Jahre alt. So mußte ich mich auf einen Sessel legen, die die zwei Unteroffiziere, einer mit dem Ochsenziemer, der andere mit dem Säbel, schlugen, was sie Kräfte hatten, auf meinen Rücken usw. Bis das Fräulein rief, sie sollten schon aufhören. Ich sagte: »Schlagt mich tot, ich war nicht bei der NSDAP gewesen!« Von der Kanzlei bis in den Keller wurde ich wieder mit Fußtritten behandelt. Andere Kollegen, die Meister waren in Fabriken, Fleischer, Tischler oder Baumeister, wurden noch mehr mißhandelt.

Bericht aus Kanth, Landkreis Breslau:

Gemordet haben sie unzählige Menschen, den zweiten Tag gleich unsern Erzpriester, Dr. Ad. Moepert in der Pfarrwohnung, weil er die Ordensschwestern, sieben ältere Graue Schwestern, vor dem Vergewaltigen schützen wollte. Mit der Maschinenpistole haben sie ihm das Genick zerschlagen. Frauen, die zu den Fenstern hinaussprangen, um sich vor den Bestien zu schützen, haben sie nachgeschossen (viele waren verwundet), Menschen den Schädel eingehauen. Am andern Tage wurden viele Männer verschleppt.

Bericht aus Prag:

Zunächst wurden wir alle der Haupthaare beraubt. Mein Kopftuch wurde hinuntergerissen, die Steckkämme zertrampelt, vorne der Schopf mit einem Taschenmesser hart an der Kopfhaut abgeschnitten ...

Auch mußten wir uns mit einer Hand den Halsausschnitt weit offen halten, dann der vor mir knieenden den ruckwärtigen Halsausschnitt öffnen, und man goß uns abwechselnd vorne und hinten Jauche und Wasser auf den Körper.

Jeder machte mit uns, was er wollte. Wir wurden getreten, geprügelt. bespuckt. Ich wußte selbst nicht mehr, was mir alles geschah. Dazwischen schrie der Pöbel nach Benzin oder Petroleum, und wollte man uns mit aller Gewalt verbrennen. Da nichts zur Stelle war, stopfte man uns von der nassen Erde die abgeschnittenen Haare tief in den Mund, klebte uns Schnurrbärte und Bärte an, und unter furchtbarem Gebrüll ging diese Marterung weiter bis ins Kino Slavia, Prag XII.

Am Hof des Kinos angekommen, mußten wir uns mit dem Gesicht zur Mauer stellen und bekamen jeder furchtbare Peitschenhiebe. Blutend wankte ich in eine Sesselreihe, wurde von einer deutschen Ärztin gewaschen und notdürftig verbunden ... Als aber an diesem Tage ein betrunkener Posten einem einige Monate alten Kinde, welches in den Armen seiner Mutter vor Hunger und Vernachlässigung schrie, mit dem Pistolenkolben den Kopf einschlug, damit es angeblich Ruhe gäbe, war ich am Ende meiner Kraft.

Bericht aus Brünn, CSSR:

Ohne Rücksicht auf die Ermüdung der alten Leute durch die schlaflose Nacht wurden wir auf der Landstraße weitergetrieben. Kaum eine kurze Essenspause wurde uns gewährt. Mit den Zurufen »Ihr deutschen Schweine, weiter«, wurde hinterrücks immer geschossen, wobei wir mittags. bei glühender Sonne in Raigern ankamen. Dahier wurden uns abermals die Rucksäcke durchgewühlt und alles halbwegs Brauchbare weggenommen.

Nachher ging es weiter gegen Pohrlitz. Viele Kinder und kranke Leute konnten nicht mehr weiter und wurden mit Fußtritten und Gewehrkolben zum Weitergehen gezwungen, bis sie entkräftet im Straßengraben zusammenbrachen, auch da gab es kein Pardon, sie wurden von den tschech. Begleitmännern mit Fußtritten ins Jenseits befördert.

Da bat eine Tochter, bei der sterbenden Mutter im Straßengraben verbleiben zu dürfen; aber sie wurde ... von der sterbenden Mutter fortgezerrt und weitergetrieben. Auch wurde einer hochschwangeren Frau, die durch die Aufregung im Straßengraben gebar, das Kind aus dem Leibe getreten, und sie mußte daselbst verbluten.

Grausamkeiten über Grausamkeiten begleiteten uns. Immer schütterer wurden unsere Reihen. Bei der Gluthitze wurde uns nicht einmal erlaubt, uns mit Wasser zu laben, nicht einmal die Säuglinge durften von ihren Müttern gestillt werden. Eben deshalb sind auch unterwegs viele Säuglinge gestorben. Die weinende Mutter bat den Begleiter, ihr totes Kindlein irgendwo begraben zu dürfen, Doch dieser faßte das tote Kindlein beim Fuß und warf es in den nahe liegenden Wald und trieb die heulende Mutter weiter.

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