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JACKIE KENNEDY Wieder verliebt

aus DER SPIEGEL 43/1966

Sie wird in den nächsten zwei Jahren nicht heiraten«, verriet die US-Filmzeitschrift »TV Photo Story«. »Silver Screen«, die Konkurrenz, wußte es besser: »Es ist ihr letzter Sommer allein.« »Photoland« schlug beide: »Sie war schon bei ihm.«

Sie: Jacqueline ("Jackie") Kennedy, 37, Witwe des ermordeten Präsidenten. Seit 35 Monaten erscheint sie Woche für Woche auf den Titelbildern der US -Regenbogenblätter als Königin-Ersatz der Amerikaner.

Noch drei Jahre nach dem Tode des Präsidenten (22. November 1963) orientieren sich Amerikas Frauen an der ehemaligen First Lady: Sie kämmen ihre Frisuren im Jackie-Stil, trimmen ihre Kleider in Heimarbeit auf Kennedy -Look, lassen ihre Nasen im Operationssaal auf Jackie-Format modellieren.

Jacqueline Kennedy, so ermittelte Meinungsforscher Gallup, wird in den USA mehr bewundert als irgendeine andere Frau der Welt, und eine Umfrage der Frauen-Zeitschrift McCall's unter 150 Redakteurinnen ergab: Die Schlagzeile »Jacqueline Kennedy wieder verheiratet« würde die meisten Leserinnen anlocken.

Die Verleger der US-Regenbogenpresse - seit Jahren außerstande, ihren Lesern attraktive Hollywood-Stars anzubieten - erkannten die Chance und stellten sich total auf den auflagenträchtigen Jackie-Trend um.

Das New Yorker Zeitschriften-Genie Myron Fass, das seine vier Blätter (Gesamtauflage: rund eine Million) seit der Ermordung John F. Kennedys ausschließlich mit Jackie-Photos bedruckt: »Diese Frau verkauft Zeitschriften. Als ich sie einmal zusammen mit den Johnson-Töchtern zeigte, sank die Auflage gleich um fünf Prozent. Wenn ich sie durch einen x-beliebigen Star ersetze, verliere ich 20 Prozent.« Und Fass-Kollege Jack Horner schwärmt: »Für uns ist sie eine Göttin, eine perfekte Aphrodite.«

Mit irreführenden Schlagzeilen, die »mehr versprechen, als sie halten, aber dennoch einen wahren Kern haben« (Verleger Fass), versuchen die Klatsch-Postillen, die zu 90 Prozent an Verkaufsbuden und in Drugstores zum Preis von durchschnittlich 35 Cent (1,40 Mark) gehandelt werden, das skandallose Dasein der Jacqueline Kennedy aufzupolieren.

So lockt das Fass-Blatt »Inside Movie« mit der knallgelben Titelaufschrift »Was Jackie John jr. jetzt über seinen Vater erzählen kann«. Der erwartungsvolle Leser aber erfährt: »Sie könnte ihm erzählen, daß der liebe Gott seinen Vater in den Himmel gerufen hat, weil er ihn dort sehr gern haben wollte. Daß sein Vater ein guter Mann gewesen sei, der viele Dinge in der Welt gewußt habe, und der liebe Gott mit ihm über jene Dinge sprechen wollte.«

»Movie Mirror« posaunte: Jackie wieder verliebt«. Verliebt, so stand im Innern des Blattes, »in das Leben ... in die Menschen ... und in die Natur«. Und »Photo Screen« warb mit der Schlagzeile »Die Liebesaffäre, die Jackie niemals vergessen wird«. Der Leser erfährt - vier Monate nach Beendigung der Spanien-Visite der Präsidenten-Witwe und im vorletzten Satz des 175 Zeilen langen Reiseberichts - darüber soviel: »Wir wissen, daß sie Spanien liebt.«

Jedes Rendezvous der wohlhabenden Witwe mit einem männlichen Wesen löst eine Welle der Spekulationen aus. Als Jacqueline Kennedy innerhalb weniger Wochen mehrfach mit dem - der Kennedy-Familie seit langem bekannten - 62 Jahre alten spanischen Botschafter beim Vatikan, Antonio Garrigues, zusammengetroffen war, verbreiteten die Postillen Verlobungsgerüchte. Jackie ließ durch Botschafter und Freunde dementieren.

Nach einem Besuch in Rom munkelten die Zeitschriften über eine Liebes -Affäre Jacqueline Kennedys mit dem italienischen Bildhauer Pericle Fazzini. Römische Zeitungen hatten Photos gedruckt, die Jackie Hand in Hand mit dem Italiener zeigten. Tatsächlicher Anlaß für die Kontaktaufnahme: Fazzini hatte ihr beim Treppensteigen die Hand gereicht.

Als mögliche Ehemänner präsentierten die Filmblätter auch den Librettisten ("My Fair Lady") Alan Jay Lerner, 48, sowie den. Regisseur ("Wer hat Angst vor Virginia Woolf") Mike Nichols, 34, nachdem die Theatermänner die Witwe beiläufig getroffen und mit ihr photographiert worden waren. Sogar die Fahrt der Präsidenten-Witwe in einem Taxi in ihr Washingtoner Domizil war den Asphalt-Autoren einen Bluff wert: »Jackie spricht über den Mann, der sie nach Hause brachte.« Es war der Taxifahrer.

Für Gerüchte-Nachschub sorgen nicht nur die amerikanischen Photographen: In Argentinien pirschten zwei einheimische Reporter auf dem Anwesen des Ex-Außenministers Miguel A. Carcana dessen Besucherin Jacqueline Kennedy trotz starker Bewachung nach und hatten Jagdglück: Die ehemalige First Lady zog sich unter freiem Himmel vor ihren Linsen aus und zum Baden um. Die Bilder-Blätter verzichteten jedoch auf den Abdruck der freizügigen Bilder, denn, so Jack Horner: »Die Geschichten müssen positiv sein. Ein-Wort oder Bild gegen sie, und die Redaktion wird von Beschwerden überschwemmt.«

Ein Ende der Jackie-Welle ist nicht abzusehen. Die »Washington Post": »Solange Mrs. Kennedy unverheiratet bleibt, werden die Jackie-Produkte Im Gazetten-Dschungel um die Spitzenpositionen ringen.«

Klatsch-Chef Fass: »Die einzige Persönlichkeit, die eine Chance hat, Jackie zu ersetzen, ist ihr Sohn John-John. Er wird als amerikanischer Gott aufwachsen.«

Jackie-Kennedy-Titelbilder: Der Mann, der sie nach Hause brachte ...

... war ihr Taxifahrer: Jackie-Kennedy-Titelbilder

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